Ever Sport:Ein Spiel kommt selten allein

Broncos fans react to a play while watching their team's NFL Super Bowl XLVIII football game against the Seahawks at a bar in Denver

Sportfans in einer Kneipe in Denver: In den USA ist American Football ein Massenspektakel. Hierzulande wird es nur selten im Fernsehen gezeigt.

(Foto: Marc Piscotty/Reuters)

Die Plattform "Ever Sport" zeigt weltweit Partien und Wettkämpfe, die in den jeweiligen Ländern nicht im Fernsehen laufen. An der kalifornischen Firma hat sich jetzt die Pro Sieben Sat 1 Group beteiligt.

Von Jürgen Schmieder

Oh, Sie leben in Deutschland und interessieren sich für Radsport, Surfen und American Football? Das ist schön für Sie, denn das sind faszinierende Sportarten. Das ist aber auch schlimm für Sie, denn im deutschen Fernsehen werden diese Veranstaltungen selten gezeigt. Obwohl es ein wenig verblüffend klingt in einer Zeit, in der sämtliche Inhalte der Unterhaltungsindustrie jederzeit verfügbar scheinen: Musik, Filme, Fernsehserien. Warum also nicht auch Live-Sport?

"Das Fernsehen stirbt. Es stirbt langsam, aber es stirbt", sagt Carl Kirchhoff. Er stammt aus Halle in Westfalen, arbeitet seit zwanzig Jahren in der Vermarktung von TV-Rechten und hat vor zwei Jahren mit Wayne Sieve in Kalifornien das Unternehmen Ever Sport Media gegründet. Auf der Plattform eversport.tv werden weltweit Sportereignisse gezeigt, die im jeweiligen Land nicht im TV laufen. Die Rechteinhaber können so ihre Spiele noch einmal anders unter die Leute bringen. In Skandinavien gibt es die italienische Fußballliga Serie A, in den USA den Schwimm-Weltcup aus Hongkong, in Deutschland die US-Meisterschaften im Surfen oder das Radrennen Tour of Taihu Lake in China. "Wir zeigen Nischen-Disziplinen in Premium-Märkten oder Premium-Sportarten in Nischen-Märkten", sagt Kirchhoff. Wer sich länger mit ihm unterhält, hört auch Sätze wie: "Wir wollen die Welt erobern."

Kirchhoff hat dieses Silicon-Valley-Selbstbewusstsein, er glaubt an eine Revolution auf dem Sportrechte-Markt - daran, dass Technologie die Gewohnheiten der Leute verändern und seine Firma davon profitieren wird. Im vorigen Monat verzeichnete die Seite insgesamt eine Million Zuschauer. Kürzlich hat das Unternehmen bei der ersten Investorenrunde 4,2 Millionen Dollar eingesammelt, auch Geld von der Pro Sieben Sat 1 Group, die eine Minderheitsbeteiligung erwarb. Die deutsche Gruppe will dort auch eigene Inhalte online versenden und umgekehrt Content von Ever Sport über ihr digitales Netzwerk verbreiten. Mittlerweile arbeiten bei Ever Sport zwölf Vollzeitangestellte in den Büros in Venice Beach und Los Gatos.

Etwa 700 000 Veranstaltungen pro Jahr gibt es weltweit im Profisport - dabei gilt ein Boxkampf oder eine einzelne Bundesliga-Partie jeweils als eine Veranstaltung. Die Prioritätenliste im deutschen TV sieht nur leicht überspitzt so aus - Fußball-Nationalelf, der FC Bayern in der Champions League (CL), der FC Bayern in der Bundesliga, der aktuelle Bayern-Rivale, andere deutsche CL-Teilnehmer, Rest-Bundesliga, Europa League, Formel 1, 2. Bundesliga - und danach in milden Abstufungen alle anderen Sportarten. Vielfältig ist das nicht gerade. Die Finalserie der US-Basketballliga NBA und das Finale der Handball-Champions-League wurden nur im Bezahlfernsehen gezeigt, die entscheidende Partie des Davis-Cup-Teams und die Spiele der deutschen Basketballliga BBL auf Streamingportalen. Von der Tischtennis-EM etwa gab es gar keine Live-Bilder.

"Die Technologie ist vorhanden, das zu ändern - gerade junge Menschen konsumieren Inhalte auf dem Tablet oder dem Telefon", sagt Kirchhoff. Die Idee zu einem reinen Sport-Streamingportal kam ihm vor drei Jahren, nachdem er das Wachstum von Twitch beobachtet hatte. Dort werden Videospiel-Duelle gezeigt. Richtig gelesen: Menschen beobachten andere Menschen beim Computerspielen. Die Plattform wurde vor einem Jahr für 970 Millionen Dollar an Amazon verkauft.

Fernsehsender kaufen Sportrechte im Paket, aber viele der Partien strahlen sie gar nicht im TV aus

Sportereignisse sind ein bedeutsamer Teil der Unterhaltungsindustrie, weil sie meist nur live spannend sind. TV-Sender können sich darauf verlassen, dass Millionen Menschen einschalten, wenn das WM-Finale im Fußball, der olympische 100-Meter-Lauf oder der Super Bowl im American Football stattfinden. Für diese Rechte bezahlen sie unglaublich viel Geld: Discovery Communications sicherte sich im Juni die europäischen Rechte an den Olympischen Spielen 2018 bis 2024 für 1,3 Milliarden Euro, der Fußball-Weltverband Fifa nahm durch den Verkauf der Fernsehrechte für die WM 2014 insgesamt 2,2 Milliarden Euro ein. Insgesamt werden mit Fernsehrechten von Sportereignissen weltweit etwa 31 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt.

Die Sender kaufen Pakete und refinanzieren das durch Werbung oder Abo-Gebühren, Kirchhoff hält das für ein Relikt aus alter Zeit. "In der Champions League etwa gibt es an einem Dienstag acht großartige Spiele, doch im amerikanischen Fernsehen wird nur eines gezeigt - wenn überhaupt", sagt er. Meist würde der Sender Fox die Partie von Manchester United wählen, weil die in den USA die höchsten Einschaltquoten verspreche. Arsenal gegen den FC Bayern sei nicht live zu sehen: "Die Sender haben für diese Inhalte bezahlt, sie strahlen sie jedoch nicht aus."

Ever Sport dagegen, sagt er, wolle keine Rechte kaufen, aber den Rechteinhabern eine zusätzliche Plattform bieten. Vor allem aber will Kirchhoff die Angebote individualisieren: "Wenn jemand nur Manchester United sehen möchte, warum sollte er dann auch für Spiele des FC Liverpool bezahlen?", fragt er und wirbt dann für seine Variante: "Wir können den Zuschauern flexible Angebote machen und aufgrund unserer Datenanalyse auch die Preise dafür flexibel gestalten." Der Zuschauer kann also ein Manchester-Paket haben oder ein Fußball-Paket - er kann aber auch nur für einzelne Partien bezahlen. Ever Sport will laut Kirchhoff die Rechteinhaber an den Einnahmen beteiligen. Wie der Verteilungsschlüssel aussieht, das verrät er nicht - wohl deshalb, weil der Schlüssel bei jeder Liga und jedem Verband ein anderer ist.

Die ganz großen Sportereignisse werden auch künftig im TV zu sehen sein, so schnell stirbt das Fernsehen dann doch nicht. Dennoch hat etwa der US-Sender NBC den Großteil der Olympia-Live-Übertragungen bereits ins Internet verlegt. Wer bei Olympia eine Partie beim Rugby, die Vorläufe beim Schwimmen oder ein Radrennen live verfolgen möchte, der kann das auf der Homepage des Senders tun.

Das klingt ganz wie die Vision von Kirchhoff: Alles ist verfügbar, jederzeit. Ob das auch lohnend ist für die Akteure in diesen Disziplinen, wird sich zeigen. Bislang profitieren gerade sie von der zentralen Vermarktung und dem Paket-Modell. Beim Modell von Ever Sport werden nur Sportereignisse für hohe Einnahmen sorgen, die auch viele Zuschauer bringen.

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