Faktencheck:"Woher wissen Sie das?"

New York Times

Ein gelbes Taxi fährt vor dem Gebäude der New York Times vorbei.

(Foto: Mark Lennihan/AP)

Amerikanische Medien und Forscher legen einen gemeinsamen Bericht zum Fact-Checking in Zeiten alternativer Fakten vor. Daraus geht hervor: Wer die Wahrheit unters Volk bringen will, kämpft mit vielen Fallstricken.

Von Karoline Meta Beisel

Als US-Präsident Donald Trump in der vergangenen Woche im Weißen Haus vor Wirtschaftsbossen sprach, war das für ihn nicht nur eine Gelegenheit, seine Version von Umweltschutz zu verbreiten ("Wir werden dem Land die Fesseln abnehmen"). Der Termin war auch eine Chance für Eigenlob: "Ich habe Preise für Umweltschutz gewonnen", behauptete Trump.

Während des Wahlkampfs hatte er sich damit schon einmal gerühmt: "Ich habe so viele Preise für Umweltschutz bekommen." Dabei waren es in Wahrheit höchstens anderthalb, wie die Webseite Politifact recherchiert hat: Einen bekam er 2007 von der Vereinigung der Freunde der Parks von Westchester Country, weil er dem Staat New York Land überlassen hatte, auf dem er vorher erfolglos versucht hatte, einen Golfplatz zu errichten. Und einmal wurde einer seiner Golfplätze für Vogelfreundlichkeit gewürdigt; diese Auszeichnung bekam er allerdings nicht persönlich zugesprochen.

Politifact ist in dieser Frage zu trauen, weil die Seite selbst schon so viele Preise bekommen hat. Na gut, nur einen, aber immerhin einen Pulitzer.

Politiker haben Fakten vermutlich immer schon großzügig interpretiert, und die Webseite Politifact, die von dem Team der Tampa Bay Times in Florida betrieben wird, gibt es auch schon seit 2007.

Das Thema Fact Checking ist in den vergangenen Jahren aber eher noch wichtiger geworden. Spätestens seit sich auch die abwegigsten Meldungen im Netz rasant verbreiten, wenn sie nur einigermaßen der Weltsicht der Empfänger entsprechen, fragen sich Medienhäuser nicht nur in den USA, wie der Bedrohung durch Falschbehauptungen und Fake News, also erfundene Nachrichten, beizukommen ist.

Trumps Anhänger sind selbst für kompetente Faktenchecks nur schwer zu erreichen

Anfang des Jahres trafen sich in Washington mehr als 70 Fact-Checker von wichtigen amerikanischen Medien wie der Washington Post, der New York Times oder NPR und Wissenschaftler zum Erfahrungsaustausch mit dem angenehm nüchternen Titel "Was ist 2016 passiert; Wie wir 2017 weitermachen". Nun ist der Bericht dieser Tagung erschienen, der sich als eine Bestandsaufnahme des Qualitätsjournalismus in Zeiten von alternativen Fakten lesen lässt.

Das erste Problem: Faktenchecks erreichen nur einen kleinen Teil der Gesellschaft. Untersuchungen in den USA deuteten darauf hin, dass solche Angebote vor allem von demokratischen Wählern angenommen würden, die sich sowieso schon überdurchschnittlich gut mit Politik auskennen würden. "Wir sind wirklich schlecht darin, unsere Informationen an die Leute zu bringen, denen sie am meisten nützen würden", sagte Rebecca Ianucci, die sich an der Duke-Universität in North Carolina mit dem Thema befasst.

Außerdem seien viele Leser und Zuschauer voreingenommen, so dass sie sich selbst von offensichtlichen Fakten nicht überzeugen ließen. Zwei Forscher haben dazu ein interessantes Experiment durchgeführt und in der Washington Post veröffentlicht: Nach der Vereidigung von Donald Trump - und dessen Behauptung, zu seiner Amtseinführung seien mehr Leute gekommen als zu der von Barack Obama 2009 - zeigten sie Testpersonen Fotos von beiden Veranstaltungen, auf denen eindeutig erkennbar war, dass 2009 mehr Besucher erschienen waren und fragten, auf welchem Foto mehr Leute zu sehen sind. Einer von sieben Trump-Unterstützern antwortete: auf dem von 2017.

Nach dem Motto: Die stecken doch alle unter einer Decke

Die Tendenz, Falschbehauptungen als wahr zu akzeptieren, die der eigenen Sache dienen, lasse sich aber auch in die andere Richtung erkennen. So gebe es bereits Anzeichen dafür, dass Anhänger der Demokraten in den sozialen Netzwerken heute mehr Fake-News-Inhalte teilen würden als noch vor der Wahl von Donald Trump.

Ein größeres Problem als die Voreingenommenheit der Leser und Zuschauer dürfte allerdings das weit verbreitete Misstrauen gegen viele US-amerikanische Medienhäuser sein, das sich auch auf deren Quellen erstreckt; nach dem Motto: Die stecken doch alle unter einer Decke.

Eine anschauliche Episode zu dem Thema war erst vor zwei Wochen im Programm des Senders CBS zu sehen. Moderator Scott Pelley wollte Mike Cernovich, einen prominenten Trump-Unterstützer, mit dessen Behauptung konfrontieren, dass Hillary Clinton unter Parkinson leide. "Das ist nicht wahr", sagte der Moderator. "Woher wissen Sie das?", fragte Cernovich. Pelley: "Das hat uns ihr Wahlkampfteam mitgeteilt." Cernovich: "Warum sollte jemand einem Wahlkampfteam glauben?"

Auf der Konferenz wurde aber auch noch eine andere Gefahr für die Glaubwürdigkeit von Medienunternehmen identifiziert: gesponsorte Beiträge auf Nachrichtenseiten. Dort fänden sich Faktenchecks manchmal direkt neben Anzeigen für nicht immer seriöse Produkte und Dienstleistungen, für Nutzer sähe beides oft gleich aus. Das schade dem Leumund von Medien, sagte eine Forscherin der Towson-Universität.

Früh dran sein sei wichtig

Was aber tun, damit Faktenchecks mehr Menschen erreichen und von denen auch angenommen werden? Früh dran sein sei wichtig: Leser sollten die nötigen Fakten am besten so früh wie möglich bekommen, um so gegen Falschmeldungen "geimpft" zu sein, bevor sie im Netz die Runde machen, hieß es auf der Konferenz. Andererseits berge Schnelligkeit auch ein eigenes Risiko: Misstrauische Leser könnten sich wundern, warum eine Lüge so schnell entlarvt werden könne.

Auch die Technik, Einzelaussagen von Personen zu prüfen, wurde hinterfragt. Faktenchecker sollten sich eher auf Sachfragen denn auf Personen konzentrieren. So ließen sich auch solche Leser eher erreichen, die den Urheber falscher Aussagen eigentlich gut finden. Außerdem könnte es helfen, transparenter zu arbeiten; etwa zu erklären, warum man der einen Quelle eher traut als der anderen oder warum man eine Aussage überhaupt hinterfragt.

Trotz aller Schwierigkeiten, so steht es in dem Bericht, sei die Stimmung "optimistisch" gewesen. Die Branche der Faktenprüfer sei gewissermaßen bereit, "sich selbst zu fact-checken", heißt es da. Das allein sei schon ungemein bewundernswert.

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