Journalismus:Warum Facebook 300 Millionen Dollar in Lokaljournalismus investiert

Mark Zuckerberg

Der Facebook-Chef Mark Zuckerberg bei einer Konferenz im Mai 2018. Sein Konzern war zuletzt immer häufiger öffentlicher Kritik ausgesetzt.

(Foto: AP)
  • Facebook will die 300 Millionen Dollar über einen Zeitraum von drei Jahre in ausgewählte Projekte und Zeitungen wie die Lokalnachrichteninitiative "Bringing Stories Home" investieren.
  • Der Konzern unterstützt damit einen Markt, den er selbst starkt unter Druck gesetzt hat: Neun von zehn Anzeigendollars landen inzwischen in den Kassen von Google und Facebook.
  • Seit 2004 mussten in den USA 1800 Lokalzeitungen schließen. Von den 3143 Countys in den USA haben 200 keine eigene Zeitung mehr.

Von Adrian Lobe

Datenskandal, Polit-Anzeigen, Online-Hetze - das Jahr 2018 war kein gutes für Facebook. Die Reputation ist beschädigt, Anzeigenkunden sind nervös, junge Nutzer wenden sich von dem sozialen Netzwerk ab. Im Bemühen um Schadensbegrenzung hat Facebook nun angekündigt, in den nächsten drei Jahren 300 Millionen Dollar in den Lokaljournalismus zu investieren. "Wir setzen unseren Kampf gegen Fake News, Desinformation und Low-Quality-News fort", teilte das Unternehmen in einem Blogbeitrag mit. Was unter "geringer Qualität" zu verstehen ist, präzisierte das Unternehmen nicht weiter, nur so viel: Nachrichten sollten ein "Schlüsselelement" sein in der "Mission", "die Welt näher zusammenzubringen".

Dass sich Facebook als Retter des Journalismus geriert, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, hat der Konzern doch das Anzeigengeschäft torpediert, auf dem das Geschäftsmodell des Journalismus gründet. Neun von zehn Anzeigendollars landen in den Kassen von Google und Facebook.

Zu den nun von dem sozialen Netzwerk geförderten Projekten gehören unter anderem die Lokalnachrichteninitiative "Bringing Stories Home" des Pulitzer Center sowie die Organisation "Report for America", die sich der Stärkung des Lokaljournalismus verschrieben hat. Im Rahmen des Facebook Journalism Project, das im Januar 2017 gestartet wurde, bietet der Konzern neben der gemeinsamen Entwicklung von Nachrichtenprodukten auch Schulungen und Tools für Redaktionen an.

"Unser Auftrag ist, mit der Nachrichtenbranche zusammenzuarbeiten, um Schützenhilfe für eine besser informierte Gemeinschaft zu leisten", heißt es etwas pathetisch auf der Webseite. "Uns ist es wichtig, großartigen Journalismus zu unterstützen." Facebook folgt damit dem Beispiel von Google. Der Konzern hat im Rahmen der "Google News Initiative" 300 Millionen Dollar in Journalismus-Projekte investiert. Zu den Kooperationspartnern gehören unter anderem die New York Times, der Economist, Le Monde, Wired, Slate sowie das Recherchebüro Propublica. Google unterstützt die Redaktionen vor allem bei der Nutzung hauseigener Tools wie dem Web-Framework AMP (Accelerated Mobile Pages), das die Ladezeit von Internetseiten beschleunigen soll. Mit dem Geld von Google entwickelt Wordpress gerade ein Redaktionssystem für kleinere und mittlere Verlage. Wie Facebook legt auch Google bei seiner News-Initiative den Fokus auf Lokaljournalismus.

Campbell Brown, die seit Januar 2017 bei Facebook für Medienkooperationen verantwortlich ist und vor ihrer Zeit als Anchorwoman bei CNN bei einigen Regionalsendern tätig war (darunter in Kansas und Virginia), beklagte in einem Interview mit dem Nieman Lab eine "Nachrichtenwüste im Land, wo Communitys keine Quelle für lokale Nachrichten haben". Diese Problemdiagnose, dass der amerikanische Lokaljournalismus dahinsiecht, ist nicht von der Hand zu weisen.

Laut einer Studie der University of North Carolina gab es in den USA seit 2004 einen gewaltigen Exodus in der Branche: 1800 Lokalzeitungen mussten schließen. Von den 3143 Countys in den USA haben 200 keine eigene Zeitung mehr. Betroffen von diesem Zeitungssterben sind vor allem der Mittlere Westen sowie die Südstaaten - Regionen, in denen Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl besonders stark war. Facebook-Managerin Brown lobt daher den "Subscriptions Accelerator", einen Abo-Turbo, mit dem etwa die Denver Post ihre Digitalabos um 172 Prozent steigern konnte: Bei dem Projekt vermittelt Facebook Medienschaffenden digitale Marketingstrategien, um das Abonnementgeschäft zu optimieren. Auch der Miami Herald habe so seine Reichweite erhöht, verkündet Brown.

Facebook versucht seinen Ruf als Fake-News-Schleuder nicht vollends zu ruinieren

Laut einem Bericht der Fachzeitschrift Columbia Journalism Review haben Google und Facebook in den vergangenen drei Jahren mehr als drei Milliarden Dollar in journalistische Programme und Medienpartnerschaften investiert. Die Abhängigkeit der Verlage ist nicht allein monetärer, sondern vor allem struktureller Natur: Die Konzerne kontrollieren mit ihren Codes die Besucherströme im Netz. Je nachdem, wie die algorithmischen Schleusen gestellt sind, werden Portale geflutet - oder aber ausgetrocknet.

Diese Erfahrung musste im vergangenen Jahr etwa das Lifestyle-Magazin Little Things machen: Nachdem Facebook abermals an seinem Algorithmus schraubte, brach der Traffic auf der Seite ein. Das Magazin, das an seinem Redaktionssitz in New York 100 Mitarbeiter beschäftigte, musste schließen. Vor diesem Hintergrund wirken die Fördergelder eher wie Kompensationsleistungen.

Einigen gehen diese "Reparationszahlungen" nicht weit genug. Der Journalist Steven Waldman forderte in der New York Times ein "massives philanthropisches Engagement". So wie der Stahlbaron Andrew Carnegie 3000 Bibliotheken stiftete, müssten Silicon-Valley-Milliardäre 3000 Journalismus-Stellen schaffen. Dass es mit Jeff Bezos, dem Besitzer der Washington Post, Pierre Omidyar (The Intercept) und Laurene Powell Jobs (The Atlantic) bereits einige Tech-Verleger gibt, erwähnte er nicht.

Fest steht: Facebook benötigt seriöse Nachrichteninhalte, um seinen Ruf als Fake-News-Schleuder nicht vollends zu ruinieren und seine Anzeigenkunden zu verprellen. Was böte sich da besser an als ordentlicher Journalismus?

Seit der Modifikation des Newsfeed-Algorithmus im Januar 2018 werden in den Timelines stärker als bisher Inhalte von Freunden und Familien priorisiert. Mark Zuckerberg betonte, es gehe um "gut verbrachte Zeit" - "time well spent" ist mittlerweile so etwas wie das Öko-Siegel der Tech-Branche. Insofern folgt es einer inneren Logik, wenn Facebook nun verstärkt lokaljournalistische Projekte finanziert, die dann auf den automatisierten Förderbändern in die Timeline gelagen. Die Frage ist nur, wie nachhaltig diese Medienförderung ist.

Viele Digitalstrategien zahlen sich nicht aus

Das Portal Mashable stellte 30 seiner News-Mitarbeiter für die Videoredaktion ab, um Clips für den Facebook-Videodienst "Watch" zu produzieren. Ausgezahlt hat sich das nicht, im Gegenteil. Mashable musste 17 Stellen in der Video-Abteilung abbauen, im November 2017 wurde das Portal für läppische 50 Millionen Dollar vom US-Medienunternehmen Ziff Davis aufgekauft. Eine solche All-in-Strategie ist in der Digitalökonomie immer riskant. Auch Buzzfeed hat seit der Newsfeed-Änderung Probleme. Die deutsche Ausgabe der HuffPost wird Ende März eingestellt.

Dass die Reichweite sozialer Netzwerke aber auch Vorteile haben kann, demonstrierte jüngst Stephen King: Auf Twitter beschwerte sich der Bestsellerautor, dass die im US-Bundesstaat Maine erscheinende Lokalzeitung Portland Press Herald ankündigte, seine Rezensionen von Büchern mit Bezug zu Maine einzustellen. "Machen Sie das nicht!", twitterte King. Das Blatt reagierte mit einem Angebot: Sollte es King gelingen, 100 seiner fünf Millionen Follower dazu zu gewinnen, ein Digitalabo zu lösen, würde die Literaturseite wieder erscheinen. King übertraf das Ziel: Binnen 48 Stunden wurden über den Twitter-Aufruf 200 neue Abonnenten gewonnen. Eine schöne Geschichte. Zumindest in diesem Fall hat ein Tech-Konzern dem Lokaljournalismus dann doch geholfen.

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