Fernsehen im Netz:Neue Moralinstanz

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Böses im Sinn? Filmszene aus der Netflix-Serie "House of Cards" mit Kevin Spacey und Robin Wright als Frank und Clair Underwood. (Foto: Nathaniel E. Bell/Netflix/AP)

Die "Great Firewall" wird wieder etwas höher: China verbannt US-Fernsehserien von Streamingportalen. Erst nach Sichtung geben die Kultur-Wachhunde im Reich der Mitte die Inhalte frei. In Hollywood ist die Verunsicherung groß.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Wer in den Vereinigten Staaten gerade die aktuellen Folgen des Dschungel-Wahnsinns Ich bin ein Star, holt mich hier raus sehen möchte, der wird enttäuscht. Das liegt nicht daran, dass Walter Freiwald als Bedrohung für die amerikanische Kultur gesehen wird, sondern an rechtlichen Überlegungen.

"Geoblocking" wird das genannt, wenn etwa ein Urheber sein Werk nur daheim aufgeführt haben will. Für die Nutzer ist es nervig, wenn sie nicht sehen dürfen, was sie sehen möchten, obwohl sie sogar dafür bezahlen würden. Nicht wenige wütende Nicht-Zuseher sprechen bei Geoblocking von Zensur, doch das stimmt nicht. Zensur, das ist das, was in China passiert.

Dort wurden zahlreiche US-Fernsehserien wie Agent Carter, Shameless oder Empire von den Streamingportalen Sohu, Yoku und iQiYi verbannt. Die staatliche Behörde für Presse, Veröffentlichungen, Radio, Film und Fernsehen hatte kürzlich schärfere Regeln bekanntgegeben und diese nun erstmals umgesetzt. Das könnte weitreichende Konsequenzen für ausländische Produzenten haben, die auf Einnahmen aus diesem rasant wachsenden und überaus lukrativen Film- und TV-Markt immer mehr angewiesen sind.

Die Behörde hatte im September angekündigt, Inhalte auf moralisch fragwürdige Szenen in den Bereichen Gewalt und Sexualität zu überprüfen - und nur noch jene Werke freizugeben, die sie in voller Länge geprüft hat.

Das sorgt für Unsicherheit bei Produzenten und Portalen; Serien wie American Horror Story oder Two Broke Girls werden in den USA in wöchentlichen Happen veröffentlicht und auf den chinesischen Portalen jeweils einen Tag später mit Untertiteln ausgestrahlt. Genau das möchte die Regierung offenbar verhindern. Sie verkündete, künftig die komplette Serie oder wenigstens eine vollständige Staffel zu prüfen.

Das war eine wunderbare Nachricht für amerikanische Streamingportale wie Netflix oder Amazon Prime, die ohnehin jeweils eine Spielzeit zur Verfügung stellen - Marco Polo und House of Cards etwa wurden von den Kultur-Wachhunden genehmigt und sind derzeit bei Sohu zu sehen. Was mit allen anderen Serien passiert, ist derzeit nicht abzusehen.

Niemand will es sich mit den chinesischen Zensoren verscherzen

In Hollywood herrschte vergangenes Jahr Goldgräberstimmung, wenn es um China ging: Fox etwa schaufelte alle Folgen der Simpsons für viel Geld über die große Zensorenmauer, Jack Ma, Gründer der Handelsplattform Alibaba, wurde umgarnt wie eine Diva; er einigte sich dann mit dem Studio Lionsgate auf eine Kooperation.

Mittlerweile jedoch herrscht Unsicherheit in der Filmstadt, niemand will sich öffentlich äußern, alle fürchten bei einer unbedachten Aussage scharfe Konsequenzen durch die chinesischen Zensoren.

Bislang gab es für den Freund gepflegter Unterhaltung die Möglichkeit, sowohl Geoblocking als auch Zensur über ein sogenanntes Virtuelles Privates Netzwerk (VPN) zu umgehen und dabei so zu tun, als würde man nicht in China sitzen, sondern in den Vereinigten Staaten.

Doch das wird nun schwieriger, auch in diesem Bereich haben die Behörden die Regeln verschärft: Vergangenes Wochenende etwa waren Facebook, Twitter und Gmail in China trotz VPN nicht zu erreichen. Die "Great Firewall", die Schutzmauer der chinesischen Regierung, wird gerade etwas höher gezogen.

© SZ vom 28.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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