Erhöhung des Rundfunkbeitrags:Frisch umstrittene 86 Cent

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Mehr Geld für den Rundfunk? Darüber streitet die Politik. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Mitte Juni sollen die Ministerpräsidenten einen neuen Staatsvertrag unterzeichnen, mit dem unter anderem der Rundfunkbeitrag steigt. Eigentlich. Denn die Länder sind sich plötzlich uneins.

Von Anika Blatz

Es geht um 86 Cent, aber 86 Cent, die für viel Gesprächsstoff sorgen. Um diesen Betrag soll der Rundfunkbeitrag im nächsten Jahr steigen, von derzeit 17,50 Euro auf 18,36 Euro pro Monat. Das Thema ist seit Jahren emotional, nicht nur für manche Beitragszahler. Aufgeheizt ist die Debatte auch zwischen den zuständigen Ministerpräsidenten und den Rundfunkanstalten. Und noch dazu verschärft die Corona-Pandemie die Verhandlungen.

Die Erhöhung soll vom 1. Januar an gelten und kommt durch eine Empfehlung der Kef zustande, der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten. Für jede Beitragsperiode macht die Kef den Landesparlamenten einen Vorschlag über die Beitragshöhe der nächsten vier Jahre. Im März stimmten 15 Länderchefs der Erhöhung zu. Sachsen-Anhalt enthielt sich.

Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) begründete das damit, dass sein Land von den Anstalten immer wieder Sparanstrengungen gefordert habe, es jedoch keine zufriedenstellenden Angebote gegeben habe. In zwei Schreiben an die Intendanten von ARD, ZDF und Deutschlandradio mahnte er auch an, dass Ostdeutschland zu wenig berücksichtigt werde. Es brauche eine verbindliche Zusage der Rundfunkanstalten zum Sparen, am besten in Form einer Selbstverpflichtungserklärung, findet auch der Chef der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt, Rainer Robra (CDU). Ohne diese sehe man in der Bevölkerung eine schwindende Bereitschaft, die Erhöhung des Beitrags mitzutragen. Und nicht nur den Wählern sei der steigende Beitrag schwer zu vermitteln. Auch viele Abgeordnete - allen voran die der CDU-Landtagsfraktion - hätten Vorbehalte gegen eine Zustimmung. "Die Sparbemühungen gehen nicht weit genug", sagt Markus Kurze, medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt.

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Die Debatte findet mittlerweile in mehreren Ländern statt. Auch die Abgeordneten von Sachsen und Thüringen signalisieren Redebedarf, wenngleich sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zuletzt für eine Zustimmung aussprach. Den neuen Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, der die Beitragshöhe festsetzt, müssten alle Länder unterzeichnen. Unter Sachsens Abgeordneten findet man indes, es sei nicht genug über die Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen gesprochen worden. Das sei wichtig, "um die Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks deutlich zu verbessern und langfristig zu sichern", sagt etwa der medienpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Sachsen, Andreas Nowak. Aus Thüringen heißt es, man sei skeptisch. "Wir denken, dass sich bei den Einsparungen nicht genügend tut, wenn wir die Erhöhung jetzt einfach so durchwinken", sagt Jörg Kellner, medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag. "Der Tanz wird jetzt schon heißer als die letzten Male", findet auch der thüringische Staatssekretär für Medien, Malte Krückels (Die Linke).

Das liegt sicherlich auch daran, dass die AfD im Osten die Debatte mitprägt. Die AfD spricht sich für eine Abschaffung der Beiträge aus. Unionspolitiker aller drei Länder betonen allerdings einhellig, dass sie im Gegensatz zur AfD klar zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk stünden. Man wolle nicht abschaffen, sondern reformieren.

Während man in Ostdeutschland die über Jahre angewachsene Unzufriedenheit kommuniziert, sprechen sich immer mehr Bundesländer für die Erhöhung aus, darunter der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sowie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Rundfunkkommission der Länder, Malu Dreyer (SPD). Gerade während der Corona-Krise nehme der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine "Schlüsselrolle in der Pandemiebewältigung" ein, sagte sie in einem Interview.

Auch Heike Raab (SPD), Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz, versteht die Diskussion nicht: "Die 86 Cent liegen sogar unter der Inflationsrate". Zudem signalisierten die Anstalten ihren Reformwillen. Raab verweist auf ein Schreiben, das die Intendanten und Intendantinnen Anfang März an die Rundfunkkommission gesandt hatten. Darin sprach man sich dafür aus, in Ostdeutschland präsenter zu sein. "Man ist hier meines Erachtens auf das Begehren Sachsen-Anhalts eingegangen, doch scheint das noch nicht zu reichen", sagt Raab. Und eine ARD-Sprecherin verweist darauf, dass der Vorsitzende Tom Buhrow Einsparungen von mehr als einer Milliarde Euro bis 2028 angekündigt hat.

Die Corona-Krise hat die Debatte weiter verschärft: Ist jetzt eine Erhöhung überhaupt zumutbar

Diese Bemühungen bleiben in Sachsen-Anhalt nicht unbeachtet. Was dort aber unangenehm auffiel: Der BR hat das Schreiben an die Rundfunkkommission nicht unterzeichnet. Notwendig wäre das nicht, um die angekündigten Maßnahmen umzusetzen. Sprecher Markus Huber stellt klar, dass es bei der Gegenstimme nicht um die Verhinderung von Gemeinschaftseinrichtungen in den ostdeutschen Bundesländern gehe, sondern um ein klares Signal, ein verfassungsrechtlich vorgegebenes Verfahren einzuhalten. Intendant Ulrich Wilhelm stört sich an der Verknüpfung der politischen Forderung eines Landes mit dessen Zustimmung zur Beitragsanpassung. Hier kommt das Bundesverfassungsgericht ins Spiel: Denn genau ein solches Junktim im Zeitpunkt einer Beitragsentscheidung verbiete das Gericht. Bereits 1994 entschied es, dass die Abgabefestsetzung wegen des Grundsatzes der Staatsferne des Rundfunks frei von medienpolitischer Zwecksetzung erfolgen muss.

Zu dieser ohnehin schon schwierigen Diskussion kommt nun noch die Corona-Krise. Zunehmend wird debattiert, ob der Bevölkerung jetzt eine Erhöhung zumutbar ist. Zwar seien die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Erträge aus Rundfunkbeiträgen derzeit noch nicht absehbar, sagt Christian Gärtner, Sprecher des Beitragsservice, doch es ist davon auszugehen, dass die Arbeitslosigkeit und damit Befreiungen zunehmen. Zudem können manche Unternehmen rückwirkend eine Freistellung von der Beitragspflicht beantragen. Auch deswegen wird es mutmaßlich zu hohen Einbußen kommen. Umso wichtiger sei also eine Anpassung der Beiträge, findet Raab. Der sächsische CDU-Politiker Nowak sieht in der Corona-Krise hingegen gerade einen legitimen Grund, die Zustimmung zur Erhöhung zu versagen.

Alle Länder signalisieren indes, eine Einigung anzustreben. Ein wenig Zeit bleibt noch. Am 17. Juni sollen die Ministerpräsidenten den neuen Vertrag unterzeichnen, im Herbst muss er durch die Parlamente.

© SZ vom 22.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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