Süddeutsche Zeitung

Fernsehen:Ihre Marke, bitte!

Lesezeit: 3 min

Im "Tatort" vom Sonntag sorgte das Auto einer Verdächtigen für Verwirrung, das mit verpixeltem Logo durchs Bild rollte. Welche Marken dürfen im Lieblingskrimi der Deutschen auftauchen? Eine Ermittlung.

Von Kathrin Müller-Lancé

Es wurde ziemlich viel Auto gefahren im Tatort "Nemesis" vom vergangenen Sonntag. Die Dresdner Ermittlerinnen lenkten sich von Verhör zu Verhör, trafen einen Informanten in der Waschanlage und lieferten sich am Ende eine klassische Verfolgungsjagd im Parkhaus. Die eigentlichen Hauptdarsteller dabei: der silberne VW der Kommissarinnen - und der dicke Volvo der Verdächtigen. Bleibt nur noch zu ermitteln: Warum war das VW-Logo der Polizeiwagen stets einwandfrei zu erkennen, der Volvo-Schriftzug aber teilweise verpixelt?

Der "Tatort" gerät immer wieder mal wegen gezeigter Marken in die Kritik

Es gebe "keinerlei Kooperationen zwischen Autoherstellern und Sender", teilt eine Sprecherin der Produktionsfirma W&B Television auf Anfrage mit. Sie hat den Dresdner Tatort vom Wochenende verantwortet. In der entsprechenden Szene habe man es als "grenzwertig" empfunden, dass der Volvo "bildmittig und prominent zum Stehen kommt". Da diese Szene aber für den Schnitt notwendig gewesen sei, habe man sich gemeinsam mit der Regie und dem Sender dafür entschieden, den Schriftzug unkenntlich zu machen: "Mit dieser Kompromisslösung konnten wir aus unserer Sicht eine zu herausgehobene werbliche Darstellung der Marke verhindern."

Ob es dem Grundsatz der Markenvielfalt dient, wenn das eine Logo verpixelt, das andere aber gezeigt wird, und ob die gezeigte Marke damit nicht noch prominenter wird, bleibt fraglich. Dass eine bestimmte Marke von einer Fernsehproduktion werblich profitiert, verbietet in Deutschland der Rundfunkstaatsvertrag: "Schleichwerbung, Produkt- und Themenplatzierung sowie entsprechende Praktiken sind unzulässig", heißt es dort in Paragraf sieben.

Trotz dieses Grundsatzes gibt es aber auch Ausnahmen, zum Beispiel dürfen unentgeltliche Produktplatzierungen, sogenannte Produktbeistellungen, in bestimmten Sendungen und Filmen eingesetzt werden. Demnach wäre auch ein vom Hersteller kostenlos bereitgestelltes Auto im Tatort legal - sofern im Abspann darauf hingewiesen wird.

Der Grat zwischen zulässiger Darstellung von Produkten und unterschwelliger Werbung ist also schmal. Immer mal wieder gerät der Tatort deshalb in die Kritik, zum Beispiel wenn in Hannover besonders viele neue VW-Modelle gezeigt werden oder wenn städteübergreifend besonders viele Kommissare in Mercedes-Limousinen unterwegs sind.

Im Fall des Dresdner Tatorts wurden die Fahrzeuge allerdings nicht vom Hersteller geliehen, sondern über eine Autovermittlungsfirma angemietet. Man entscheide in Abstimmung mit Regie und Sender, welche Autos inhaltlich zu den erzählten Figuren passen, heißt es aus der Produktionsfirma.

Auch beim SWR werden die Autos, die in den Tatorten zu sehen sind, in der Regel angemietet. "Wir nehmen dann absichtlich nicht die neuesten Modelle - es soll ja nah an der Lebenswirklichkeit sein", sagt Annette Gilcher vom SWR. Ausnahmen bestätigen die Regel: Der Porsche Targa, Baujahr 1975, mit dem Kommissar Thorsten Lannert (Richy Müller) durch Stuttgart fährt, ist Eigentum des Senders, ebenso der historische Fiat 130 vom ehemaligen Ludwigshafener Ermittler Kopper (Andreas Hoppe). So ganz verzichten kann und will man beim Tatort nämlich trotz allem nicht auf Autos und Marken. Die Verbindung von Kommissaren und ihren Dienstwagen ist oft eine geradezu symbiotische: Seinen alten Citroën CX rettete Götz George alias Horst Schimanski sogar aus den Achtzigern in die Neuauflage 2013 - ein Klassiker eben. Ebenfalls in die Geschichte des Tatorts eingegangen ist die Szene, in der Axel Milberg als Kommissar Borowski in bester Cowboy-Manier seinen rostbraunen Uralt-Passat erschießt. Zuvor war das Auto von Folge zu Folge weiterrepariert worden. Und der Münsteraner Gerichtsmediziner Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) scheint noch mehr verschiedene Autos zu besitzen als akademische Titel. Mal kalauert er im Jaguar-Cabrio, mal im Wiesmann-Sportwagen.

Letzterer übrigens wurde von einem privaten Besitzer geliehen - der vor Gericht Schadenersatz forderte, nachdem er sein Auto nach dem Dreh mit Kratzern und Heckschaden zurückbekommen hatte. Und wenn die Fahrzeuge nicht mit Exzentrik punkten können, dann doch immerhin oft auch mit regionalem Bezug. Die Stuttgarter Ermittler fahren eben Porsche und Mercedes, die Münchner BMW.

"Bei den Autos der Kommissare folgt der Tatort der Alltagsrealität bei der Münchner Polizei, die zu einem großen Teil Autos der Marke BMW fährt", teilt der Bayerische Rundfunk mit.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4568763
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.08.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.