Fernsehen:Richtig oder falsch

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„Ich war froh, als ich nach Hause gehen konnte.“ – Birgit Breuel war vier Jahre Präsidentin der Treuhandanstalt. (Foto: Vincent TV)

In einer Arte-Doku spricht die einstige Präsidentin Birgit Breuel über ihre Zeit bei der Treuhandanstalt. Das Portrait einer atemlosen Zeit.

Von Ulrike Nimz

Diese kurze Stille zwischen zwei Sätzen zählt zu den eindrücklichsten Momenten der 53 Minuten: Birgit Breuel, ehemals Präsidentin der Treuhandanstalt, kommt auf Bischofferode zu sprechen, einen kleinen Ort im Norden Thüringens. Als dort 1993 das Kaliwerk geschlossen werden sollte, traten die Bergmänner in den Hungerstreik. Die Bilder der ausgezehrten Kumpel, die noch auf Pritschen liegend die Faust ballen, haben sich ins Gedächtnis der Menschen eingebrannt und wohl auch in das von Birgit Breuel: "Nach meiner Erinnerung war das ein verantwortliches Verfahren, was wir da versucht haben, in Gang zu setzen", sagt Breuel zögerlich, schweigt. "Vielleicht war das der Höhepunkt, wo zu viele Entscheidungen getroffen worden waren, die die Menschen nicht mehr wollten."

"D-Mark, Einheit, Vaterland - Das schwierige Erbe der Treuhand" heißt die Dokumentation, mit der Arte an diesem Dienstag ein Schlaglicht auf den Umbau einer ganzen Volkswirtschaft wirft, auf Privatisierung, Sanierung und Abwicklung Tausender DDR-Betriebe. Der Film von Inge Kloepfer und Jobst Knigge ist auch ein Porträt von Breuel, die nach der Ermordung des Treuhand-Chefs Detlev Rohwedder durch die RAF die Rolle als Nachfolgerin und Buhfrau annahm, auf deren Schreibtisch ein Schild gestanden haben soll: "Wie es nicht geht, weiß ich selber." Birgit Breuel lebt heute zurückgezogen, es kann als Coup gelten, dass sie vor Kameras Bilanz zieht. Und sei es nur mit dem Satz: "Ich war froh, als ich nach Hause gehen konnte."

Was war richtig, was war falsch? Es ist die Leitfrage des Filmes, nicht wenige der Protagonisten stellen sie sich selbst. Politiker, Wirtschaftsberater, Treuhandmanager kommen zu Wort. Archivaufnahmen zeigen ein frisch vereintes, ein taumelndes Land: Frauen in Dederonschürzen, Anzugträger mit Sektflöten. Helmut Kohls Rede vor der Dresdner Frauenkirche. Der Bundeskanzler ruft ein zweites Wirtschaftswunder aus. "Wir wollen und wir werden niemanden bevormunden." Die Menge jubelt. Arbeitslosigkeit, Abwanderung, Pegida sieht 1989 noch keiner kommen.

Der Bundeskanzler ruft ein zweites Wirtschaftswunder aus. Die Menge jubelt

Lothar de Maizière, letzter Ministerpräsident der DDR, später Bundesminister für besondere Aufgaben, erinnert sich, wie er Kohl das Ende der Euphorie verkündet: "Wenn wir nicht etwas machen, das Bleibehoffnung weckt, können Sie mir zu Weihnachten die Bundeswehr schicken, damit jemand die Straßenbahn fährt."

Dass sich "der Osten" nicht mit der DDR erklären lässt, sondern mit den Brüchen der Nachwendezeit, ist keine neue Erkenntnis; aber Kloepfer und Knigge liefern spannende Stimmen aus Jahren, in denen Traum und Trauma dicht beieinanderlagen. Den Blick auf das Heute bleiben die Filmemacher schuldig. Erfolge der AfD, die Forderung nach einem Treuhand-Untersuchungsausschuss, all das ist Hintergrundrauschen. So wirkt die Doku bisweilen etwas unentschlossen und gehetzt - vielleicht die angemessene Form für das Porträt einer atemlosen Zeit.

D-Mark, Einheit, Vaterland - Das schwierige Erbe der Treuhand . Arte, Dienstag, 22.05 Uhr.

© SZ vom 23.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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