Eurovision Song Contest:Alle 26 ESC-Songs im Check

Von der Anti-Kriegshymne über die zartrosa Liebesballade und dann hinauf ins Kreischgebirge: Am Ende kann es nur einen Siegersong geben.

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Ukraine

Eurovision Song Contest 2018 - zweites Halbfinale

Quelle: dpa

Eine Grundregel des ESC lautet ja, dass mindestens einmal am Abend etwas brennen muss auf der Bühne. Dieses Jahr hat sich der 20-Jährige Mélovin aus Odessa als erster bereit erklärt, diese Kategorie im ESC-Bingo abzudecken. Das passt, denn sein Song handelt von Wagemut und vom Aberglauben, dass es Unglück bringe, unter einer Leiter durch zu gehen. Seine mutige Botschaft: Tu es trotzdem! Für das Finale seines Songs rennt Mélovin auf ein brennendes Podium, auf dessen oberster Stufe ein Flügel steht. Diesen Flügel spielt er dann selbst. Ebenfalls zum guten ESC-Ton zählt nämlich, dass ein paar Musiker ihre Instrumentenbeherrschung live demonstrieren. Es geht schließlich um Kunst hier!

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Spanien

-

Quelle: AP

Diesen Song lieber nicht mit Kopfhörern hören, sonst säuseln einem Alfred und Amaia wirklich allzu intim von ihrer (echten!) Teenagerverknalltheit in die Ohren. Ihre brave, vor sich hin plätschernde Ballade mit obligatorischem Schrei-Finale, "Tu Canción", handelt von der ersten großen Liebe - und das soll man auch auf der Bühne sehen. Die beiden sind das Pärchen, das man in der Oberstufe hasst, weil sie während jeder Hofpause in irgendeiner gut einsehbaren Ecke rumknutschen - und zwar sehr nassfeucht.

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Slowenien

Eurovision Song Contest 2018 - zweites Halbfinale

Quelle: dpa

Am Ende bleibt nur wildes Blinken. Wenn Lea Sirk ihren Song "Hvala, ne" rappt, bleibt man lange dabei. Weil sie das ziemlich gut macht, weil der Beat passt und der Elektro-Pop gut klingt. Aber es blinkt. Auf der Bühne. Und irgendwie auch im Song. Und es hört nicht auf. Sirk gibt einem, da mag sie noch so gut rappen, einfach keine Verschnaufpause, keinen Refrain, der kurz die Strophen resümiert und in dem sich vielleicht alles entladen kann, was sich davor aufgestaut hat. Sirks Song ist ein einziges Stakkato. Ein permanentes Luftschnappen. Aufregend. Im leider schlechtesten Sinn. Mehr nicht. Mit "Nein, danke", wie der Titel auf Deutsch heißt, will sie eigentlich vor den falschen Versprechungen von Werbung warnen. Gut zu wissen.

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Litauen

Eurovision Song Contest 2018 - erstes Halbfinale

Quelle: dpa

Ihr Kleid ist zartrosa, ihr Lippenstift ist zartrosa und es ist schwer anzunehmen, dass auch die Stimme der litauischen Sängerin Ieva Zasimauskaitė bei Synästhetikern eine Zartrosa-Assoziation auslöst. Diese Stimme klingt warm, aber brüchig, an manchen Stellen fürchtet man, dass der 24-Jährigen ihr Lied entgleitet. Natürlich kann das auch Absicht sein, schließlich handelt der Schmachtfetzen "When We're Old" ja von der ewigen Liebe und ewig Liebende haben vermutlich keine ganz frischen Stimmen mehr. Ieva Zasimauskaitė hat das Stück ihrem Mann gewidmet und eben dieser kommt am Ende des Auftritts auch auf die Bühne. Boah, wie kitschig, denkt der abgeklärte Zyniker in einem da. Aber irgendwie auch ganz süß.

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Österreich

ESC 2018 - Cesár Sampson

Quelle: dpa

Okay. Österreich ist jetzt also das Stammland Gospelgesangs-seligen, vollmundigen Soulgeschmachtes. Der Anfang von Cesár Sampsons "Nobody But You" kling wie so ein souliges House-Sample. Leider wird es dann eher Wichtelmannstampfromantik. Mehr Beats pro Minute hätten dem Song gut getan. Ist die erste Textzeile eigentlich wirklich "Lord i' gonna get so high tonight"? Wird da etwa subversiv für Drogenkonsum geworben? Besteht doch noch Hoffnung für den Rest des Abends? Menschen, die direkt an der Autobahn wohnen, ist zur muskalischen Bildung jedenfalls sehr zu empfehlen den Geräuschen vor ihrer Haustür zuzuhören. Das senkt den Blutdruck im Vergleich mit dem ESC.

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Estland

Eurovision Song Contest 2018 - erstes Halbfinale

Quelle: dpa

Endlich eine Irritation! Warum zur Hölle singt Estland auf Italienisch? Man ist ja für alles dankbar. Sogar für "La forza" in Form eines ausbrechenden Multimedia-Abendkleid-Vulkans. Was uns nicht tötet, macht uns hart. Wenn die Callas das geahnt hätte. Der Auftritt von Elina Nechayeva erinnert an den von dieser außerirdischen Sängerin im Film "Das fünfte Element". Nur trashiger und weniger blau. Seltsame Swooosh-Breaks (Wie nennt man sowas noch mal professionell?), zu denen das Abendkleid elektrisch farbenspielt. Irgendwann wird der Tod uns alle der Erde gleichmachen. Das ist so ziemlich das Gefühl, was dabei hängenbleibt. Was wohl auch daran liegt, dass die ESC-Songs kulturelle Mahnmale der Vergänglichkeit sind, auf die Andreas Gryphius neidisch wäre: Sie schaffen es, dass man sie schon beim Hören vergisst.

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Norwegen

ESC 2018 - 2. Generalprobe des zweiten Halbfinals

Quelle: dpa

2009 fiedelte sich Alexander Rybak wie ein leicht irrer, aber niedlicher Feenjunge aus einem norwegischen Bergwald mit "Fairytale" zum ESC-Sieg. Neun Jahre später guckt er immer noch genauso aggressiv fröhlich aus seinem Jungengesicht, will aber jetzt bei der zweiten Teilnahme Reife beweisen und sein angesammeltes Songwriting-Wissen weitergeben: Sein Beitrag heißt ratgebermäßig "That's How You Write A Song". Er knallt ziemlich gut und hat, klar, auch wieder ein kleines Geigen-Solo im letzten Drittel. Der Titel mag einen Tick zu selbstgewiss klingen, aber andererseits: Ein paar Tipps können dem ESC nicht schaden.

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Portugal

ESC 2018 - 1. Generalprobe des Finals

Quelle: dpa

Das große Problem beim immer etwas zu großäugigen, immer etwas zu sehr im Kindchenschema flirtenden Hauchgesang ist ja, dass es ihm auf der Langstrecke so schnell an Tragkraft, weil an Dynamik und Abwechslung fehlt. Und dass die Stimmen so verteufelt leicht flat werden, also ein paar winzige Nuancen unter dem reinen Ton, den sie treffen wollen, landen. Beides passiert Cláudia Pascoal zumindest während ihrer Performance beim portugiesischen Vorentscheid. Was man in aller Tiefe auskosten kann, weil bei ihrem Song "O Jardim" knapp drei Minuten lang ungefähr so viel passiert, wie auf einem deutschen Amt an einem Freitag nach 15.30 Uhr.

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Großbritannien

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Quelle: AP

Man darf auf keinen Fall auf "Storms" hereinfallen. Der Song von Sängerin SuRie betrügt - und zwar gar nicht so ungeschickt! Mit ein paar der Produktions-Gimmicks, die sich in den vergangenen Jahren im erweiterten Bereich der Electronic Dance Music (EDM) getummelt haben, gaukelt er Augenhöhe zum Zeitgeist vor. Mit den imitierten delfinartigen Stimmmodulationen zum Beispiel, die Diplo so grandios um Justin Bieber herumgeschraubt hat. Oder mit dem simulierten Schlachtentrommel-Wumms, mit dem Woodkid noch ein paar Jahre vorher ins Feld gestürmt wäre. Ist aber alles nur Studio-Lametta, das über einen sehr durchschnittlichen, sehr gestrigen Song geworfen wurde. Unter dem Flitter ist nichts außer Setzkasten-Lyrik ("I still have faith, I still believe in chasing rainbows.") und ein für ESC-Verhältnisse überraschend schwachbrüstiger Refrain.

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Serbien

Eurovision Song Contest 2018 - zweites Halbfinale

Quelle: dpa

Ein Lied, das mit einem grauhaarigen, Flöte spielenden Mann beginnt, kann unter ESC-Gesichtspunkten eigentlich nicht mehr viel falsch machen. Und wirklich: Alles, womit Sanja Ilić und seiner Gruppe Balkanika aufwarten, schreit förmlich Eurovision Song Contest. Es gibt Frauen in wallenden Kleidern, die melodramatische Klagegesänge anstimmen. Es gibt Männer, die superheldenartige Capes über einer schwarzen Kluft tragen, die schwer nach Satanistenversammlung aussieht. Es gibt Windmaschinen, einen Trommler und - natürlich - eine idealistische Botschaft: "Nova deca" heißt "neue Kinder", es geht in dem Lied um eine heranwachsende Generation, die die Welt verbessert. Man kann nur hoffen, dass sie darüber nicht das Flötenspiel vernachlässigt.

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Deutschland

ESC 2018 - Michael Schulte

Quelle: dpa

Michael Schulte ist die logische Konsequenz aus dem vergangenen Jahr, als der Portugiese Salvador Sobral mit seinem feingliedrigen Zartschmelzpop den Eurovision Song Contest gewann. Michael Schulte ist nun also die deutsche Version dieses musikalischen Archetypus. Oder zumindest das, was man in der Produktionshölle des Deutschpop darunter versteht. Natürlich sehr lieb und nett und, hach, verträumt, dieser wuschelhaarige Typ mit dem treu-verletzten Blick. Am Ende aber doch ein Industrieprodukt der Marke Schweighöferbendzkogiesingerpoisel. "You Let Me Walk Alone" beginnt mit einem schwer federnden Piano. Das allein drückt schon mächtig aufs Gemüt, aber dann steigert sich dieser Song so emotionskalkuliert erwartbar, dass es einen mehr gruselt als berührt. Die Streicher fallen ein, das Schlagzeug poltert. Und natürlich löst sich zum Schluss alles im Uh-oh-oh-oh-Chor auf. Am Ende reichte es dennoch für einen erstaunlich guten 4. Platz.

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Albanien

Eurovision Song Contest 2018 - erstes Halbfinale

Quelle: dpa

Eugent Bushpepa ist nicht nur Rocksänger und Songwriter, sondern auch noch Menschenrechtsaktivist and "Philanthrop". Er wurde einmal gebeten, sich selbst in einem Wort zu beschreiben, und nannte sich "sanguiphlegmatisch", eine eigene Wortschöpfung aus "sanguin" und "phlegmatisch". Was vermutlich bedeutet, dass er nicht zurückschlagen würde, wenn man ihn ohrfeigte, weil er sich so verdammt schlau findet. Er steigt zu seiner tapferen Hymne "Step by Step" auf den Mount Everest eines Kreischgebirges, und wenn er oben angekommen ist, scheint er auf jeden Fall sehr verzweifelt über die Ungerechtigkeit der Welt. Die Zuhörer auch.

13 / 25

Frankreich

ESC 2018 - 2. Generalprobe des 2. Halbfinals

Quelle: dpa

Auch Frankreich liefert in diesem Jahr eine politische Hymne. "Mercy" ist nach einem Mädchen benannt, das auf einem Boot im Mittelmeer zur Welt kommt. Das Ehepaar Emilie Satt und Jean-Karl Lucas tritt auf der Bühne als moderne Version von Roxette auf - sie, mit platinblonden Haaren, singt, er, dunkelhaarig, spielt im Hintergrund Gitarre. Inspiriert hat die beiden eine wahre Geschichte aus dem Frühjahr 2017, als die kleine Mercy auf dem Hilfsschiff "Aquarius" geboren wurde. Der Vergleich mit Roxette funktioniert aber nicht nur optisch. Madame und Monsieur klingen herrlich nach Achtzigerjahre-Pop, aus dem Kopf kriegt man diesen Sound jedenfalls nur schwer.

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Tschechien

Eurovision Song Contest 2018 - erstes Halbfinale

Quelle: dpa

Eins ist sicher: Mikolas Josef ist der coolste Typ dieses ESC-Abends - solange man sich keine Mühe gibt, den Text seines Songs zu verstehen. Denn der klingt mit Zeilen wie "these greedies wanna eat my spaghetti" nicht sexy, was er wohl soll, sondern nach den ersten unanständigen Fantasien eines Unterstuflers. Vielleicht ist das Absicht, Mikolaus Josef tritt immerhin auch mit Ranzen auf dem Rücken auf. Begabt aber ist er: Der 22-Jährige war Model, ist Schauspieler und eben auch ein so guter Musiker und Sänger, dass er eine hochmoderne Funk-Nummer wie "Lie To Me", die hauptsächlich vom Rhythmus lebt, nicht nur selbst schreibt, sondern auch lässig performt. Dabei oszilliert er schön uneindeutig zwischen Nachwuchsmacho und Großstadthipster. Ein Traum an Zeitgenossenschaft für ESC-Verhältnisse, aber für den Sieg vielleicht schon einen Tick zu modern.

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Dänemark

ESC 2018 - 2. Generalprobe des zweiten Halbfinals

Quelle: dpa

ESC-Bingo, Teil zwei: Mindestens ein Teilnehmer muss in den Klischeeapfel beißen und ein Lied voller Landes-Stereotype vortragen. Das macht in Lissabon der Däne Rasmussen, der aussieht, als hätte Jared Leto sich seinen Bart nach der Oscar-Verleihung 2014 noch eine ganze Weile weiter wachsen lassen. Zu seiner dramatisch umtrommelten Wikinger-Hymne "Higher Ground" grummeln vier stämmige Männer mit tiefer Stimme Zeilen auf Dänisch. Es geht um einen Wikinger, aber um einen, der Gewalt nicht so gut findet. Am Ende pustet die Windmaschine Rasmussen Styroporkugeln (Gischt!) um den Bart. #Männlichkeitsmythen im Jahr 2018.

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Australien/Finnland

ESC Collage

Quelle: dpa

Australien

Tausendmal gehört - tausend Mal ist nichts passiert. Auf dieses Motto kann man den Song "We Got Love" herunterbrechen. Vom ziemlich banalen Drum-Beat über den schmalz-triefenden Text ("Gebt nicht auf, wir haben die Liebe") bis hin zum dramatischen Tremolo in der Stimme von Jessica Mauboy wirkt er wie ein ESC-Retortenbaby. Als hätte man auf keinen Fall irgendetwas falsch machen wollen. Dabei kann die Australierin singen und wirkt dabei auch noch ziemlich sympathisch. Aber der Überraschungseffekt ist bei dieser Nummer leider gleich null. Aufmerksamkeit wird er wohl eher deshalb bekommen, weil die meisten Zuschauer sich noch nicht daran gewöhnt haben, dass Australien am ESC teilnimmt.

Finnland

Was Saara Alto bei der Performance von "Monsters" abliefert, kann nicht gesund für den Kreislauf sein. Immerhin konsequent, dass der ESC sich auch in Sachen Gleichgewichtssinn an der Kirmesexperience orientiert. Nicht nur optisch, auch musikalisch bringt Finnland alle Jahrmarktqualitäten mit sich. Der Song ist ein 1A-Absacker beim späten Après-Ski, ansonsten röhrt die Sängerin astrein über den Klonbeat und vertreibt Monster mit sprühenden Funken. Wir sind gerettet. Optisch erinnert sie irgendwie an Pink, nur in Schwarz. Schwarz scheint eh das Ding beim aktuellen ESC zu sein, aber bekanntlich reicht sich schwarz anziehen eben auch nicht, um ins Berghain zu kommen. Sorry.

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Bulgarien

Eurovision Song Contest 2018 - erstes Halbfinale

Quelle: dpa

Bulgarien hat für den ESC die einzigen beiden Schwarzen gecastet, die in dem Land jemals eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen haben. Man würde ja auch gerne was zur Musik sagen. Aber ... sie ist dramatisch. Mit einem Schuss von etwas undefinierbar Düsterem, das wohl Gothic sein soll, aber eigentlich nichts ist. Es gibt drei oder vier Songtypen, die jedes Jahr wieder durchexerziert werden, und so leicht gothic geht immer. Dunkle Hymnen, deren Abgrund ungefähr so tief ist wie das Nichtschwimmerbecken. Und warum heißen die eigentlich Equinox? Weil ihre Musik irgendwie düster mittelalterlich klingt? Weil zwei schwarz und zwei weiß sind? Okay.

18 / 25

Moldau

ESC 2018 - 2. Generalprobe des zweiten Halbfinals

Quelle: dpa

DoReDos aus Moldau geben sich alle Mühe, den Titel für den am wildesten gestikulierenden Act zu gewinnen. In bonbonfarbenen Kostümen turnen Marina Djundyet, Eugeniu Andrianov und Sergiu Mîța vor einer weißen Bühnenwand herum, schlüpfen aus Türen und gucken durch Fenster, während drei Doppelgänger-Tänzer aus anderen Türen schlüpfen und durch andere Fenster gucken. Beinah wähnt man sich in einer Inszenierung des großen Slapstick-Regisseurs Herbert Fritsch, zumal die Zeilen von "My Lucky Day" ähnlich dadaistisch anmuten, wie die Texte, die Fritsch gerne auf die Bühne bringt. Über einer Mischung aus Balkanbläsern und stumpfen Elektrobeats wird da zum Beispiel gesungen: "So is this my lucky day/ Will you stay or walk away/ Right now you're stoppin' traffic". Welche Geschichte DoReDos mit ihrer Show erzählen wollen, bleibt indes unklar, irgendetwas mit einer Dreiecksbeziehung vielleicht. Das ist aber auch gar nicht wichtig. Wichtig ist, dass DoReDos eine Band sind, die keine Angst vor Peinlichkeit haben. Und damit erfüllen sie das wichtigste Kriterium eines ESC-Kandidaten.

19 / 25

Schweden

Sweden's Benjamin Ingrosso performs 'Dance You Off' during the dress rehearsal for the Grand Final of the Eurovision Song Contest 2018 at the Alice Arena hall in Lisbon

Quelle: REUTERS

Ob Benjamin Ingrosso den ESC so richtig verstanden hat? Der junge Schwede tanzt vor einer reduzierten LED-Show aus Strichen modernisierte Achtzigerjahremoves und singt mit hoher Jungenstimme ein Electro-Dance-Lied über die Verarbeitung einer gescheiterten Liebe, wie es tatsächlich heute, im Jahr 2018, in Clubs laufen könnte. Wo ist die Windmaschine? Wo das größere Dosenfeuerwerk? Das Kreischfinale? Und wieso hat der Mann keine Geige? Irritierenderweise steht Ingrosso bei den Buchmachern trotzdem in den Top 5. Muss am Herkunftsland liegen.

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Ungarn

ESC 2018 - AWS

Quelle: dpa

Mit ihrem Song, der übersetzt "Auf Wiedersehen, Sommer" heißt, dürfte die ungarische Männercombo AWS ziemlich polarisieren. Metal-Rock ist beim pop-geprägten ESC doch eher gewagt. In dem Song, dessen Titel so lieblich klingt, geht es jedoch um ein ernstes Thema: das Sterben. Frontmann Örs Siklósi verarbeitet darin den Tod seines Vaters - und seine Stimme klingt zwischendurch ganz schön wütend. Dazu läuft er auf der Bühne hin und her, Fontänen speien Feuer, das Schlagzeug klingt laut und aggressiv, die Gitarrenriffs wiederholen sich. Irgendwann grölt Siklósi nur noch. Hier bricht sich die fünffache Dosis Testosteron Bahn - barfuß, laut, wütend. Aaarrrgh!!!! Massentauglich ist der ungarische Beitrag auf keinen Fall. Aber originell. Und damit wiederum ESC-tauglich. Wenn sie halt nicht so laut wären, diese Ungarn.

21 / 25

Israel

Eurovision Song Contest 2018 - erstes Halbfinale

Quelle: dpa

Ob man wohl mal wieder "verrücktes Huhn" sagen darf? Wie Netta Barzilai durch ihren Song "Toy" gackert, zickt, pickt und flattert und daraus mittels Looper - also einer Art mobilem Aufnahmegerät, mit dem man live erzeugte Geräusche und Melodien übereinanderschichten und in Endlosschleife abspielen kann - auch noch einen ziemlich sehr grandiosen Beat baut, ist schließlich (nicht nur) für ESC-Verhältnisse ungewöhnlich. Und ungewöhnlich zeitgemäß. Denn die "beautiful creature" (sie über sich) prügelt dazu, nicht sehr subtil aber dafür mit Schmackes, auf so ziemlich alles ein, was von Barbie-Klischees über anzügliches Überlegenheitsgehabe bis hin zu fast allen Formen von männlichem Macho-Gesäftel im vergangenen Jahr unter dem Hashtag "#MeToo" im Netz aufgelaufen ist. Das tut der Veranstaltung offenbar so gut, dass die Buchmacher Netta als eine der Favoriten sahen. Zu Recht: Netta gewinnt des ESC 2018.

22 / 25

Niederlande

Eurovision Song Contest 2018 - zweites Halbfinale

Quelle: dpa

Noch ein Wiedergänger: Beim ESC 2014 hat der Niederländer zusammen mit seiner damaligen musikalischen Partnerin Ilse de Lange den zweiten Platz hinter Conchita Wurst belegt. Ein schönes Retro-Country-Duett war das Lied "Calm After The Storm", das die beiden als "The Common Linnets" damals sangen. Jetzt ist Waylon allein in Lissabon, sein Song heißt "Outlaw In 'Em" und ist mehr Rock als Country, Waylon kaut aber weiterhin sehr amerikanisch auf den Vokalen rum. Schlecht ist das nicht, aber auf viel weniger distinktive Weise altmodisch als sein Beitrag von vor vier Jahren. Ein Song, den man schnell wieder vergessen hat.

23 / 25

Irland

FILE PHOTO: Ireland's Ryan O'Shaughnessy performs 'Together' during the Semi-Final 1 for Eurovision Song Contest 2018 at the Altice Arena hall in Lisbon

Quelle: REUTERS

Dass man schon vor dem ESC so viel über den irischen Kandidaten Ryan O'Shaughnessy redet, liegt nicht an seiner Musik. Was nicht heißt, dass die schlecht wäre. "Together" ist eine klassische Liebesballade, ein bisschen Pianogeklimper, ein bisschen Akustikgitarrengezupfe und dazu die sanftmütig-leidende Stimme des jungen Iren. Nicht gerade originell, aber absolut solide. Aufmerken ließ das Video zu "Together", denn hier wird die besungene Liebe bebildert durch ein schwules Paar. Die Darsteller des Videos sind auch als Tänzer in O'Shaughnessys Bühnenshow zu sehen und das Schöne ist, dass sie vollkommen beiläufig inszeniert sind. Es kommt auch heute nicht sonderlich häufig vor, dass eine homosexuelle Liebe einem Massenpublikum präsentiert wird, ohne sie in irgendeiner Weise zu problematisieren. Bei O'Shaughnessy ist das anders, man sieht zwei verliebte Männer, nicht mehr und nicht weniger. Dass das für einige anscheinend immer noch zu viel ist, zeigt die Reaktion des chinesischen Streaming-Diensts Mango TV: Das Unternehmen, das zum chinesischen Staatssender Hunan TV gehört, schnitt bei der Übertragung des ersten ESC-Halbfinales den irischen Beitrag einfach heraus. Die European Broadcasting Union erklärte daraufhin, dieser Schritt passe nicht zu ihrer "stolzen Tradition, Vielfalt durch Musik zu feiern" - und beendete mit sofortiger Wirkung die Zusammenarbeit mit Mango TV.

24 / 25

Italien

ESC 2018 - 2. Generalprobe des 2. Halbfinals

Quelle: dpa

Auffallend ernst tritt Italien in diesem Jahr beim ESC an. Zwar klingt "Non mi avete fatto niente" ("Mir habt ihr nichts getan") der beiden Liedermacher Ermal Meta und Fabrizio Moro immer noch nach flottem Italo-Pop, aber die Botschaft ist klar: Hört auf mit euren "unnützen Kriegen"! In rhythmisch dahin gesprochenen Textzeilen resümieren sie die vergangenen Terroranschläge in Europa, um dann in einem opulenten Refrain die weltweite Gewalt von Asien bis Großbritannien zu verurteilen. Der Song ist ebenso ernsthaft wie eingängig - und seitdem Meta und Moro das diesjährige Festival von San Remo gewonnen haben, läuft "Non mi avete fatto niente" in Heavy Rotation im italienischen Radio. Allerdings könnte ihre Performance den beiden die Siegchancen verderben. Im Video zu ihrem Song wechseln sich traurige Kindergesichter mit Stacheldrahtmotiven und Explosionen ab, die Untertitel erscheinen in gleich mehreren Sprachen. Ob Kriegsszenen allerdings auch auf der ESC-Bühne funktionieren, ist fraglich.

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Zypern

Eurovision Song Contest 2018 - erstes Halbfinale

Quelle: dpa

Ja, was macht denn Shakira da auf der Bühne? Ach so, es ist doch Eleni Foureira. Aber die Griechin, die in diesem Jahr für Zypern antritt, hat zugegebenermaßen die gleiche Löwenmähne, den gleichen Hüftschwung und sie mischt die gleichen seehundähnlichen Laute in ihre Refrains. Wenig überraschend also, dass Foureira in diesem Jahr als Favoritin gehandelt wird. Zumal ihr Elektro-Pop-Song "Fuego" schon beim ersten Hören so eingängig daherwummert, dass man gewillt ist zu vergessen, wie beliebig er klingt. Für die, die es nicht vergessen wollen, gibt es immerhin eine Pyro-Show.

© SZ.de/khil
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