Sendungen auf ZDF und Vox:Achtung, gleich wird's lustig

Sorry für alles

Auch Fernsehkoch Johann Lafer hat mitgemacht bei der ersten Folge von Sorry für alles. Der Scherz mit dem von ihm versalzenen Essen zündete nicht so.

(Foto: Katja Inderka/ZDF)
  • Früher waren Sendungen mit versteckter Kamera wie Verstehen Sie Spaß? mal richtig komisch.
  • Inzwischen sind Kameras jedoch allgegenwärtig und jeder muss jederzeit damit rechnen, gefilmt zu werden.
  • Warum aber setzen ZDF und Vox immer noch auf ein Format, das sich längst überholt hat?

Von Hans Hoff

Es kann kein Zufall sein, dass die am vergangenen Mittwoch gestartete und gleich schwer gefloppte Versteckte-Kamera-Show im ZDF Sorry für alles heißt. Gerichtet ist der Titel an die Kandidaten der Sendung, die man in seltsame Situationen bringt und dabei heimlich filmt. Aber man könnte dieses Sorry für alles auf der Meta-Ebene durchaus auch als eine Art Abrechnung lesen, eine Bilanz, die am Ende einer TV-Ära steht, in der unglaublich viele Menschen veräppelt und einem sanft geifernden Publikum zur Belustigung ausgeliefert wurden. "Sorry dafür", könnten die Macher nun sagen. Könnten sie. Aber sie haben natürlich wieder einmal wenig kapiert. Sie machen weiter, wo es eigentlich kein Weitermachen geben sollte. Sie verstehen nicht, dass die Zeit der Versteckte-Kamera-Formate im Fernsehen schon eine Weile vorbei ist. Sie reiten ein totes Pferd zuschanden.

Nicht einmal zwei Millionen Zuschauer konnte Steven Gätjen um 20.15 Uhr im ZDF begrüßen

Die Quoten für die erste Ausgabe der Sendung waren erbärmlich. Nicht einmal zwei Millionen Zuschauer konnte Moderator Steven Gätjen um 20.15 Uhr im ZDF begrüßen. Selbst das Heute Journal holte nach der Flop-Show 1,24 Millionen Zuschauer mehr vor den Fernseher. Deutlicher lässt sich das öffentliche Desinteresse für ein neues Format kaum dokumentieren. Es ist kaum zu erwarten, dass es am kommenden Mittwoch bei der zweiten Ausgabe wesentlich besser läuft.

Warum sollte man auch dranbleiben bei diesen mit Heißluft vorbereiteten Filmchen, deren Effekt in der Regel als laues Lüftchen ankommt. Da servierte zum Start der als Starkoch geltende Johann Lafer seinen Gästen ein Menü, versalzte und verschärfte aber dem ausersehenen Kandidaten die einzelnen Gänge derart, dass dieser eigentlich lauthals hätte protestieren müssen. Das aber tat er nicht oder allenfalls im Unterton, was dann schon der ganze Gag der an Harmlosigkeit kaum zu überbietenden Nummer war.

In einer ähnlichen Einfältigkeits-Kategorie spielt auch Endlich kapiert?!, ein Versteckte-Kamera-Format, mit dem der von der Heute Show bekannte Überfallinterviewer Lutz van der Horst montags bei Vox Denkzettel verteilen möchte, was aber nicht einmal mittelgut funktioniert. So sollte kürzlich ein junger Mann vorgeführt werden, der nach Ansicht seiner Freundin zu viel vor der Spielbox hockt. Sie lockte ihn in ein Café, wo sich dann zwei als Videospielfiguren verkleidete Gestalten an den Nachbartisch hockten und lauthals darüber klagten, dass sie kaum zur Ruhe kämen, weil ein Typ (natürlich war der am Nachbartisch hockende gemeint) immerzu daddele und sie so auf Trab halte. Der derart Belehrte schaute ein bisschen irritiert, was aber ganz offensichtlich weniger dem Umstand geschuldet war, dass er gerade in eine Falle getapst war, als vielmehr der Erkenntnis, dass die zwei verkleideten Typen am Nebentisch nicht mehr ganz sauber ticken.

Gerade dieses Beispiel belegt besonders drastisch, dass man mit ausgewalzten Versteckte-Kamera-Gags nichts mehr reißen kann in einer Welt, in der Kameras ohnehin allgegenwärtig sind, in der ein jeder immer und überall damit rechnen muss, gefilmt zu werden, in der inzwischen aber auch eine jede und ein jeder halbwegs weiß, wie man sich zu verhalten hat, wenn dieses rechteckige Ding auf einen gerichtet wird.

Als das mit der Verblüffung noch funktionierte

Es waren halt noch andere, medial unschuldigere Zeiten, als kurz nach dem Krieg in den USA Candid Camera startete oder als Chris Howland ab 1961 im deutschen Fernsehen "Vorsicht Kamera" warnte. Niemand verhielt sich in jenen Zeiten kameragerecht, weshalb die gefilmten Ergebnisse mit einem hohen Verblüffungsfaktor berechnet werden konnten.

Das mit der Verblüffung funktionierte auch in den frühen Tagen von Verstehen Sie Spaß? Mit dieser Show machte Kurt Felix das Format samstagabendtauglich, foppte Normalmenschen ebenso wie Prominente. Man gab sich Mühe und evozierte erstaunliche Reaktionen. Unvergessen bleibt die ehrliche Empörung eines Reinhold Messner, der bei einer Besteigung des Matterhorns auf einen von Kurt Felix dort installierten Kiosk in 4000 Meter Höhe stieß.

"Verstehen Sie Spaß" war robust im kollektiven Gedächnis der Nation verankert

So etablierte Felix eine beinahe unkaputtbare Institution, der selbst die Subversionsattacken eines Harald Schmidt, der die Show ab 1992 zweieinhalb Jahre lang nah an den Abgrund zur Gaga-Kultur führte, nichts anhaben konnten. Wie robust die Sendung im kollektiven Gedächtnis der Fernsehnation verankert ist, zeigt sich auch an der Tatsache, dass sie problemlos einen blondierten Gebrauchsmoderator wie Guido Cantz verkraftet, ohne ihren Glanz als gepflegte Seniorenunterhaltung zu verlieren. An dieser mit Einfalt teflonierten Oberfläche perlen auch schlechte Umfrageergebnisse ab, und der SWR hält eisern an seinem Moderator fest, womöglich, weil er sonst niemanden hat.

Jenseits dieser Show, die immerhin schon Cherno Jobatey und Dieter Hallervorden als Moderatoren überlebt hat und wohl auch von einer Kiste Bier angesagt werden könnte, ist mit dem Prinzip Versteckte Kamera allerdings kein Staat mehr im deutschen Fernsehen zu machen. Diese Erfahrung haben die Sender inzwischen reihum gemacht. Beinahe jeder hat schon solch eine Show versucht und dann wieder gelassen. Prominentes Beispiel war dabei als Präsentatorin Lena Gercke, die Pro Sieben vor vier Jahren half, das Freche-Streiche-Format Prankenstein zu beerdigen.

Das Scheitern der Shows hat natürlich vor allem mit der sinnlichen Entkernung ihrer selbst zu tun. Der eigentliche Gag, also die Überraschung ahnungsloser Menschen, ist halt nach wenigen Sekunden vorbei, verbraucht sich also ultraschnell. Deshalb sind die Produzenten dazu übergegangen, die Vorgeschichten und Nachbesprechungen endlos auszuwalzen, vorher zu versprechen, dass es gleich ganz lustig wird und hinterher zu behaupten, dass das gerade aber total lustig war. Im Prinzip gleichen Versteckte-Kamera-Präsentationen inzwischen eher gepflegten Nichtigkeitstalkshows mit kurzen Einspielern als einer wirklich guten Unterhaltung.

Die Einspieler, um die es geht, bekommt man heutzutage leichter, besser und kompromissloser im Netz. Dort muss man nicht lange suchen, bis man auf Videos stößt, die im Sekundentakt kuriose Situationen aneinanderreihen, die wirklich hie und da zu einem Lächeln verleiten können. Das liegt natürlich am Unmittelbaren der jeweiligen Situation. Da reicht es oft schon, wenn sich Papa hinter einer Tür versteckt und die eintretenden Kinder mit einem "Huh" erschreckt. Alles wird festgehalten von omnipräsenten Smartphones, die inzwischen jeden Bereich des Lebens ungefragt ausleuchten.

Wenn man das sieht, ahnt man, wie lustig Streiche mit der versteckten Kamera nach wie vor sein können, wie sie es oft auch sind. Nur halt nicht im deutschen Fernsehen. Nicht im ZDF und nicht bei Vox.

Endlich kapiert?! Montag 22.10 Uhr Vox, Sorry für alles, Mittwoch, 20.15 Uhr ZDF.

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