Fernsehen: Sky:Moritz Bleibtreu macht Verluste schön

Beim Defizitkönig Sky räumte der gescheiterte Chef noch einmal ab. Nun sollen ein Neuer und Werbung beim Abo-TV alles besser machen.

Christina Maria Berr

Er kam montags, gegen Mittag, und am Freitag ging es dann früh wieder zurück auf die Insel nach London - dort wo Frau und Kinder wohnten. Besonders nahe ging Mark Williams der Chefposten beim Pay-TV in München nicht. Dort fuchtelte der Australier wild mit Axt und Beil herum, bis aus dem Münchner Klassiker Premiere im Juli 2009 das Unternehmen Sky wurde.

Seit Anfang des Monats nun arbeitet ein Neuer auf dem heißen Stuhl im Reich des Medientycoons Rupert Murdoch (Wall Street Journal, Times, Sun, 20th Century Fox): Es ist der Marketingspezialist Brian Sullivan. Der Amerikaner, der vormals bei Murdochs BSkyB in London werkelte, siedelte immerhin fest in die bayerische Landeshauptstadt über, als sichtbares Zeichen sozusagen, dass er wirklich - anders als Mister Williams - gekommen ist, um zu bleiben. Die Frau und die drei kleinen Kinder folgen im Sommer.

Baseball-Fan Sullivan, der noch nie als Alleinverantwortlicher im Murdoch-Imperium aufgefallen ist, fremdelt zwar noch ein wenig mit der Chefrolle. Er legt aber sofort Hand an, auch da, wo es weh tut - im Marketing. Eine neue Kampagne soll endlich wieder viele Kunden bringen und die bitteren wirtschaftlichen Realitäten (Verlust 2009: unglaubliche 676,5 Millionen Euro) verdrängen. In drei neuen TV-Spots spielt Moritz Bleibtreu den großen Sky-Fan, den das Produkt voll und ganz überzeugt.

"Renommierter Charakterdarsteller"

Ein weiterer Spot sei noch geplant, verrät der Kinostar im Pressegespräch in einem leicht verstaubt wirkenden Saal im Hotel Bayerischer Hof am Mittwoch. Alles weitere sei "optioniert". Bleibtreu sagt auch schon mal Premiere statt Sky und schwärmt von HD. Sein Werbeengagement bringt er auf den Punkt: Besser Werbung für Sky als einen schlechten Film drehen. Auch im wahren Leben nutzt der Schauspieler das Abonnenten-Fernsehen aus dem Hause Murdoch.

Als Regisseur tritt Philipp Stölzl auf, der kürzlich mit Bleibtreu den Film Goethe! gedreht hat. Sky-Marketingchef Marcello Maggioni lobt sein neues Testimonial: Er stehe "als renommierter Charakterdarsteller für qualitativ hochwertiges Fernsehen". Bleibtreu hat es sogar schon als Wachsfigur in die Berliner Dependance von Madame Tussaud's gebracht.

Zeitweiliges Billigangebot

"Keiner will mehr fernsehen, sondern besser fernsehen", so die Botschaft der aktuellen Sky-Bleibtreu-Trilogie, die auf "besondere TV-Ereignisse" weist. Mit der Kampagne fängt man wieder bei null an. Sie soll, so betont Marketingmann Maggioni, "the what", also das Was erklären: "Let's get to the basics". Das ist immerhin eine Erkenntnis - genauso wie die Tatsache, dass ein Italiener auf deutschem TV-Posten eine erstaunlich schlechte englische Aussprache hat.

Ein zeitweiliges Billigangebot - Sky im Monat nur für 16,90 Euro statt für 60 Euro - soll zudem genügend Fans locken, und die Kundenanzahl so in die Höhe treiben. Doch da ist auch die Telekom mit ihrem Internetfernseh-Angebot Entertain aktiv. Hier wird das Abo-Paket Big TV mit 40 Sendern bis Ende Mai sogar zum Nulltarif angeboten.

Die neue Offensive könnte vergessen machen, dass eine Truppe aus Mailand fröhlich mit der Neu-Erfindung des Rads experimentiert hat. Ganz nach dem Vorbild von Sky Italia sollte das Dauer-Notstandsprogramm Premiere endlich gesunden. Zusammen mit Vorturner Williams reiste eine italienische Crew an, die rasch die Chefbüros im Münchner Vorort Unterföhring okkupierte und die Sache mediterran anging.

Drei Jahre für eine Marke

Allein die erste Werbekampagne, die die Verwandlung von Premiere in Sky kommunizierte, fiel reichlich verworren aus. Dennoch, Signor Maggioni ist reichlich stolz auf dieses italienisch-bayerische Werk. Aber, so der Vizepräsident: Einen Namen könne man in einem Jahr einführen, für eine Marke benötige man zwei bis drei Jahre. Zu dieser Markenbildung soll das neue Werbeprojekt beitragen - sie ist mindestens genauso teuer wie die Verwandlungskampagne.

Ex-Chef Mark Williams trug zum Geschehen wenig mehr bei als eine Errechnung der wahren Zahlen. Unter den Vorgängerfiguren - von Leo Kirch bis Georg Kofler und Michael Börnicke - war stets finanztechnische Fiktion Programm gewesen. In Fabelzeiten wies Premiere, irgendwie, mehr als vier Millionen Abonnenten aus.

Weil Aktionäre auf Dauer bei solchen Fabelwesen draufzahlen, türmte sich nun in der Ära des Murdoch-Manns der Abschreibungsbedarf. Allein 331 Millionen Euro waren in der Bilanz für den Wert ("Goodwill") der entsorgten Marke Premiere zu korrigieren. Die Abonnentenzahl sank, bereinigt, erheblich ab auf jetzt 2,47 Millionen.

Di-Mi-Do-Chef Williams

Obwohl dem faktischen Di-Mi-Do-Chef Williams de facto in fast anderthalb Jahren wenig mehr gelang als eine Umbenennung, wurde er doch am Ende noch fürstlich entlohnt - was in den Hallen von Sky geradezu für Erbitterung sorgt.

Ausweislich des Geschäftsberichts kassierte der Mann 2009 zusätzlich zu seinem Fixum von 1,3 Millionen Euro noch 1,471 Millionen Euro an erfolgsabhängigen Geldern - sowie noch einmal 644.000 Euro als "sonstige Bezüge". Insgesamt kassierte er 3,425 Millionen Euro. Der normale Vorstand Carsten Schmidt beispielsweise ist nur mit einem jährlichen Fixum von 600.000 Euro notiert.

Es sei die Grundlage für "solides Wachstum" geschaffen worden, hinterließ Williams als exklusives Vermächtnis. Er will in Australien nach neuen berufliche Okkasionen suchen.

Mit Miesen wird es bei Sky auch in der Moritz-Bleibtreu-Phase ein wenig weitergehen. Als internen Betriebsverlust veranschlagt die Company für dieses Jahr einen Wert von minus 130 Millionen bis minus 170 Millionen Euro. Auch dieses "Was" muss noch erklärt werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: