FC Bayern-TV:"News, die gesichert auch der Wahrheit entsprechen"

FC Bayern München-Satellitenschüssel

Ein echter Fan lässt keine Gelegenheit aus, für seinen Verein zu werben.

(Foto: Ralph Goldmann/dpa)

"Keiner kennt den FC Bayern besser als der FC Bayern selbst": Seit Montag hat der Münchner Klub einen eigenen Fernsehsender. Wer braucht da noch Journalisten?

Von Christopher Gerards

Am Mittwochabend, eine Dreiviertelstunde bevor der FC Bayern im DFB-Pokal gegen Schalke 04 spielt, sieht man Joshua Kimmich in einem Fernsehstudio sitzen. Kimmich, 22, ist zurzeit einer der interessantesten Spieler der Bayern, er gehört zu den Profis, die von Sommer an Philipp Lahm als Rechtsverteidiger ersetzen könnten. Rund um den Klub ist das gerade ein großes Thema. In dem aufgezeichneten Interview erzählte Kimmich dann ein bisschen aus seinem Leben: dass er die Alpen mag, dass er an freien Tagen nach Hause fährt, dass er früher vor Spielen die Soap Gute Zeiten, Schlechte Zeiten geschaut hat. So etwas. Es entwickelte sich, alles in allem, ein launiges Interview, keines mit dem man Journalistenpreise gewinnt, aber handwerklich sauber, am Ende hatte man einen Eindruck davon bekommen, was für ein Mensch Kimmich ist.

Neueste News und ein kleiner Seitenhieb auf die klassischen Medien

Kimmich privat! So tickt der Bayern-Youngster! - mit solchen Nachrichten hätte, sagen wir, die Bravo Sport früher eine schöne Aufmachung gehabt, Homestorys sind die originäre Kompetenz des Boulevards. Diesmal aber brachte ein neuer Wettbewerber das Interview mit Kimmich: sein Klub, der FC Bayern.

Seit Montag senden die Münchner 24 Stunden am Tag in die Wohnzimmer der Republik, FC Bayern.tv live heißt das Angebot, es ist der erste lineare Fernsehsender eines deutschen Fußballklubs. Zu empfangen ist der Kanal über EntertainTV der Telekom, den Hauptsponsor der Bayern, sowie über die Internetseite und die Smartphone-Apps des Klubs. "Keiner kennt den FC Bayern besser als der FC Bayern selbst", sagte Karl-Heinz Rummenigge, als er den Sender eröffnete, und deshalb versprach er "neueste News" und "News, die gesichert auch der Wahrheit entsprechen". Neueste News, und natürlich ein kleiner Seitenhieb auf die klassischen Medien, die - so muss man Rummenigge wohl verstehen - seiner Meinung nach auch hin und wieder die Unwahrheit schreiben. Klar ist jedenfalls: Wenn ein Fußballklub 24 Stunden am Tag über sich selbst berichtet, verändert sich das Zusammenspiel zwischen Sport und Medien.

Internationale Klubs wie Manchester United, der FC Barcelona oder Real Madrid haben schon längst eigene Kanäle. Der Vorteil ist, dass die Vereine selbst bestimmen können, was läuft, wer redet und wer was wann fragt. Also: was der Zuschauer sieht. Wenn man so will, arbeitet der FC Bayern mit seinem Fernsehkanal weiter daran, eine eigene Welt zu erschaffen. Schon jetzt zeigen Spieler (genauso wie Schauspieler oder Sänger) Privates einfach auf Instagram, Interviews hängen immer auch vom Wohlwollen der Vereine ab. Über hauseigene Medien erreichen Klubs ihr Publikum direkt, ohne den Umweg Journalist.

15 Mitarbeiter, teils interne, teils von einem externen Dienstleister, arbeiten durchschnittlich jeden Tag am Programm von FC Bayern.tv live. Vier, fünf Stunden des Gezeigten sind in der Regel frisch, ansonsten laufen mehrheitlich alte Spiele. Es gibt Interviews mit Trainer Carlo Ancelotti und den Spielern, etwa mit Manuel Neuer oder Robert Lewandowski. Es gibt ein Magazin zu den Basketballern des Klubs, eine Taktik-Sendung mit den Ex-Profis Andreas Ottl oder Klaus Augenthaler, ein Talk-Format. Zudem überträgt der Sender einige Spiele live, jüngst eines der Basketballer.

"Egal, ob es regnet oder schneit - die Bayern sind bereit."

Aufgebaut ist das Programm rund um die Nachrichtensendung des FC Bayern, sie heißt News Update und läuft zwei Mal am Tag, um 11 und um 18 Uhr. In dieser Sendung ist die Welt des FC Bayern rot und schön, wahlweise auch bestens oder positiv. Am Dienstag sahen die neuesten News zum Beispiel so aus, dass der Moderator mit einer Art Wetterbericht eröffnete. "Ganz ekliger Schneeregen" sei gefallen, aber die gute Nachricht: Bei den Bayern-Spielern herrschte "trotzdem gute Stimmung".

Es gab ein Interview mit Angreifer Arjen Robben zu diesem und jenem Thema, außerdem eine Instagram-Schau zu folgenden Themen: Innenverteidiger Holger Badstuber freute sich auf seine Rückkehr mit Schalke zum FC Bayern; der Mittelfeldspieler Thiago gratulierte seiner Frau zum Geburtstag; und Franck Ribéry war im Zoo und hatte sich "passend zu Fasching mit David Alaba ordentlich gestylt." Außerdem im Angebot: ein Beitrag zu Sepp Maier, der seinen 73. Geburtstag feierte, was der Autor des Beitrags so antextete: "Kaum zu glauben, aber wahr".

Schlechte Spiele des Teams werde man nicht schönreden, so der Sender

In einer anderen Ausgabe erfuhren die Zuschauer, dass die Stimmung "nicht besser sein könnte", und als Joshua Kimmich, 1, 76 Meter groß, bei einem Kopfballtor gezeigt wurde, war das ein Indiz dafür, dass "einfach alles klappt beim Rekordmeister". Ein weiterer Beitrag endete mit den Worten: "Egal, ob es regnet oder schneit - die Bayern sind bereit."

Spätestens hier stellt sich die Frage: Ist das nicht alles ein bisschen viel des Guten?

"Wir möchten die Fans des FC Bayern darüber informieren, was beim FC Bayern tatsächlich los ist", sagt Mediendirektor Stefan Mennerich. Schlechte Spiele des Teams werde der Sender nicht schönreden. Der Klub wolle die klassischen Medien mit seinem TV-Angebot nicht ersetzen, "wir sind ein weiteres Angebot für unsere Fans und alle, die sich für uns interessieren". Mennerich glaubt vielmehr, dass der FC Bayern an gesellschaftlicher Relevanz verlöre, wenn unabhängige Medien nicht mehr über den Klub berichten würden. Bleibt natürlich trotzdem die Frage, wie viel kritische Außenansicht der Klub in Zukunft noch ermöglichen wird.

Im Zweifel erreichen die Vereine selbst jedenfalls ein größeres Publikum als klassische Medien: Allein dem Facebook-Kanal der Bayern folgen mehr als 40 Millionen Menschen. Und den TV-Kanal sahen nach Klub-Angaben in den ersten drei Tagen 680 000 Zuschauer - und das ist nur die Zahl der Internet-Abrufe. Das Klub-Fernsehen ist so gesehen ein Mittel im Kampf um Aufmerksamkeit, es geht darum, den Kunden die Marke FC Bayern in den Kopf zu hämmern. Für den von starker Konkurrenz geprägten Markt im Sportjournalismus heißt das, dass Exklusivität noch seltener zu bekommen ist, Medienanfragen noch stärker einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterzogen werden könnten. Ein Interview mit Spieler X? Sorry, klappt diesmal leider nicht, aber alles Wichtige hat er ja schon im Klub-TV gesagt.

Für Donnerstagabend stand jedenfalls ein Interview mit Angreifer Lewandowski auf dem Programm, danach eine Kochsendung mit Trainer Ancelotti.

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