ARD-Film "Riesending":Noch mal Gänsehaut

ARD-Film "Riesending": Nachdem Bernd Hellersdorf (Christoph Bach, r.) tagelang bei dem schwer verletzten Josef Häberle (Roland Silbernagl) ausgeharrt hat, überlässt er ihn nun der Obhut von Birgit Eberharter (Verena Altenberger).

Nachdem Bernd Hellersdorf (Christoph Bach, r.) tagelang bei dem schwer verletzten Josef Häberle (Roland Silbernagl) ausgeharrt hat, überlässt er ihn nun der Obhut von Birgit Eberharter (Verena Altenberger).

(Foto: Nikola Predovic/Senator Film Produktion/BR/ARD/Degeto/dpa)

Ein ARD-Zweiteiler erzählt von der Rettung des verunglückten Höhlenforschers Johann Westhauser - die Geschichte kennt man, spektakulär ist sie trotzdem.

Von Stefan Fischer

Eine Höhle schluckt alles: Licht, Geräusche, mitunter auch Menschen. Davon erzählt der Regisseur und Drehbuchautor Jochen Alexander Freydank in dem Fernseh-Zweiteiler Riesending - Jede Stunde zählt. Klar, es ist auch oder sogar vor allem die Geschichte einer spektakulären Rettung. Aber die haben wir schon einmal gehört und wissen, dass sie gut ausgeht.

Im Sommer 2014, die deutsche Fußball-Nationalmannschaft schickt sich gerade an, Weltmeister zu werden, verunglückt der Höhlenforscher Johann Westhauser in der Riesending-Höhle im Berchtesgadener Land lebensgefährlich. Ihn zu retten erscheint unmöglich, und doch glückt das Unterfangen. Elf Tage nachdem Westhauser von einem herabfallenden Stein schwer verletzt worden ist, kann er am 19. Juni 2014 von einem internationalen Helfer-Team aus der Höhle geborgen werden.

Es war das prägende Thema in den Medien gewesen, ehe das WM-Turnier an Fahrt aufnahm. Einmal hört man in Riesending den damaligen Bundestrainer Löw aus dem Radio, wie er Löwdinge sagt. Als es gelingt, ein Cave-Link-System aufzubauen, das eine Kommunikation durch Fels hindurch ermöglicht, wird ein WM-Ergebnis an eine Gruppe Kroaten unter Tage geschickt.

Auch wenn die Geschichte bekannt ist, saugt einen der Film in die Höhle

Jochen Alexander Freydank bedient in Riesending nicht eine Schaffen-sie-es-Dramatik. Er weiß, dass seine Geschichte keine Überraschungen birgt. Er weiß aber auch, dass sie einen trotzdem packen kann. So wie man als Fan, wenn man sich den Spielzug zum 1:0 im Finale wieder anschaut, heute noch eine Gänsehaut bekommt, obwohl man natürlich weiß, dass der Ball ins Tor geht.

Der Film saugt einen in die Höhle. Er ruft weniger Tatsachen in Erinnerung als Gefühle. Dass ein Mensch mit einer Schädelverletzung tief im Berg liegt, in vollkommener Dunkelheit, sieht man von den Stirnlampen seiner Begleiter ab, an einem Ort, den selbst ein ortskundiger Kletterer vom Höhleneingang aus frühestens nach 13 Stunden erreicht - all das wurde seinerzeit berichtet. Ausgemalt hat es sich jeder in seiner Fantasie.

Für die haben Freydank und der Kameramann Thomas C. Dirnhofer nun starke reale Bilder aufgenommen in einer Höhlenregion in Kroatien, was dem gesamten Team viel abverlangt hat. Natürlich gibt es auch etliche Szenen über Tage, von der Koordination des Rettungseinsatzes, dem Abwägen der Risiken, den Querelen zwischen Bergwacht und Höhlenforschern, von der medialen und politischen Dimension dieses Notfalls.

Unten ist es finster, eng, bedrückend, manchmal aber auch schön und erhaben

Dies ist aber keine Gegenwelt zu der in der Höhle, sondern eher eine komplementäre. Die Einsamkeit der Handelnden, die Verantwortung, die auf ihnen lastet, die beinahe vollständige Abwesenheit von Hektik und eine Ruhe, die manchmal in Lähmung kippt - da spiegeln sich oben und unten.

Unten ist es finster, still, eng, bedrückend, hin und wieder gruselig. Manchmal aber auch: schön und erhaben. Die Höhle, die den Forscher (vermeintlich) geschluckt hat, sie verschluckt auch das Fernsehpublikum. In so einer Höhle lässt man viel hinter sich. Für drei Stunden ist sie die Welt, in der man sich orientieren, in deren Grenzen, Weiterungen und Untiefen man seine Gedanken und Gefühle ausloten muss.

So wie die Figuren - auch jene, die die Höhle nie betreten. Sie sind realen Vorbildern nachempfunden, auch wenn der Verunglückte im Film Häberle heißt und andere vor allem so angelegt sind, dass sich die Grundkonflikte gut erzählen lassen. Maximilian Brückner spielt den zögerlichen Leiter der Bergwacht, Verena Altenberger eine engagierte Gefährtin des Verunglückten, Sabine Timoteo eine mutige Notärztin. Gute Schauspieler und ein gutes Drehbuch finden hier zusammen, sodass man als Zuschauer die Figuren ernst nehmen kann. Selbst die abgezockte Journalistin und den dominanten Ministeriumsabgesandten. Auch die dürfen ihre Jobs gut machen.

Riesending - Jede Stunde zählt, Das Erste, 28. Dezember 2022, 20.15 Uhr.

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