Süddeutsche Zeitung

Fernsehen:Kalte Küche

Kein Backen, kein Putzen, kein Sex: Eine ZDF-Komödie mit Anna Maria Mühe als Wirtin im Dirndl erzählt von einem Frauenaufstand im Dorf Gendering.

Von Kathrin Hollmer

In Gendering hat man noch nichts von Gleichberechtigung gehört. In dem fiktiven Dorf mit dem bedeutungsvollen Namen im Speckgürtel Münchens ist die Gewaltenteilung wie in den Fünfzigern: Sie hält ihm den Rücken frei. "Einer muss das Sagen haben, und das ist der Mann", sagt der Wirt Alfons (Friedrich von Thun) bei einer Versammlung in seinem Gasthof. Erst als Investoren ein Wellnessdorf ("Authentic Bavaria") aus Gendering machen wollen, merken die Frauen, dass sie eigentlich nie gefragt werden, was sie wollen.

Das wissen sie nun genau: die 18 Millionen, die ihnen die Investoren bieten, wenn sie ihre Häuser räumen. Sich was gönnen. Eine Weltreise, einen Platz im Ashram, eine Scheidung, eine kosmetische Runderneuerung. Die Männer wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Ausgerechnet Alfons' Tochter Paula (Anna Maria Mühe) zettelt den Aufstand gegen das Patriarchat an.

Wenn Frauen ausziehen heißt die ZDF-Komödie von Drehbuchautor Christian Jeltsch, der mit einem Grimme-Preis für seine Heimatkomödie Einer geht noch ausgezeichnet worden ist, und Regisseur Matthias Tiefenbacher. Zunächst ziehen die Frauen also in eine WG. Bis ihre Männer den Kaufvertrag unterschreiben, treten sie in den Streik: kein Putzen, kein Kochen, kein Sex, kein "Jägerfrühstück" nach dem nächtlichen Ansitzen für den Mann. Schwachstellen, mit denen die Frauen ihre Männer erpressen, gibt es genug. Der Mann der früheren Milchprinzessin Marie (Sophie von Kessel)

dopt seine "Siegerviecher", der spielsüchtige Vater von Fritzi (Michelle Barthel) lässt sich beim Strip-Poker ausziehen. Natürlich kommt es in der recht vorhersehbaren Komödie zu Komplikationen, vor allem ausgelöst von Paulas großer Liebe Max (Max von Thun), der vor drei Jahren die geplante gemeinsame Weltreise allein antrat, und sie nun überzeugen will, nicht zu verkaufen.

In starken Momenten erinnert der Film an Komödien wie Marcus H. Rosenmüllers Wer früher stirbt ist länger tot. Beispielsweise wenn Alfons bei Gewitter mit einem Blitzleiter-Hut zu dem Baum läuft, an dem seine Frau vom Blitz erschlagen worden ist, damit der ihn auch trifft, und Paula mit heliumgefüllten Ballons einen fliegenden Blitzableiter steigen lässt. Oder wenn die Rennradlerin Fritzi Angst vor der Doping-Kontrolle hat, weil sie Wurst und Fleisch vom lokalen Siegerviecher-Züchter isst. In schlechten Momenten erinnert der Film an ein Volkstheater der schlechteren Art.

Mit stereotypen Figuren wie Diana (Marlene Morreis), ihrem herrschsüchtigen Mann oder Esoterikerin Judith (Saskia Vester). Darüber, und über gelegentlichen Klamauk, kann man hinwegsehen und sich an optischen Ideen erfreuen wie dem Modell vom Wellnesspark, das immer wieder mit dem echten Dorf verschmilzt, oder Jesus am Kreuz, der zu einem küssenden Paar schielt. Beeindruckend ist auch der Cast. Vor allem Anna Maria Mühe, die man selten in Komödien sieht, als bayerische Wirtin im Dirndl. Nur das Patriarchat schafft auch sie am Ende nicht ab.

Wenn Frauen ausziehen, ZDF, 30.5., 20.15 Uhr.

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SZ vom 29.05.2019
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