Expansion nach Deutschland:Prinzip Huffington

Arianna Huffington Huffington Post

Arianna Huffington

(Foto: dpa)

Seit eineinhalb Jahren plant die amerikanische Webzeitung "Huffington Post" den Einstieg in den deutschen Markt. Nun soll er gelingen - mit Tomorrow Focus - und einem umstrittenen Geschäftsmodell.

Von Michael Kläsgen, Andrian Kreye und Claudia Tieschky

Im Januar ist sie ein Jahr alt geworden, die französische Huffington Post und es ergeht ihr ein wenig so, wie Frankreichs Präsidenten, der in diesen Tagen ein Jahr lang im Amt ist. Die hochfliegenden Pläne sind Erinnerung, jetzt herrscht Alltag. Schon jetzt, muss man sagen. Denn in Deutschland hat die Marke Huffington zwar auch Pläne, aber sichtbar ist davon bisher nicht so viel.

Schon im Oktober 2011, als die Webzeitungs-Gründerin Arianna Huffington die Pariser Kooperation mit Le Monde unterzeichnete, hieß es: Ja, wir kommen nach Deutschland, wenn wir den richtigen Partner gefunden haben. Doch erst vorige Woche verkündete Jimmy Maymann, der beim HuffPost-Eigner AOL für die internationale Expansion der Webmarke zuständig ist, eine Partnerschaft mit Tomorrow Focus Media, also dem Hause Burda. Diese Zeiträume sagen auch etwas darüber aus, wie Verlagskonzerne in Deutschland den Markt für die HuffPost einschätzen. Also für eine Webplattform, die vor allem von einem Haufen möglichst auffälliger Blogbeiträge mehr oder weniger prominenter Meinungslieferanten sowie Links zum aktuellen Nachrichtengeschehen lebt.

Am Beispiel Frankreich wird auch klar, was bei der Verlobung mit der Tomorrow Focus Media noch fehlt: Eine Persönlichkeit für die Marke in Deutschland. Der größte Scoop gelang in Frankreich deshalb noch vor dem ersten Online-Auftritt: Arianna Huffington hat es geschafft, ihr Alter Ego in Frankreich zu finden: Anne Sinclair, die frühere TV-Journalistin, die bis 1997 die populärste Politsendung im französischen Fernsehen moderiert hatte, übernahm die Redaktionsleitung von Le Huffington Post. Die vermögende Enkelin des Pariser Kunsthändlers Paul Rosenberg war damals noch die Frau von Dominique Strauss-Kahn und suchte, wie man so sagt, nach einer neuen Herausforderung. Als Redaktionsleiterin kann sie seither auch ihre vielfältigen Kontakte verwerten.

In München ist das Vertragskonstrukt etwas anders gelagert als in Paris, wie Oliver Eckert erklärt, der Geschäftsführer von Tomorrow Focus Media. Das Unternehmen vermarktet unter anderem Focus Online und Netmoms, ist börsennotiert und eine hundertprozentige Tochter der Internetfirma Tomorrow Focus AG, an der Hubert Burda Media die Mehrheit hält. Während die HuffPost bei ihrer Expansion in Europa sonst Joint Ventures bevorzugt und an Gemeinschaftsunternehmen mit dem lokalen Partner 51 Prozent der Anteile behält, gibt es mit den Münchnern eine lang laufende Lizenzvereinbarung.

Umsätze und Kosten teilen sich die Amerikaner mit den Deutschen, auch den Einfluss auf die Markenführung soll Huffington Post angeblich wahren. Die Redaktion und Vermarktung stellt Tomorrow Focus, die Muttergesellschaft, zu der auch Focus Online gehört. Nun suche man noch "eine Anchorpersönlichkeit mit großem Netzwerk und bekanntem Namen", erläutert Eckert. Also die deutsche Arianna, die nicht nur den Laden zusammenhält, sondern auch die Blogger-Bude so füllt, dass es Anzeigenkunden attraktiv finden. Ob das in Deutschland funktioniert, gilt als keineswegs ausgemacht.

Als die Huffington Post im Mai 2005 in den USA ans Netz ging, galt sie als Hoffnungsträger. Es war das dritte Jahr des Irakkrieges, der Beginn von George W. Bushs zweiter Amtszeit. Das Land wurde vom rauen Ton der Konservativen bestimmt, die mit dem Fernsehsender Fox News, den Talk-Radio-Sendern und vor allem mit der rechtslastigen Nachrichtenwebseite Drudge Report eine mächtige Phalanx gegen die seriösen und liberalen Medien aufgebaut hatten.

Huffington hatte selbst lange zum innersten Kreis der Republikaner gehört. Doch dann schwenkte sie um, machte sich für die Demokraten stark. Und so versammelte sie auf ihrem Nachrichten- und Meinungsportal neben Promis wie die Hollywoodstars Warren Beatty und Maggie Gyylenhall oder den Dramatiker David Mamet, auch viele liberale Stimmen wie Ex-Arbeitsminister Robert Reich oder Kennedy-Berater Arthur Schlesinger Jr. Doch was als Forum für die Opposition begann, was die vielen Stimmen aus den unzähligen Blogs bündelte, wurde bald zum Sinnbild für die Probleme mit den digitalen Medien.

Huffington Post generierte nur wenig eigene Nachrichten. Stattdessen verlinkten die Redakteure Artikel aus den Webseiten der etablierten Medien, die sie mit tendenziösen Schlagzeilen und Zusammenfassungen garnierten. Der Kreis der Blogger schwoll zur Heerschar an, die oft dürftige Texte lieferten. Daneben standen immer wieder PR-Texte, die weder redigiert noch gekennzeichnet waren. Doch vor allem das Geschäftsmodell stieß in der Journalistenzunft auf immer größeren Widerwillen. Bezahlt wurden die Autoren nämlich nicht.

Als der ehemalige Präsident der Autorengewerkschaft National Writers Union, Jonathan Tasini, die Huffington Post stellvertretend für Tausende Blogger verklagte, wurde er vom Bezirksgericht in New York abgewiesen. Die Autoren hätten sich doch auf eine "Kompensation durch Veröffentlichung" eingelassen.

Beim DLD-Kongress von Verleger Hubert Burda trat Arianna Huffington schon als Stargast auf, als AOL noch nicht ihre Erfindung gekauft und sie 2011 zur zur Multimillionärin gemacht hatte. Beim DLDwomen, dem Damenkränzchen der Konferenz, wird sie im Juli Details der Zusammenarbeit bekanntgeben. Vorerst werden in Deutschland - wie es in der gemeinsamen Erklärung von Tomorrow Focus und Huffington Post hieß - "top ausgebildete Online-Journalisten" gesucht, "die diesen spannenden neuen Weg mit uns gehen wollen". Und zwar genau 15 davon, die von München aus auch die Blogger betreuen, die ihrerseits unentgeltlich schreiben.

Der Deutsche Journalisten-Verband appellierte bereits an die Tomorrow Focus AG, ein "akzeptables Honorarmodell" zu schaffen - und hat gewiss auch jene Journalisten im Sinn, die von den Entlassungen bei FTD, der Nachrichtenagentur dapd oder Frankfurter Rundschau betroffen und sich eine Öffentlichkeit suchen müssen. Huffington-Partner Eckert sieht das Projekt dagegen unproblematisch als "Engagement-Plattform", auf der "wir Menschen zum ersten Mal in dieser Form in Deutschland beteiligen". Er schwärmt von "Menschen, die Lust haben, sich am Diskurs zu beteiligen" und von der Meinungskompetenz deutscher Ärzte, Unternehmer, Anwälte und Schauspieler. Für Werbekunden sieht er als Vermarkter "deutlich mehr Reichweiten im Premium-Umfeld".

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