Süddeutsche Zeitung

Europawahl:Wie Öffentlich-Rechtliche sich gegen NPD-Wahlwerbung wehren

  • Die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ZDF und RBB müssen nach Gerichtsentscheiden ausländerfeindliche Wahlwerbung der NPD nicht senden.
  • Der Bayerische, Hessische und Norddeutsche Rundfunk müssen NPD-Spots mit ähnlichem Inhalt dennoch senden - auch, weil die Wirkung im Fernsehen suggestiver ist als im Radio.
  • Der Text der Wahlspots bewegt sich auch ohne Bilder gefährlich nahe an der strafbaren Volksverhetzung.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Am Dienstag musste der Bayerische Rundfunk zähneknirschend einen Wahlwerbespot im Radio senden, in dem die NPD ihr Lieblingsthema reitet: "Seit der willkürlichen Grenzöffnung 2015 und der seither unkontrollierten Massenzuwanderung werden Deutsche fast täglich zu Opfern", heißt es dort. Weshalb "Schutzzonen" eingerichtet werden müssten, in denen sich "Deutsche sicher fühlen sollen". Am Donnerstag muss der Spot wiederholt werden - so hat es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden. Dem Hessischen und dem Norddeutschen Rundfunk ist es nicht besser ergangen, auch sie müssen die Werbung der Rechtsextremisten senden. Dagegen haben der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) wie auch das ZDF erfolgreich die Ausstrahlung von TV-Spots verweigert.

Sind sich die Gerichte uneins, wie man mit der NPD im Jahr drei nach dem Karlsruher Verbotsverfahren umzugehen hat? Die Extremistenpartei war 2017 zwar einem Parteiverbot knapp entkommen, trägt aber seither den Stempel verfassungsfeindlich, der sie nach dem Willen des Deutschen Bundestags bereits die Parteienfinanzierung gekostet hat. Was also gilt nun für die NPD-Wahlwerbung im Rundfunk?

Grundsätzlich muss man sagen: Das Bundesverfassungsgericht erlaubt, dass bei Wahlen mit harten Bandagen gekämpft wird. Und es unterbindet alles, was die Chancengleichheit der Parteien beeinträchtigen könnte - gerade auch der Kleinparteien, die ohnehin im Hintertreffen sind und nur bei Wahlen wirklich punkten können. Deshalb hat das Gericht bereits 1978 entschieden, dass nur bei einem "evidenten", also offenkundigen und dazu nicht zu leichtgewichtigen Verstoß gegen Strafgesetze der Wahlwerbespot abgewiesen werden kann. Damit soll verhindert werden, dass ARD und ZDF zu Zensurbehörden oder einer Art Ersatzverfassungsgericht werden: "Insbesondere darf die Qualifizierung eines Sendebeitrages als Wahlwerbung nicht davon abhängig gemacht werden, ob die dargelegten Ziele inhaltlich mit der verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes in Einklang stehen", heißt es dort. Auch später war das Gericht nicht zimperlich. In einem Beschluss von 1985 ging es um einen Werbespot, in dem die Deutsche Zentrumspartei gegen Schwangerschaftsabbrüche zu Felde zog. Oder, in ihren Worten, gegen den "Massenmord an ungeborenen Kindern", mitfinanziert durch Krankenkassenbeiträge. Hier komme vor allem die "moralische Empörung" der Partei zum Ausdruck, befand das Gericht; der Spot musste gesendet werden.

Genau genommen geht es bei drei Urteilen um drei Varianten von Ausländerfeindlichkeit

Was nun die NPD und die scheinbar gegensätzlichen Urteile der Gerichte angeht, gilt es zunächst festzustellen: Genau genommen geht es dabei um drei verschiedene Varianten von Ausländerhetze. Den härtesten Spot wollte die NPD im ZDF platzieren. Dort war von "ausländischen Messermännern" die Rede, zudem hieß es in großen roten Lettern: "Migration tötet!" Unterlegt war die Botschaft mit Blutspritzern, die am Bildschirm herunterliefen sowie dem Sound, den das Laden einer Waffe erzeugt; dann folgte ein Schuss. Mit anderen Worten: Da hat die NPD regelrecht um ein Verbot gebettelt, das vom Oberverwaltungsgericht Koblenz dann auch ausgesprochen und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde.

Mit einer abgemilderten Version bekam es dann der RBB zu tun. Trotzdem hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg darin eine Volksverhetzung gesehen und ebenfalls ein Verbot ausgesprochen, anders als die anderen Gerichte. Das dürfte vor allem damit zu tun haben, dass so ein Spot im Fernsehen sehr viel suggestiver wirkt als im Radio, selbst wenn der Inhalt ähnlich ist. Das OVG beanstandet, dass die NPD Migranten pauschal und generell als existenzielle Bedrohung darstellt - und eben nicht nur auf die wirklich Kriminellen abstellt. Diese fehlende Differenzierung werde "auch durch die dramaturgische Darstellung verdeutlicht, namentlich die sich steigernde, am Ende nicht mehr im Einzelnen nachvollziehbare Abfolge von Sequenzen, die Straftaten von Migranten als nicht mehr quantifizierbar und ins Unermessliche gehend kennzeichnet". Die Wucht der Bilder verstärkt die hetzerische Botschaft, soll das heißen. Als weiteres Argument zitiert das OVG die NPD-Entscheidung des Verfassungsgerichts, wonach das NPD-Konzept einer ethnischen "Volksgemeinschaft" die Menschenwürde von Migranten missachte.

Aber auch ohne Bilder muss man wohl sagen: Der Text der Wahlspots bewegt sich jedenfalls gefährlich nahe an einem "böswilligen Verächtlichmachen" von Menschen, also an der strafbaren Volksverhetzung. Das Verwaltungsgericht Hamburg hat den Radiospot zwar erlaubt, zugleich aber klargestellt, es stehe außer Frage, "dass der Werbespot in seiner Gesamttendenz einen die zugewanderten ausländischen Personen diskriminierenden und insgesamt offen ausländerfeindlichen Charakter hat". Nur sei die Diffamierung eben eher indirekt ausgefallen - einen "evidenten" Angriff auf die Menschenwürde könne das Gericht deshalb nicht erkennen.

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SZ vom 15.05.2019/tmh
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