FDP warnt vor Politmagazin:Bloß keine Interviews mit dem NDR

Politische Einflussnahme auf den unabhängigen Journalismus: Die FDP warnt in einer E-Mail vor dem Magazin Panorama.

Marc Felix Serrao

Dass das Leben nach der Karnevalszeit wieder Regeln braucht, wissen nicht nur die Jecken. Das weiß auch die FDP, die früher, als Oppositionspartei, oft und gerne jeck war, heute aber meist nur noch unfreiwillig närrische Züge zeigt. Vergangene Woche nun luden die Liberalen zum politischen Aschermittwoch, unter anderem auch nach Karlsruhe in Baden-Württemberg. Tags zuvor, am Faschingsdienstag, versandte der Hauptgeschäftsführer des dortigen Landesverbandes der FDP, Sebastian Haag, eine E-Mail an einige Parteifreunde.

Zu den Empfängern des mehrfach weitergeleiteten Schreibens zählten schließlich auch die FDP-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Birgit Homburger - die später als Starrednerin in Karlsruhe auftreten sollte -, und ihr baden-württembergischer Amtskollege Hans-Ulrich Rülke. In der E-Mail, die der SZ vorliegt, warnt Haag davor, beim Aschermittwochstreffen Interviews zu geben - nicht allgemein, sondern einem Kamerateam im Besonderen: dem des Panorama-Magazins vom NDR.

Die E-Mail beginnt mit dem Hinweis, dass sich für Aschermittwoch ein Kamerateam des NDR angekündigt habe. Jan Havlik, Sprecher des FDP-Landesverbandes in Baden-Württemberg, habe herausgefunden, "dass es sich dabei um ein Team der Panorama-Redaktion handelt".

Dann folgt die Warnung: "Da von dieser Redaktion nach den kürzlich gemachten Erfahrungen kein objektiver Journalismus erwartet werden kann", schreibt Haag, "möchte ich Sie auf die Gefahr aufmerksam machen, bei Interviews als ungewollter Stichwortgeber einer gegen uns gerichteten Medienberichterstattung aufzutreten."

Differenzierte Meinungen würden dort nicht wiedergegeben: "Das ,aber' hinter dem ,ja' wird nicht gesendet." Die Mail endet mit einem freundlichen Hinweis auf eine andere ARD-Anstalt: "Zu Ihrer Information: Es wird auch ein Team des SWR vor Ort sein." Der Südwestrundfunk ist Haags Heimatsender.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie man beim NDR reagierte.

"Ein ziemlich ungewöhnlicher Vorgang"

Zu seinem Warnschreiben wollte der FDP-Politiker an diesem Mittwoch erst keine Stellung beziehen, schickte dann aber ein kurzes Statement: "Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Landesgeschäftsstelle die Redner und einige ausgewählte Mitglieder über die angemeldeten Medienvertreter informiert." Weshalb er positiv auf den SWR hinwies, teilte Haag nicht mit.

Beim NDR zeigte man sich über Haag verärgert. "Wenn das zuträfe, wovon man leider ausgehen muss, wäre das ein für eine demokratische Partei ziemlich ungewöhnlicher Vorgang", sagte Panorama-Redakteur Ben Bolz, der für den Beitrag aus Karlsruhe verantwortlich war: "Die Aufgabe von Panorama ist es, alle Parteien kritisch zu begleiten. Und das tun wir auch. Egal ob SPD, CDU, Die Linke, die Grünen oder die FDP."

"Schweinejournalismus"

Es ist nicht das erste Mal, dass Panorama Ärger hat. Das älteste deutsche TV-Politmagazin wird 2011 sein 50-jähriges Bestehen feiern - und auf viel Streit zurückblicken können. Schon 1969 drohten Unions-Politiker wegen der Sendung den NDR-Staatsvertrag zu kündigen (eine Drohung, die 1978 sogar wahr wurde). Doch auch die Linken regten sich auf. Als Panorama 1993 über angebliche Rotlichtverstrickungen Oskar Lafontaines recherchierte, echauffierte der sich über deren "Schweinejournalismus".

Bleibt die Frage, ob Haags E-Mail Folgen hatte. Panorama-Redakteur Bolz schrieb dem FDP-Mann am Tag nach Aschermittwoch, dass ihm in Karlsruhe etliche Liberale kein Interview gegeben und das teilweise "recht schroff" begründet hätten. Die Frage, ob er sich das erklären könne, beantwortete Haag so: "Leider kann ich Ihnen das Verhalten mancher Teilnehmer vom letzten Mittwoch nicht erklären. An Ihrer objektiven und immer an der Sache orientierter Berichterstattung über die FDP kann es ja nicht liegen."

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