Fernsehen:Der gute Amerikaner

Fernsehen: Schreiben als Rausch: Autor T.C. Boyle lässt sich gern von Reportern begleiten – und gefällige Fragen stellen.

Schreiben als Rausch: Autor T.C. Boyle lässt sich gern von Reportern begleiten – und gefällige Fragen stellen.

(Foto: Arte)

Am Schreibtisch, beim Gassigehen, auf Rattenjagd: Eine Arte-Doku begleitet den Schriftsteller T.C. Boyle. Und der liebt das Begleitetwerden offensichtlich sehr.

Von Viola Schenz

Das Entlarvende sagt er in der vorletzten Filmminute. "Ich werde euch vermissen. Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen, weil ihr mich nicht gefilmt habt." Mit Sicherheit meint er das so. T. C. Boyle liebt Interviews vor Kameras, er liebt es, Reporter in seinem Holzhaus im kalifornischen Montecito zu empfangen. Boyle ist Meister der Selbstinszenierung.

Derzeit ist er mit seinem Roman "Das Licht" auf Deutschland-Lesereise. Lässig steht er mit Rotweinglas in den Foyers großer Hallen und schüttelt Hände. Boyle wurde im Dezember 70, in Deutschland hat er die größte Fangemeinde außerhalb der USA, seine Bücher erscheinen regelmäßig erst auf Deutsch, bevor sie im Original auf den Markt kommen. Zur Lesereise zeigt Arte das Porträt T. C. Boyle - Rockstar der amerikanischen Literatur

Mit 17 benannte sich Thomas John Boyle in Tom Coraghessan Boyle um (Coraghessan ist der Nachname eines irischen Verwandten), um diesen neuen Namen gleich hinter Abkürzungen zu mystifizieren. Die Wände seines Büros an der University of Southern California, wo er seit 1978 "Kreatives Schreiben" unterrichtet, hat er zugeklebt mit Zeitungsartikeln über ihn, Hunderte T. C. Boyles blicken dem Zuschauer entgegen.

Die Biografie wäre selber einen Roman plus Verfilmung wert: einfache Herkunft, Eltern saufen sich zu Tode, Highschool gerade so geschafft, Drogen und Rockbands, Bücher als Rettung, Doktor in Englischer Literatur und Schriftsteller-Popstar.

Die Filmemacher Adrian Stangell und Isabelle Hinteregger zeigen Boyle in seinem Büro an seinen Schreibtisch mit Blick in den Wald. Die Kamera gleitet über Notizen, Boyle erzählt, wie er den Einstieg in seine Geschichten findet, dass sich das immer "wie ein Rausch" anfühle. Er geht Gassi mit der Pudelmischung oder auf Rattenjagd durch die Garage. Dazwischen sagt er Sätze wie: "Unser Konsumwahn zerstört die Natur, aber unsere Ressourcen sind begrenzt."

Boyle personifiziert den guten Amerikaner, besonders in bösen Trump-Zeiten. Er weiß, was die Fans in Deutschland hören wollen. Dass er, der Umweltschützer, ständig unterwegs ist, und zwar per Flugzeug, selbst für einen Vortrag vor Lehrern im Nachbarstaat Arizona - nun ja. Dass er, der Kritiker der US-Waffengesetze, eine Pistole besitzt, als "Ruhestandsplan" ("Ich will damit niemanden töten außer mich selbst"). Oder um sich in der einsamen Waldwelt zu verteidigen? Hier und dort nachhaken hätte nicht geschadet.

Boyle kokettiert leidenschaftlich, er spielt Katz und Maus mit Journalisten. Hinter der wilden Fassade steckt ein Workaholic, der Romane wie am Fließband produziert, ein dreifacher Vater, der seit 45 Jahren skandalfrei mit derselben Frau verheiratet ist. So sehr er vor der Kamera den Gutmenschen gibt, so sehr rechnet er in seinen Büchern mit Umwelt- und Friedensaktivisten ab. Was soll's - selbst in einer brav-anbiedernden Doku ist ein T. C. Boyle unterhaltsam genug, ein erstklassiger Schriftsteller ist er ohnehin.

T.C. Boyle - Rockstar der amerikanischen Literatur, Arte, 21.50 Uhr.

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