Süddeutsche Zeitung

Journalismus:EU fordert Mitgliedstaaten auf, journalistische Vielfalt zu schützen

Ein Bericht zeichnet ein düsteres Bild der Lage des europäischen Journalismus. Es brauche Gesetze, fordern EU-Kommissare.

Von Kathleen Hildebrand

Die Analyse ist nicht neu, aber die Dringlichkeit, mit der EU-Vertreter am Donnerstag forderten, dem europäischen Journalismus zu helfen - die ist es durchaus.

Das European University Institute, die gemeinsame Lehr- und Forschungseinrichtung der EU in Florenz, hat den aktuellen Media Pluralism Monitor vorgelegt, eine Studie über den Stand von Pressefreiheit und Pluralismus in den Medien, die jedes Jahr erscheint. Die Studie wird mit Mitteln der EU finanziert.

Die Studie bestätigt Tendenzen, auf die in den vergangenen Jahren oft hingewiesen wurde: Journalisten werden mehr und mehr bedroht, auch von Politikern. Frauen seien besonders betroffen von Drohungen und Belästigungen. Auch habe es in jüngster Vergangenheit mehrere tödliche Anschläge auf Journalisten gegeben, wie etwa 2018 auf Ján Kuciak and Martina Kušnírová in der Slowakei und 2019 auf Lyra McKee in Nordirland.

Die ökonomische Lage des Nachrichtengeschäfts ist laut der Studie in allen europäischen Mitgliedstaaten schlecht. Der Einfluss großer digitaler Konzerne, vor allem Facebook und Google, darauf, welche Artikel von einem großen Publikum gelesen werden, steigt. Sie erhalten laut der Studie auch den größten Anteil von Werbeeinnahmen, die so nicht mehr bei den Medienunternehmen selbst ankommen. Die Wirtschaftlichkeit von Online-Nachrichten habe sich jedoch in manchen Märkten leicht verbessert. Das deute darauf hin, dass traditionelle Medien der Digitalisierung doch standhalten können oder dass es mittlerweile alternative Geschäftsmodelle für Online-Nachrichtenmedien gebe.

Die Vielfalt der europäischen Medienlandschaft sei "extrem gefährdet", sagte die EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, Věra Jourová, am Donnerstag in einer Pressekonferenz per Videoschalte. Sie forderte die Mitgliedstaaten auf, gesetzgeberische Maßnahmen zur Unterstützung des Journalismus zu treffen. Wie genau diese aussehen könnten, ließ sie offen. Eine allzu direkte staatliche Förderung von journalistischen Institutionen ist hoch umstritten, weil sie mit dem Versuch politischer Einflussnahme einhergehen könnte. Gerade ihre schwierige ökonomische Lage aber mache Medienunternehmen ebenfalls anfällig dafür, politischem Druck oder solchem aus der Wirtschaft nachzugeben, sagte Jourová.

Besonders kritisiert die Studie den Zustand der Medien in Ungarn. Die meisten journalistischen Plattformen dort seien politisiert und könnten die Bevölkerung deshalb nicht angemessen informieren. Věra Jourová sprach in der Pressekonferenz eine Warnung an die Mitgliedstaaten aus, dem Beispiel Ungarns zu folgen.

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