EU-Gericht kippt Fußball-Exklusivvermarktung:Fernsehen ohne Grenzen

Die englische Pub-Besitzerin Karen Murphy hat vor Gericht gesiegt - gegen ein mächtiges britisches Pay-TV-Unternehmen. Die Exklusivvermarktung für Fußballspiele wurde gekippt. Doch wer jetzt darauf hofft, dass künftig die Abonnentenpreise einbrechen, weil es zu einem lebhaften Wettbewerb kommt, der wird enttäuscht werden.

Hans-Jürgen Jakobs

Immer diese Griechen. Bislang hatte die Regierung in Athen für europäische Verwirrung gesorgt, mit ihren nicht gehaltenen Versprechungen in Sachen Staatshaushalt. Nun macht ein griechischer Pay-TV-Anbieter namens Nova in Europa von sich reden, weil er für kleines Geld die Senderechte an der großen englischen Fußballliga gekauft hat. Die Decoderkarte dieser Firma kann auch in Großbritannien eingesetzt werden, wo der Fußballverband die dort kostbaren Rechte natürlich für wesentlich mehr Geld an das britische Fernsehen verkauft.

Publican Karen Murphy Wins Her Appeal Against The Premier League At The European Court Of Justice

Karen Murphy feiert in ihrem Pub "Red White & Blue" den Sieg vor Gericht.

(Foto: Getty Images)

Aus diesem Umstand zog Karen Murphy einen Nutzen. Die Dame aus Portsmouth dürfte die derzeit bekannteste Gastwirtin des Landes sein, weil sie Recht bekam vor dem Europäischen Gerichtshof und weiter mit Hilfe der billigen griechische Decoder-Karte den teuren englischen Fußball ansehen darf - in Großbritannien. Sie spart so fast 4700 Euro im Jahr an Gebühren, die der Londoner Pay-TV-Betrieb BSkyB gerne kassiert hätte. Er hat vom Verband ein Exklusivrecht für Großbritannien bekommen.

Solche nationalen Privilegien gibt es aber in einem Binnenmarkt nicht, der vom freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen ausgeht. Es gibt eben nicht nur eine gemeinsame Währung, es gibt auch eine gemeinsame Wettbewerbsphilosophie. Auch Pay-TV-Zuschauer müssen demnach die Chance haben, das billigste Angebot konsumieren zu können.

Auswahl ist die Würze der Marktwirtschaft. Das müsste dann im Übrigen auch für die Spielfilme und TV-Programme der großen Hollywood-Studios gelten, die in Europa zu ganz unterschiedlichen Preisen verkauft werden. Das europaweite Monopolwesen bei Fußball und Fernsehen, einem der hochattraktiven Produkte der Unterhaltungswirtschaft, verstößt erkennbar gegen die Logik des Binnenmarkts.

Es stimmt ja: Wenn jeder in der Europäischen Union sich ein Auto oder eine Tablettenschachtel aus dem Ausland besorgen kann, ist es schwer einzusehen, warum dies nicht auch bei Bezahlfernsehprogrammen gelten soll. Europa kann nicht in abgeschottete Einzelmärkte aufgeteilt werden. Die "ganz gefährlichen Zeiten", die jetzt angeblich auf den europäischen Fußball zukommen, wie Bayern-München-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge vermutet, werden wohl auch nicht anbrechen.

Es bleibt ja dabei, dass auf wichtigen TV-Märkten die Fußball-Verbände zentral für die Klubs die wertvollen Rechte vermarkten und dabei in einem Bieter-Wettstreit die interessierten Sender hochjagen. In diesem exklusiven Kreis ist es ganz einfach, mit den Folgerungen aus dem Europa-Urteil zum Pay-Fernsehen fertig zu werden: Man muss nur die Bedingungen ein wenig ändern, beispielsweise, indem man hohe Mindestpreise vorschreibt oder gleich paneuropäische Rechte für den Kontinent vergibt.

Die Sky-Aktie zu früh abgestraft

Wenn Frau Murphy in ihrer Kneipe "Red White & Blue" dann also weiter mit der griechischen Firma Nova im Geschäft bleiben würde, müsste die den gleichen Preis wie bei BSkyB zahlen, was natürlich keinen Sinn macht. Da kann sie auch wieder den englischen Anbieter wählen, dem sie einst gekündigt hat. In Wahrheit ist, wenn das Urteil des Europäischen Gerichtshofs später vom High Court in London bestätigt wird, nur das Auslandsgeschäft eines Fußballverbands beeinträchtigt. Denn warum sollten die griechischen Sport-Begeisterten so viel Geld für die Premier League ausgeben wollen, wie die Fans in England?

In Deutschland geht es um rund 30 Millionen Euro. Das ist die Summe, die von der Deutschen Fußball-Liga (DFL) jährlich für die Klubs im europäischen Ausland erwirtschaftet wird. Sie dürfte kräftig sinken. Das ist wirtschaftlich eine Einbuße, die Fußball-Landschaft würde bei einem DFL-Gesamtumsatz von 400 Millionen Euro aber nicht verändert. Die Auswirkungen sind, Stand heute, nicht zu vergleichen mit jenen des berühmten Bosman-Urteils von 1995: Es legte fest, dass Profifußballer nach Vertragsende ablösefrei zu einem anderen Klub wechseln dürfen, und Restriktionen für ausländische Kicker in den jeweiligen nationalen Ligen verboten sind.

Auch hier hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, und zwar im Fall des belgischen Fußballers Jean-Marc Bosman. Für die Fußball-Fernsehbranche gilt jetzt also nicht Murphys Gesetz ("alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen"). Wer sich vom Sieg der Pub-Besitzerin Karen Murphy verspricht, dass künftig die Abonnentenpreise einbrechen, weil es zu einem lebhaften Wettbewerb kommt, der wird enttäuscht werden. Die Preise würden nur sinken, wenn viele Sender um die Rechte vieler Klubs rangelten, also das System der Zentralvermarktung ins Wanken gebracht würde. Das ist aber nicht zu sehen.

Zunächst werden nur die Rechteinhaber viel Arbeit bekommen, viele Anwälte werden sich über Extra-Erlöse freuen dürfen. Das Urteil ist eine Überraschung, eine Revolution löst es nicht aus. Von daher gesehen ist die Aktie des deutschen Pay-TV-Anbieters Sky am Dienstag zu früh abgestraft worden: Sie büßte zwischenzeitlich um bis zu zehn Prozent ein.

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