Süddeutsche Zeitung

"Sörensen hat Angst" im Ersten:Aus der Bahn

Mordsgeheimnis: Ein ARD-Film erzählt mit Bjarne Mädel, Matthias Brandt und lakonischem Humor von der Macht, die Menschen übereinander haben.

Von Stefan Fischer

Nein, das hat Sörensen nicht erwartet. Dass alle Probleme des Dorfes Katenbüll über ihm ausgekippt werden. Er hat sich doch extra von Hamburg hierher versetzen lassen, damit er in der friesischen Einöde seine Angststörung in den Griff bekommt. Aber statt polizeiliche Routinearbeit zu verrichten, soll er, der sich kaum selbst helfen kann, nun eine ganze Dorfgemeinschaft kurieren. Denn darauf läuft es hinaus.

Diesen Mord aufzuklären, bedeutet, die tiefsten Geheimnisse von Katenbüll zur Sprache zu bringen und ein ganzes Dorf von einer Angststörung zu befreien. Ein kompliziertes Unterfangen. Der gewaltsame Tod des Bürgermeisters lockert zwar Ventile. Doch erst Sörensen öffnet sie vollends, und der entweichende Druck fegt ihn fast um.

Bjarne Mädel spielt den Polizisten Sörensen, und er führt auch erstmals Regie bei diesem Projekt, das eine besondere Geschichte hat. Denn Mädel nimmt sich der Figur und dieses Falles bereits zum zweiten Mal an. Sörensen hat Angst ist ursprünglich ein Hörspiel, dessen Hauptrolle Sven Stricker für Mädel geschrieben und das der Autor 2018 für den NDR inszeniert hat. Anschließend hat Stricker den Stoff mit mehr Figuren und mehr Milieu zu einem Roman ausgearbeitet - eine Zwischenstation auf dem Weg zum Filmprojekt. Bei dem trägt nun Bjarne Mädel die künstlerische Gesamtverantwortung.

Schäffler dirigiert Katenbüll mit seinen Augenbrauen - je schräger sie stehen, desto bedrohlicher wird es

Sörensen hat Angst ist ein Schauspielerfilm geworden. Und weil die Schauspieler voreinander bestehen können, können es auch ihre Figuren. Matthias Brandt ist zu sehen als Frieder Marek, der einmal mächtig war, bis er einer Intrige zum Opfer gefallen und darüber zum Trinker geworden ist. Ein Rest Persönlichkeit schimmert jedoch immer noch durch. Und es braucht schon einen Kollegen wie Peter Kurth, damit der von diesem verkörperte Fleischfabrikant Schäffler das nötige Format gewinnt, um einen wie Marek derart rasieren zu können. Ohne dass man den Wolf gleich erkennt im Schafspelz.

Schäffler dirigiert Katenbüll mit seinen Augenbrauen - je schräger sie stehen, desto bedrohlicher wird es für sein Gegenüber. Das kann so wahrscheinlich nur Kurth spielen. Hinzu kommen Katrin Wichmann und Leo Meier als Polizisten, Anne Ratte-Polle als Witwe des Bürgermeisters, Marion Breckwoldt und Markus John in kleinen, aber nicht minder wichtigen Rollen. Sie alle zeigen Figuren voller Verunsicherung, irritiert durch den Eindringling Sörensen. Der selbst aus der Bahn geworfen ist, von seiner Krankheit und zunehmend auch von den Geschehnissen in Katenbüll. Alle drei Polizisten haben irgendwann Tränen in den Augen. Nicht, weil es ihnen an professioneller Distanz mangelt, sondern weil sie sich ihre Empathie erhalten haben.

Letzten Endes erzählt der Film von der Macht, die Menschen übereinander haben können - auch im ganz Kleinen. Wie sie sie erlangen, behaupten und mitunter auch wieder verlieren. Er tut das mit sehr viel lakonischem Humor. Auch auf diesem Feld ist Sörensen der Katalysator. Und die Figuren und das ganze Projekt somit bei Bjarne Mädel in den besten Händen.

Sörensen hat Angst, Das Erste, Mittwoch, 20.15 Uhr.

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