Eurovision Song Contest: Begegnung mit Lena:Weil sie ein Mädchen ist

Lena Meyer-Landrut spricht über einen Rollenwechsel, die ARD und das Leben als öffentliche Figur. Ein Treffen mit der "Musikkönigin".

Hans Hoff

Als Lena Meyer-Landrut am Wochenende in Berlin die Goldene Kamera bekam, trug sie ein bodenlanges Kleid und hielt dazu eine irgendwie kleinmädchenhafte Dankesrede. Dann sang sie. Ein echter Lena-Auftritt. Doch zuletzt gab es Nörgeleien: Lena habe ihre Strahlkraft verloren und spiele nur noch eine Rolle, befand jedenfalls der ARD-Programmbeirat in einem internen Papier.

Wenn man sie darauf anspricht, sagt sie: "Ich sehe das gerade umgekehrt: Ich spiele gerade keine Rolle. Ich bin so, wie ich bin". Und dann erteilt sie den grauen Geschmackswächtern eine Lektion aus dem richtigen Leben. Sie selbst fühle sich durchaus in einer ziemlich turbulenten Entwicklungsphase: "Ich glaube, dass es etwas ganz Natürliches ist. Ich bin von 18 auf 19 gewachsen, und jetzt werde ich 20. Ich glaube, dass das eine Zeit ist, in der sich jeder junge Erwachsene unglaublich verändert. Egal, was er macht. Wenn man aus der Schule kommt und in einen Beruf geht, schwingt immer eine Veränderung mit."

Lena ist Europas neue "Musikkönigin". So behauptet es jedenfalls die Werbung für ihre im April anstehenden Konzerte. So richtig königlich sieht sie an diesem Tag Anfang Februar in Köln allerdings gerade nicht aus. In löchriger Jeans und grün-weißen Sportschuhen hockt sie in einem kalten Raum der Produktionsfirma Brainpool, die Stefan Raabs TV-Geschäfte betreibt, der wiederum Lenas Geschäfte betreibt. Helle Wände, dunkle Polster, ein Tisch mit Getränken, ein paar Süßigkeiten daneben. Wollen Sie? Lena ist höflich.

Gleich nebenan liegt das Schlag den Raab-Studio, in dem sie an diesem Montag zum zweiten Mal auf Pro Sieben sechs Songs ihres neuen Album "Good News" vorstellen wird. Es erscheint an diesem Dienstag. Natürlich ist das Werbung, auch für ihre Tournee, aber vordergründig geht es darum, zu ermitteln, welche Lieder beim nationalen Finale von Unser Song für Deutschland am 18. Februar in die Endrunde kommen, die dann in der ARD zu sehen ist.

Am Ende wird dann feststehen, mit welchem Titel Lena am 14. Mai in Düsseldorf ihren beim Eurovision Song Contest (ESC) in Oslo errungenen Sieg verteidigen muss. Darf man sie eigentlich mit "Eure Majestät" ansprechen? "Bitte nicht", fleht sie und wundert sich tatsächlich, wenn man ihr erzählt, dass man das mit der "Musikkönigin" aus ihrer eigenen PR hat.

"Völliger Bullshit"

Sie ist ein schönes Thema in diesen Tagen. Für jene, die von ihrem Wirken wirtschaftlich profitieren und von ihren Medienauftritten: "Ich habe mir vorgenommen, nicht zu viel zu hinterfragen, weil das negative Gedanken verursacht und viel zu viele Zweifel. Ich mache einfach. Das würde mich auch völlig überladen, jeden Tag Artikel über mich zu lesen, in denen ich entweder in die Höhe gelobt oder verrissen werde. Man muss für sich selber selektieren, ob das eine Kritik ist, die man annehmen möchte, ob einen das weiterbringt, oder ob es völliger Bullshit ist." Bullshit.

Was lernt eine 19-Jährige beim Versuch, sich von der medialen Lawine nicht überrollen zu lassen? "Ich lerne daraus, dass man das machen muss, was man selber fühlt. Dann muss man sich nicht verstellen und sich auch nicht dafür schämen." Lena will auf der Bühne stehen und singen. Das ist ihr Ding, und wer sie da oben betrachtet und sieht, wie sie sich wandelt, wie sie Rollen, Kleider und Melodien wechselt, der merkt, dass da jemand in seinem Element ist. "Es kommt darauf an, ob man sich selber den Druck macht", kontert sie lapidar, wenn man sie mit den Erwartungen konfrontiert.

Dass rund um Lena eine Menge Leute eine Menge Druck verspüren, ist offensichtlich. Für die ARD geht es darum, das mit dem Oslo-Erfolg errungene Kapital nicht zu verspielen, für die Produktionsfirma Brainpool um die optimale Auswertung ihres Stars, für Stefan Raab um seinen Ruf als Trendnase und für viele Reporter einfach um die Lena-Story.

Sie verteilt ihre Informationen sehr bewusst. Sie hat viel gelernt in ihrem Jahr im Licht der Öffentlichkeit. "In manchen Momenten rede ich schon sehr persönlich mit Leuten und sage, was ich denke. Aber wenn es an Sachen geht, über die ich lieber nicht reden möchte, dann weiß ich auch ganz gut, darüber nicht zu reden."

So etwas wie die Gegendarstellung in 20 Punkten, die ihr Mentor Stefan Raab im November dem Focus verpasste, ist auch für Lena denkbar. "Ich habe auch schon geklagt. Da haben Leute mein Elternhaus abgedruckt. Das ist Privatsphäre. Die darf man nicht verletzen", sagt sie.

"Siebter wäre gut"

Bei Wikipedia steht: She's noted for her unconventional way of handling the press. "Ist doch schön", sagt sie. Das bezieht sich natürlich auch auf ihre Art, Fragen nach Familie, Freunden und ähnlich Intimem professionell abzublocken.

Selbstverständlich hat man sie bei Brainpool beraten, für den Umgang mit bunten Blättern und dem Boulevard. "Pass auf, hat man mir bei Yellow Press geraten. Das wusste ich aber auch schon vorher, dass ich nicht in der Bunten erscheinen möchte mit der neuesten Story über meinen Yorkshire Terrier."

Wie sie das im Griff hat, ist zu spüren, wenn sie etwa im Videoblog auf ihrer Webseite die Fans unterhält und zum Abschluss "Ich geh gleich noch mal pinkeln" sagt. Natürlich mache sie sich Gedanken, was sie erzählen möchte und was nicht, erklärt sie: "Bei so einer Geschichte weiß ich ganz genau: Das ist mir so was von egal, ob es da steht oder nicht. Ich finde das ganz natürlich, dass man da so eine Pseudo-Intimität herstellt." Sie kann also auf ihre Art auch ganz gut spielen mit ihrem Publikum.

Viele Journalisten hat Lena erlebt, seit sie am 2. Februar 2010 erstmals auf dem Bildschirm erschien. Erzählt man ihr, dass Hape Kerkeling seine Kunstfigur, den Lokalreporter Horst Schlämmer, aus Begegnungen mit Medienvertretern geformt hat, kann sie gleich einsteigen und von solchen Typen berichten. "Ja, habe ich auch schon gesehen. Das sind sehr bittere Momente. Da denkt man: Wieso lassen die Redaktionen solche Menschen auf die Leute los?" - "Wenn man einen Beruf hat, bei dem man mit Menschen zu tun hat, finde ich es schon gut, wenn man sich die Zähne putzt", sagt sie, aber signalisiert auch gleich, es gibt Schlimmeres.

Alles strebt derzeit hin auf das ESC-Finale am 14. Mai. Ist das für Lena auch so etwas wie ein Erlösungstermin? "Erlösung nicht. Ich habe nicht vor, mich nach dem 14. Mai abzuschotten. Es geht ja weiter. Ich habe nicht vor aufzuhören, solange es nicht total grotte ist", sagt sie, und dann legt sie die Latte für ihren Erfolg gleich mal schön tief. "Siebter wäre gut. Top 20 geht auch noch."

Unser Song für Deutschland, Pro Sieben, 20.15 Uhr - Nationales Finale, ARD, 18. Februar, 20.15 Uhr.

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