Nach monatelanger Suche hat die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) eine neue Chefredaktion. Eric Gujer, 52, zuvor Leiter des Auslandressorts, ist mit sofortiger Wirkung zum Chefredakteur ernannt worden. Chefredakteurin im Bereich neue Produkte wird die Österreicherin Anita Zielina, die ihre Stelle im Mai antreten wird. Felix E. Müller, Chefredakteur der NZZ am Sonntag, soll in die Geschäftsleitung des Traditionsblattes aufrücken. Er ist fortan für Magazine und Periodika der NZZ verantwortlich.
Chefredakteur Eric Gujer sagte der SZ, einer der größten Vorteile der neuen Leitungsstruktur sei die ausgewogene Verteilung der Aufgaben. Sein Vorgänger Markus Spillmann habe als Leiter Publizistik und Chefredakteur "zu viele Aufgaben" gehabt. Gujer, der für die NZZ als Korrespondent aus Berlin und Moskau berichtete, sieht vor allem zwei Herausforderungen auf die 1780 gegründete Zeitung zukommen: "Wir müssen digital schneller und besser werden. Zudem stehen wir vor dem Relaunch des Printprodukts. Besonders am Wochenende wollen wir mehr auf die Leser eingehen." Darüber hinaus werde man in den kommenden Monaten neue Produkte auf den Markt bringen. Zielina, die in manchen Medien schon als "Digitalchefin" bezeichnet wurde, sei auch für Printprodukte zuständig. Eine Trennung zwischen Print und Online gebe es nicht, betonte Gujer.
In der Redaktion stieß die Lösung auf positives Feedback. Martin Meyer, Leiter des Feuilletons, sagte: "Das ist eine gute Lösung, mit der sich die NZZ strategisch weiterentwickeln kann." Besonders die digitale Expertise von Anita Zielina könne das Blatt gebrauchen.
Zielina, 34, begann ihre Karriere in der Online-Redaktion der Wiener Zeitung Der Standard. Zielina war zuletzt stellvertretende Chefredakteurin des Stern und dort zuständig für digitale Produkte. Das unsanfte Aus für Chefredakteur Dominik Wichmann nahm sie zum Anlass, zu gehen. Zudem forschte sie an der Stanford University über Userpartizipation und strategisches Innovationsmanagement. Veit Dengler, CEO der NZZ-Mediengruppe, sagte, Zielina stehe für "Kontinuität in unserer Tradition und gleichzeitig für einen Aufbruch zu neuen Ufern."
Eines dieser neuen Unternehmensfelder ist NZZ.at, eine Homepage, mit der die Zeitung seit einigen Wochen in Österreich aktiv ist. Auch eine Ausweitung auf Deutschland sei denkbar, sagte Dengler: "Wir haben eine große Redaktion und mit 4,5 Millionen Deutschschweizern einen kleinen Markt. Deshalb ist für uns der gesamte deutschsprachige Raum interessant." Ein weiterer Teil der neuen Strategie sei es, jedes Quartal ein neues Produkt herauszubringen - etwa das Magazin NZZ Geschichte, das im April starten wird.
Chefredakteur Gujer sagte, dass die NZZ auch auf dem Schweizer Markt, wo sie in den vergangenen Jahren viele Leser verloren hatte, wieder wachsen wolle. Dazu setze man auch in Zukunft auf Qualität und einen bürgerlich-liberalen Standpunkt. Gujers Posten im Auslandressort wird kommissarisch von seinem Stellvertreter Andreas Rüesch übernommen. In dieser Personalfrage sei noch nichts entschieden, sagte Gujer. In den vergangenen Tagen hatte es Spekulationen gegeben, der frühere Chefredakteur Markus Spillmann könnte das Auslandressort übernehmen.