EU-Journalisten:Eine Wunschliste für von der Leyen

EU-Journalisten: Bis sie loslegt, versuchen auch die Journalisten, Einfluss zu nehmen: die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei einer Pressekonferenz.

Bis sie loslegt, versuchen auch die Journalisten, Einfluss zu nehmen: die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei einer Pressekonferenz.

(Foto: AP)

Die Brüsseler Journalisten stellen Forderungen für eine bessere Kommunikation.

Von Matthias Kolb

Es ist das Ritual, das den Tagesablauf der Brüsseler Journalisten prägt: Montags bis freitags um 12 Uhr tritt ein Chefsprecher der EU-Kommission ans Pult und informiert über die aus Sicht der EU-Behörde wichtigsten Themen des Tages. "Midday Briefing" heißt diese Pressekonferenz, die alle nur "Midday" nennen. Am Montag mühten sich die britischen Reporter mal wieder, auf kreative Weise Info-Krümel zum Brexit aus Sprecherin Mina Andreeva herauszukriegen - wie meist: vergeblich.

Um 12.48 Uhr strömten die Reporter zum Lunch oder ins Büro. Wie unzufrieden das Pressekorps oft mit den mittäglichen Sitzungen ist, wurde Ende September klar. "Das Briefing ist für viele irrelevant geworden, weil es schwierig ist, angemessene Antworten zu erhalten", konstatiert die Vereinigung der EU-Journalisten Association de la Presse Internationale (API). Deren Mitglieder haben eine "Wunschliste" an Ursula von der Leyen geschickt, auf der etwa steht: "Tatsachenbasierte Information über die Arbeit der Kommission muss wichtiger sein als politischer Spin."

Die neue Kommissionspräsidentin soll am 1. November loslegen, und bis dahin versuchen alle, Einfluss zu nehmen - auch die Journalisten. Das Schreiben der API enthält Punkte, über die Korrespondenten schon während der Amtszeit von Jean-Claude Juncker klagten. Dokumente würden nur Minuten vor der Pressekonferenz verteilt: "Dies macht es unmöglich, gutinformierte Fragen zu stellen". Die Folge: Der Spin der Kommission, verbreitet über Pressemitteilungen und Social Media, dominiert die Berichte. Weitere Wünsche: Jeder neue Kommissar soll wieder einen eigenen Sprecher haben. Momentan bündeln sich Themen verschiedener Kommissare bei einem Sprecher, was zu "einer Fragmentierung von Informationen" führe und frustriere.

Als von der Leyen im Juli gekürt wurde, war die CDU-Politikerin vielen EU-Korrespondenten kein Begriff - und auch ihre Berater nicht. Das Kennenlernen lief nicht reibungsfrei: Jean Quatremer, Vertreter starker Thesen und seit 1990 in Brüssel als Korrespondent von Libération tätig, beklagte eine "Bunker-Strategie" und machte dafür einen Mann verantwortlich, der die Ex-Verteidigungsministerin seit 15 Jahren begleitet. Jens Flosdorff wird als "Chefberater für Kommunikation im Kabinett der Präsidentin" die Medienarbeit der ersten EU-Chefin koordinieren und sich um die Gesamtstrategie kümmern.

Bei der API hingegen ist man mit Flosdorff bisher zufrieden. Ein Treffen in der vergangenen Woche verlief gut: Von "Aufgeschlossenheit" und "Kooperationsbereitschaft" ist die Rede. Positiv kam an, dass Ursula von der Leyen bei der Vorstellung ihrer Kommissare mehr als eine Stunde lang Fragen beantwortete. Reporter aus kleinen Ländern pochten erneut auf Transparenz und gleichberechtigten Zugang, damit nicht nur die Leitmedien mit Informationen gefüttert werden.

Bei der Auswahl ihres Medienteams hat von der Leyen auf die nötige regionale Balance geachtet. Die Rumänin Dana Spinant wird Vize-Chefsprecherin, sie arbeitete vor ihrem Wechsel 2010 in die Kommission als Journalistin und wird von ihren Ex-Kollegen geschätzt. Der neue Chefsprecher Eric Mamer kommt aus der Generaldirektion Binnenmarkt. Der Franzose arbeitete zuvor für EU-Kommissar Günther Oettinger und kennt das Gefühl, journalistsche gelöchert zu werden: Zwischen 1999 bis 2004 war er Sprecher zweier Kommissare. Mamer wird die Mittagspressekonferenz leiten - eine Aufgabe, die Flosdorff nicht übernimmt. Seine Rolle umschrieb das Online-Medium Politico treffend so: "Der ganze Spaß, aber nicht die tägliche Pflicht des Midday."

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