Familie Wulff und die "Bild":Wenn die Zeitung mit im Bett liegt

"Christian und Bettina Wulff: Trennung!": In riesigen Lettern verkündete die "Bild"-Zeitung das Ehe-Aus im Hause Wulff. Kein anderes Medium hat Aufstieg und Fall des Ex-Bundespräsidenten und seiner baldigen Ex-Ehefrau so eifrig begleitet wie das Springer-Boulevardblatt. Stationen einer Dreiecksbeziehung.

Von Carolin Gasteiger

Vor noch nicht einmal einem Jahr trat Christian Wulff vom Amt des Bundespräsidenten zurück. Nun ist auch seine Ehe am Ende. In der Zwischenzeit gab es fiese Gerüchte gegen Noch-Ehefrau Bettina, Streitereien um die Höhe des präsidialen Ehrensolds und Buchprojekte beider Ehepartner. Immer ganz vorn dabei bei Aufstieg und Fall der Wulffs: die Bild-Zeitung. Stationen einer Dreiecksbeziehung.

"Eine Liebe wie aus dem Roman"

Als der niedersächsische Ministerpräsident die PR-Referentin Bettina Körner 2007 als neue Frau an seiner Seite vorstellt, soll diese Beziehung bald zum Vorbild für den Rest der Republik werden. Zumindest, wenn es nach der Bild-Zeitung geht. Als "Liebe wie aus dem Roman" bezeichnet das Blatt die Liaison, aus der im darauffolgenden Jahr eine Ehe mitsamt Nachwuchs hervorgeht. Die Verbindung eines katholischen, schon einmal verheirateten Ministerpräsidenten zu einer jüngeren Frau könnte eigentlich nach Bild-Maßstäben auf ganz andere Art ausgeschlachtet werden.

Allein: Den Wulffs ist die Bild zu diesem Zeitpunkt noch gewogen, weshalb die Berichterstattung des Blattes über das Politiker-Ehepaar bald zu einer Reklame-Dauerschleife von, wie Stefan Niggemeier es im Spiegel nennt, "bemerkenswerter Plumpheit" ausartet. In diversen Home-Stories kürt Bild Christian Wulff zum Vorzeige-Saubermann, seiner Frau spricht es bald den Rang einer "Stil-Ikone" zu. Die sich entspinnende Dreiecksbeziehung ist zu diesem Zeitpunkt für alle Beteiligten von Vorteil: Schöne Bild-Geschichten steigern theoretisch Wulffs Beliebtheit, wovon er wiederum politisch profitieren kann. Als der Niedersachse 2010 Bundespräsident wird, veröffentlicht Bild natürlich seine erste Rede im neuen Amt im Wortlaut. Seinen Aufstieg verdankt Wulff sicherlich nicht nur, aber auch der umtriebigen Berichterstattung des Boulevardblattes.

Die Kreditaffäre

"Wer mit der Bild-Zeitung im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten", sagte Springer-Chef Mathias Döpfner einmal. Bis zur Wahl zum Bundespräsidenten ging es für Wulff noch steil aufwärts. Doch Beziehungen können rasch abkühlen. Oder, frei nach Döpfner: der Fahrstuhl schneller als erwartet nach unten rasen. Ende 2011 sieht Wulff sich schweren Vorwürfen aufgrund eines Hauskredits ausgesetzt, den er über Freunde erhalten haben soll. Am 12. Dezember versucht der Bundespräsident schließlich mit einem verzweifelten Anruf bei Bild-Chef Kai Diekmann zu retten, was noch zu retten ist. Dabei begeht er jedoch einen fatalen Fehler: Er droht der Zeitung mit dem "endgültigen Bruch", sollte sie über die Vorwürfe berichten.

Die Folgen für Wulff sind verheerend: Anstatt ihren einstigen Polit-Prinzen in Schutz zu nehmen, gibt Bild die Informationen über den Anruf an die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Süddeutsche Zeitung weiter und enthält sich selbst jeglichen Kommentars. Im Nachhinein bestätigt die Zeitung den Telefonanruf. Der vollständige Wortlaut der Mailboxnachricht ist jedoch bis heute offiziell nicht veröffentlicht - ein Berliner Künstler hat allerdings ein Gemälde daraus gemacht.

Medienforscher Lutz Hachmeister erläutert in einem Interview mit dem Goethe-Institut, wie es zu dem Bruch zwischen Wulff und der Bild kommen konnte. "Es gibt Hinweise darauf, dass Christian Wulff in der Zeit als Bundespräsident seine Rolle neu definierte und versucht hat, Bild klarzumachen, dass er und seine Frau nicht mehr exklusiv für Fotos und Interviews zur Verfügung stehen. Wie in einer enttäuschten Liebesbeziehung hat sich daraus eine wechselseitige Entfremdung ergeben." Die Bild dürfte sich in dieser Lage vom Skandal um Wulffs Anruf mehr versprochen haben als von einem guten Verhältnis zum Noch-Bundespräsidenten.

"Bild"-Chef verkündet das Ehe-Aus

Der Rücktritt als Bundespräsident

Dem Vorwurf einer Schmutzkampagne entging die Bild zwar, doch an Wulffs Rücktritt hat die Zeitung durchaus ihren Anteil. "Allein schafft es ein Blatt nicht. Auch nicht Bild. Um eine hochrangige Person der Öffentlichkeit zu stürzen, müssen sich führende Medien einig sein", so Hachmeister. Wulff schafft es nicht mehr, seinen Fehler mit der Mailboxnachricht aus der Welt zu schaffen und seinen Ruf wiederherzustellen. Er legt sein Amt am 17. Februar nieder. Die Bild lässt sich nach anfänglicher vermeintlicher Zurückhaltung die Butter nicht vom Brot nehmen und schlachtet den Fall Wulff im Nachhinein gehörig aus. Im Buch Die Affäre Wulff erläutern die Redakteure Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch haarklein "den Polit-Krimi der letzten zwölf Monate", wie das Blatt reißerisch ankündigt. Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert kommentiert das mehr als 300-Seiten-Werk als "ein Lehrbuch der Recherche".

Bettina Wulff und ihr Buch

Nach dem Rücktritt verschwinden die Wulffs keineswegs aus dem Rampenlicht. Als ob sie ihren Ruf in der Öffentlichkeit korrigieren und sich von falschen Anschuldigungen reinwaschen wollen, planen beide ihre Memoiren. Und wieder weiß Wulff-Sprachrohr Bild als erstes Medium davon. Im Folgenden konzentriert sich das Blatt allerdings auf Jenseits des Protokolls, das Buch der nun ehemaligen Präsidentengattin. Darin schildert Bettina Wulff ihr Leben im Rampenlicht - und es ist wieder die Bild-Zeitung, die erste Passagen vorab zitiert. Eine Titelseite, sowie anderthalb Seiten der Montagsausgabe vom 10. September 2012 widmen sich den Bekenntnissen der Wulff-Gattin. Einige Auszüge liegen online als Audio-Dokumente vor, gelesen von der Autorin selbst. Am Tag vor Erscheinen stürzt sich das Blatt auf die Buchpassage, die den Tag des Rücktritts dokumentiert. "Ganz bewusst aber stellte ich mich ein Stück weit entfernt von Christian, um so zu zeigen: Ich bin eine eigenständige, selbstständige Frau", schreibt Bettina Wulff. Wie gut, dass auch Bild das ins Land hinausträgt.

Abgesehen davon, dass sich Wulff in Jenseits des Protokolls gegen böse Gerüchte um ihre angebliche Rotlicht-Vergangenheit wehrt, berichtet sie außerdem von Eheproblemen und enthüllt, dass sie und ihr Mann deshalb in therapeutischer Behandlung seien. In gewisser Weise deutet sich das Aus ihrer Beziehung in diesen Passagen bereits an. Aber sie schreibt auch vom schwierigen Umgang mit den Medien, der Bild im Besonderen: "Es ist alles ein großes Spiel, bei dem es nur ein Ziel gibt: Auflage zu machen." Ganz passen diese Klagen aber nicht mit den Exklusiv-Vorabdrucken aus ihrem Buch zusammen. Als sie kurz nach Erscheinen von Jenseits des Protokolls mit dem Hype überfordert zu sein scheint und sich aus der Öffentlichkeit zurückzieht, kennt wieder die Bild-Zeitung die Gründe. Das Drängen ihres Mannes sowie die "Furcht vor weiteren öffentlichen Anfeindungen" sollen dafür verantwortlich sein, berichtet das Blatt Mitte September.

Die Trennung

Nun, knapp ein Jahr nach Christian Wulffs Rücktritt als Bundespräsident, gerade, als die beiden langsam wieder in die Normalität zurückzukehren scheinen, sorgt die Bild für den nächsten Paukenschlag. "Christian und Bettina Wulff: Die Trennung!" titelt Bild.de an diesem Montag. Chefredakteur Diekmann persönlich erläutert den Lesern das Ehe-Aus und beschreibt, wie es dazu kommen konnte, dass das "Traumpaar der deutschen Politik, der beliebte Landesvater und seine 'coole junge First Lady'" nun getrennte Wege geht. Es ist wohl klar, für wen die Bild sich mehr interessiert. Ein raffinierter Schachzug: Kurz vor Weihnachten noch hatte das Blatt die Wulffs beim Einkaufen in Großburgwedel entdeckt und das Foto mit "Eine ganz normale Familie" betitelt. Wenige Tage später verkündet nun ausgerechnet diese Zeitung das Ehe-Aus. Mit umso größerem Aha-Effekt.

Von Wulff-Seite heißt es nun zwar, man wolle "keine weiteren Erklärungen" abgeben. Mit dem Ehe-Aus ist jedenfalls auch die wohl ausgeklügelte Dreiecksbeziehung zwischen den Wulffs und Bild beendet. Der Fahrstuhl ist unten angekommen. Vorerst.

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