Fernsehen:Rundreise

Unterwegs mit einem Boxer aus Gabun, einer Frauen-Band aus Botswana und einem mauretanischen Regisseur: Der Sender Arte startet einen großen Schwerpunkt über den Kontinent Afrika.

Von Theresa Hein

Man könne nicht "von Afrikanern in China oder von Chinesen in Afrika erzählen und dabei zu Hause in Paris sitzen", sagt der mauretanische Regisseur Abderrahmane Sissako, und beschreibt damit sehr gut das Dilemma. Das Dilemma ist der Blick auf den afrikanischen Kontinent, der im 20. Jahrhundert und zum Teil auch heute noch den westlichen Afrika-Diskurs beherrscht: der von Kolonialismus geprägte, europäische Blick.

Die Feststellung des Regisseurs im nach ihm benannten Filmporträt Sissako, Weltkino aus Afrika ist natürlich sehr wahr. Man kann nicht in Europa bleiben und gleichzeitig meinen, man würde einen anderen Kontinent durchdringen, wenn man nur den Fernseher einschaltet und sich sechzig Tagesschau-Sekunden mit einem einzigen Land darin auseinandersetzt. Die Verantwortlichen bei Arte versuchen trotzdem das beinahe Unmögliche, und es gelingt verblüffend gut. Der Themenschwerpunkt "Africa Rising", der von diesem Freitag bis zum 21. Juni zu sehen sein wird, behandelt zeitgenössische Kunst, Musik und Popkultur. Afrika wird dabei weniger von außen abgebildet, vielmehr zeigt es sich selbst.

Aufgegangen ist der Plan auch, weil sowohl europäische als auch afrikanische Autoren und Regisseure das Programm bestreiten und Schlaglichter auf den Kontinent werfen. Boxing Libreville zeigt den jungen Boxer Christ in seinem Heimatland Gabun, wie er verbissen auf die Weltmeisterschaft trainiert und sich in nachts als Rausschmeißer in Clubs verdingt, um sein schmales Einkommen aufzubessern. Beim Zuschauen vergisst man ebenso, dass die Kamera dabei ist, wie beim Auftritt der Frauen-Band in Botswana, die Königinnen des Heavy Metal, die sich mit ihrer Musik gegen das Patriarchat auflehnt.

Knapp zwei Jahre lang habe man den Schwerpunkt vorbereitet, sagt der federführende Redakteur Oliver Schwehm. "Wir wollten damit auch an die aktuellen Diskussionen wie die um die Restitution von Kulturgütern in Frankreich und Deutschland anknüpfen", sagt er. "Und wir wollten, dass wir in den Köpfen wegkommen von dem Bild eines Afrika, das hauptsächlich als Krisenkontinent gesehen wird." Die 21 Dokumentationen und Spielfilme sind deswegen keine Expertenfilme, sondern liebevolle Arbeiten von Regisseuren und Autoren, die den Kontinent bereist und vor Ort die Musiker und Künstler getroffen haben. "Wir hängen mit unserem Afrikabild, das wir einerseits romantisieren und andererseits überdramatisieren, auch im 21. Jahrhundert schon noch sehr hinterher", sagt Schwehm. Das mag zunächst nicht überraschend klingen, zutreffend ist es, wenn man daran denkt, wie oft Afrika aus europäischer Perspektive noch immer als einziges Land gedacht wird.

Die Auftakt-Dokumentation Afrika Rising zum Schwerpunkt zeigt ein kulturelles Selbstbewusstsein Afrikas, das sich nicht nur über die Jahrhunderte durch Kolonialismus und diktatorische Regime hindurch behauptet hat. Sondern das bereits weit über den Kontinent hinaus wirkt: in der Musik von Künstlerinnen wie Nneka etwa oder der Grammy-Preisträgerin Angélique Kidjo genauso wie in Blockbustern wie Black Panther und den nachdenklichen Filmen Sissakos. Ein detaillierteres Bild des Kontinents bekommt wohl nur, wer ihn endlich selbst bereist.

Afrika Rising, Arte, Freitag, 21.45 Uhr.

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