"Ernährungs-Check" in der ARD:Iss, was du willst - aber zähle die Kalorien

Ein riesiges Geschäft hat sich rund um unsere Ernährung etabliert. Im Wochenrhythmus bekommen wir neue Essensregeln aufgetischt und sollen krampfhaft Diät halten - für ein besseres, längeres Leben. Tim Mälzer hat im ARD "Ernährungs-Check" diese Thesen in einem großen Test überprüft. Am Ende gibt es nur noch eine Regel.

Christopher Pramstaller

Die richtige Ernährung ist wichtig für ein langes und gesundes Leben, das wissen wir vermeintlich alle. Lieber Vollkorn in den Einkaufswagen, auch wenn man Weißbrot lieber mag. Bloß nicht zu viel Fleisch essen, auch wenn man Obst und Gemüse partout nicht ausstehen kann.

Mälzer

"Ich habe bei den Dreharbeiten einmal mehr gelernt - und das beweist auch unsere Studie -, dass bei der Ernährung andere Faktoren wichtiger sind als die reine Zusammensetzung der Nährstoffe", sagt Tim Mälzer.

(Foto: NDR/Ali Saalehi)

Ständig wird den Menschen vermittelt, welche Zutaten, Zubereitungen und Inhaltsstoffe unbedingt notwendig sind, um von Krebs verschont zu bleiben, das Herz-Kreislauf-System zu stärken, den Blutdruck nicht in die Höhe zu treiben. Ernährung ist zu einer Ersatzreligion geworden, um die sich eine ganze Industrie aufgebaut hat.

Liegt die Formel für Wohlbefinden und einen gesunden Körper also vor allem in der richtigen Diät und den in Lifestyle-Magazinen vermittelten Ernährungsweisheiten? Fernsehkoch Tim Mälzer geht diesen und anderen Fragen in der Dokumentation "Der Ernährungscheck" nach - und die Ergebnisse sind durchaus überraschend.

Innerhalb von 45 Minuten schrumpfen alle Regeln rund um das Essen zu einer einzigen zusammen: Achte auf die Kalorien! Alles andere ist bei einem gesunden Menschen zunächst vollkommen egal. Da können es auch täglich fettige Burger und Pommes sein. Solange die Menge stimmt, wird es die Gesundheit auch langfristig nicht beeinflussen.

Zahlreiche Wissenschaftler bewerten Zufriedenheit und Stressbewältigung mittlerweile als sehr viel entscheidender bei der Prävention von Herzkrankheiten und Diabetes als die vermeintlich richtige Ernährung. Außerdem, so die Experten, funktioniert unser Verdauungssystem bei der Nährstoffverarbeitung sehr viel besser als bisher angenommen.

Es gibt keine Kost, die einen gesunden Menschen noch gesünder macht

"Ob es eine Kost gibt, die bei einem gesunden Menschen das Leben noch weiter verlängern könnte, Krebs noch unwahrscheinlicher macht, Herzinfarkten vorbeugt oder den Blutdruck senkt - das sind alles Themen, die in den Bereich des Glaubens gehören, aber nicht in den Bereich der durch harte Wissenschaft überprüften Datenlage", sagt Peter Nawroth von der Universität in Heidelberg.

Zusammen mit dem Experten für Stoffwechselerkrankungen hat die ARD im Rahmen des "Ernährungschecks" eine Studie mit 45 Männern durchgeführt. Vier Wochen lang mussten sie Diät halten, um eventuelle Veränderungen in den Blutwerten zu beobachten, wenn die Männer (Frauen waren aufgrund von hormonellen Schwankungen ausgeschlossen), sich von Fastfood, deutscher Hausmannskost oder mediterraner Küche ernähren. Drei Mahlzeiten am Tag - für jede Gruppe immer die gleiche Kalorienmenge. Nach Professor Nawroth sollen alle drei Ernährungsweisen gleich gesund sein. Die Blutwerte sollen den Beweis liefern.

Für die 45 Männer gibt es zunächst zwei Wochen die identische Kost, um den Stoffwechsel zu vereinheitlichen, anschließend geht es in die drei Ernährungsgruppen. Gruppe eins darf sich mit jenen Dingen versorgen, die gemeinhin als gesund angesehen wird: Gemüse, ungesättigte Fettsäuen, Ballaststoffe. Bei Gruppe zwei hingegen wird es mit viel Fleisch und reichlich Kohlehydraten schon kritisch und was bei Gruppe drei aufgetischt wird, lässt den bewussten Esser schaudern. Hier gibt es zwei Wochen lang ausschließlich Fastfood. Burger, Pommes und Hotdogs - selbst zum Frühstück.

Fastfood hat ausreichend Vitamine

2500 Kalorien sind auf jedem Teller - in ganz unterschiedlichen Mengen: Zwei Kilo Lebensmittel darf die Mittelmeergruppe verspeisen, 1,3 Kilo die Hausmannskost-Esser und nur ein Kilo die Fast-Food-Kandidaten. So herrscht am Tisch der Mittelmeergruppe beste Stimmung, in der Fast-Food-Gruppe dagegen, wo ein Burger auf dem Teller liegt, ist die Laune gedämpft.

Mälzer

Liegt die Formel für Wohlbefinden und einen gesunden Körper also vor allem in der richtigen Diät und den in Lifestyle-Magazinen vermittelten Ernährungsweisheiten? Daran gibt es große Zweifel.

(Foto: NDR/Ali Saalehi)

Nach vier Wochen Durchhalten dann der große Blutwerte-Check und die Überraschung: Keiner der Parameter, die für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich gemacht werden, ist auch nur annähernd auffällig. LDL- und HDL-Cholesterin, Homocystein, Lebwerwerte, Blutzuckerspiegel und die Nierenfunktion haben sich in allen drei Gruppen kaum verändert. Bei der Fastfood-Gruppe sind die Werte sogar besser geworden. Auch Vitamine gibt es mit der vermeintlich ungesunden Diät genügend. Nur beim Vitamin C, da erreicht die schnelle Kost nicht die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als Tagesbedarf angegeben Werte. Das, so Nawroth, lässt sich aber ganz unkompliziert mit einem Glas Orangensaft ausgleichen.

Es muss nicht Vollkorn und auch nicht frisch gepresst sein

Der Freifahrtschein, alles in sich hineinzustopfen? Nicht ganz, wie Tim Mälzer deutlich betont. Zwischen industriellen Produkten und den selbst hergestellten Mahlzeiten besteht dann doch ein Unterschied. Jeden Tag Fastfood sollte man also lieber doch vermeiden.

"Ich habe bei den Dreharbeiten einmal mehr gelernt - und das beweist auch unsere Studie -, dass bei der Ernährung andere Faktoren wichtiger sind als die reine Zusammensetzung der Nährstoffe", sagt Tim Mälzer. "Jede gern gegessene, also wirklich genossene Mahlzeit ist wichtiger und besser als jede nicht genossene, die man nur zu sich nimmt, weil sie nach irgendwelchen Regeln oder Gesundheitskriterien angeblich gut für einen selbst sein soll."

Und weil er gerade schon dabei ist, räumt Mälzer durch Selbsttests und medizinische Untersuchungen gleich noch mit anderen Ernährungsweisheiten auf: Dass Weißbrot schlechter sei als Vollkorn, dass in frisch gepresstem Orangensaft mehr Vitamin C vorhanden sei als in abgepacktem, oder dass fettarme Produkte beim Abnehmen helfen.

Der Ernährungs-Check in der Das Erste Mediathek.

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