Euronews:Grüße aus Dubai

Euronews: Hier zu arbeiten, fühlte sich für Mitarbeitende an wie ein langes Erasmus: das Hauptquartier von Euronews in Lyon.

Hier zu arbeiten, fühlte sich für Mitarbeitende an wie ein langes Erasmus: das Hauptquartier von Euronews in Lyon.

(Foto: PHILIPPE DESMAZES/AFP)

Der Nachrichtensender Euronews streicht Stellen. Über den Ernst der Lage und die sehr interessanten Geldgeber.

Von Kathrin Müller-Lancé

Eigentlich sollte der grashüpfergrüne Kubus für Zukunft und Fortschritt stehen. Für eine Art würfelförmigen Turm zu Babel, in dem Journalistinnen und Journalisten unterschiedlichster Sprachen zusammenarbeiten. Jetzt rappelt es ordentlich im Hauptquartier von Euronews, das der Nachrichtensender erst vor wenigen Jahren im französischen Lyon bezogen hat.

Im Februar streikten mehrere Dutzend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Anlass war ein geplanter Stellenabbau, der zwischen 30 und 40 der 500 Festangestellten treffen könnte. Euronews begründet die Stellenstreichungen damit, dass die Corona-Krise den Sender wichtige Werbeeinnahmen gekostet habe. "Wir fühlen uns im Moment wie in einer Sackgasse", ist von einem Personalvertreter zu hören. Die Belegschaft mache sich Sorgen um die Zukunft des Senders. Weil die Finanzierung offensichtlich große Probleme bereitet.

Gestartet ist der Sender aus europäischer Euphorie heraus

War die ursprüngliche Idee zu groß? Ein Nachrichtensender für ganz Europa, ein Programm für alle, in verschiedenen Sprachen? Als Euronews im Jahr 1993 auf Sendung ging, herrschte noch europäische Euphorie. Der Vertrag von Maastricht war gerade unterschrieben worden, aus den Europäischen Gemeinschaften wurde die Europäische Union, und Großbritannien spielte auch noch mit. Wer sich bei Euronews-Mitarbeitern umhört, erfährt: Dort zu arbeiten, war lange wie eine Weiterführung von Erasmus.

Auch heute noch steht auf der Internetseite von Euronews: "Unsere Europäische Identität zeichnet uns aus", und weiter: "Als einziges Nachrichtenmedium mit einem europäischen Blickwinkel kann man auf Euronews erfahren, was Europa bewegt." Das klingt fast so dick aufgetragen, als müsse man sich selbst noch mal von seiner Mission überzeugen.

Und tatsächlich könnte es da Bedarf geben, zumindest mit Blick auf die Eigentümer des Senders: Zu 88 Prozent gehört Euronews mittlerweile dem ägyptischen Milliardär Naguib Sawiris, genau genommen dessen Unternehmen Media Globe Networks. Das Forbes Magazine schätzt Sawiris' Vermögen auf 3,2 Milliarden Dollar.

Die europäischen öffentlich-rechtlichen Anstalten, die Euronews ursprünglich gegründet hatten, scheinen den Sender dagegen mehr und mehr aufgegeben zu haben. Der Eindruck, der bei manchem blieb: Es wurde eine Kreatur geschaffen und dann sich selbst überlassen.

Heute halten France Télévisions, die Rai und ein paar andere nur noch einen kleinen Anteil am Sender. Die BBC hat nie mitgemacht, ARD und ZDF auch nicht. Obwohl Euronews mehrfach hausieren ging. Deutsch war von Anfang an eine Sprache des Senders. Fragt man heute nach, warum sich Deutschland nicht an der Finanzierung von Euronews beteiligt, fallen die Antworten knapp aus. ARD und ZDF verweisen darauf, dass es dafür einen entsprechenden Auftrag aus der Politik brauche. Und den gibt es im Medienstaatsvertrag bisher nicht.

In manchen Beiträgen zeigt sich, wie viel ein unabhängiger europäischer Nachrichtensender wert sein könnte

Euronews scheint über die Jahre zu einem Privatsender geworden zu sein, über den viele nur noch beim Durchzappen im Hotelzimmer stolpern. In Deutschland lag der Marktanteil laut AGF-Videoforschung im vergangenen Jahr bei durchschnittlich 0,4 Prozent, das ist etwa ein Drittel des Anteils von Arte.

Euronews sendet etwa auch auf Ungarisch und Türkisch, in Ländern, in denen Pressefreiheit nicht selbstverständlich ist. Der Sender berichtet über die Schließung des letzten unabhängigen Radiosenders in Ungarn und lässt den regimekritischen türkischen Journalisten Can Dündar zu Wort kommen. In solchen Beiträgen zeigt sich, wie viel ein unabhängiger europäischer Nachrichtensender wert ist - oder wert sein könnte.

Wären da nicht Vorwürfe, in mancher Hinsicht sei Euronews gar nicht so unabhängig. Von der Europäischen Union etwa. Zwar hält die EU keine Anteile an Euronews, die Europäische Kommission bedenkt den Sender aber immerhin mit durchschnittlich 24 Millionen pro Jahr. Das entspricht etwa einem Drittel der jährlichen Einnahmen von Euronews. Die europäischen Gelder finanzieren zum Beispiel die Übersetzung ins Griechische und Portugiesische, aber auch große Teile des Brüsseler Korrespondentenbüros.

Noch ein bisschen heikler: Die Kommission finanziert auch direkt Inhalte. Im Wissenschaftsmagazin Futuris zum Beispiel laufen Beiträge über ein europäisches Geothermie-Projekt in Island oder die EU-Mission Seestern 2030. Die Unterstützung durch die EU-Kommission ist gekennzeichnet, moderiert werden die Beiträge aber von einem Euronews-Journalisten. Solche gesponserten Inhalte liefen ausschließlich in Magazinsendungen und nicht im Nachrichtenprogramm, teilt ein Sprecher des Senders auf Anfrage mit. Die redaktionellen Entscheidungen lägen allein bei Euronews.

Für Unmut sorgen diese Beiträge trotzdem, sogar innerhalb der EU: "Wenn ich von einer Quasi-Regierungsstelle bezahlt werde, kann ich nicht unbedingt davon ausgehen, dass der Beitrag, der dabei rauskommt, der EU-Kommission besonders kritisch auf den Zahn fühlt", sagt etwa die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert.

Beworben wird Dubai als "Reiseziel der Extraklasse"

Das ist allerdings nicht die einzige Kritik. Seit ein paar Jahren unterstützen den wirtschaftlich gebeutelten Sender auch Sponsoren, die mit Europa nicht viel zu tun haben. Die französische Zeitung Libération betitelte Euronews schon als "Schaufenster Dubais". Und tatsächlich: Das Reportageformat Focus nimmt sich fünf Minuten Zeit, um zu erklären, wie man mit einer Kapsel von Abu Dhabi nach Dubai schweben kann - als "grüne Transportlösung". Das Reisemagazin Explore zeigt, wie "schöner werden in der Kältesauna" funktioniert, ebenfalls in Dubai. Es fallen Sätze wie: "Dubai ist ein Reiseziel der Extraklasse, das das Beste in Sachen Urlaub und Lebensstil bietet". Im jeweiligen Abspann stehen, rechts unten in der Ecke, die Worte: "Thanks to Dubai".

Auch diese gesponserten Inhalte seien strikt getrennt von den Nachrichten- und Informationsinhalten und hätten keinerlei Einfluss auf die Redaktionslinie, teilt der Euronews-Sprecher mit. Die Kennzeichnung genüge den Regeln der französischen Rundfunkaufsichtsbehörde. Auch von anderen Sendern sind derartige Partnerschaften bekannt, die BBC und CNN etwa kooperieren für bestimmte Formate mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Trotzdem dürften einem Sender, der in Europa um Anerkennung kämpft, PR-artige Reisetipps für die Vereinigten Arabischen Emirate vermutlich kaum helfen. Bei Mitarbeitern sorgt das für ungute Gefühle. Und gleichzeitig ist aus der Belegschaft zu hören, wie sehr man an diesem europäischen Projekt hänge.

Bleibt die Frage, wie sehr Europa selbst noch daran hängt. Nachdem sich bereits die europäischen öffentlich-rechtlichen Sender immer mehr zurückgezogen haben, scheint auch die Unterstützung der EU nicht mehr selbstverständlich. "Es stellt sich schon die Frage, ob man mit europäischen Steuergeldern einen Sender finanzieren sollte, der überhaupt nicht mehr in europäischer Hand ist", sagt die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert. Noch bis Ende des Jahres sind die Zuschüsse für Euronews durch einen Rahmenvertrag mit der EU garantiert. Ob und in welcher Höhe die Finanzierung weitergeführt wird, ist noch nicht klar.

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