Ereigniskanal Phoenix:Buhrows Farbenlehre

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Einer der zwei Chefposten bei Phoenix wird neu besetzt. Gute Chancen hat Helge Fuhst, ein Zögling des WDR-Intendanten.

Von Hans Hoff

Das Besondere am öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem ist die alles umfassende Ordnung. Nicht nur jene, die in Gesetzen beschrieben wird, sondern vor allem jene, die sich in jahrzehntelangem Gebrauch entwickelt hat. Die sogenannte politische Farbenlehre beispielsweise ist nirgendwo notiert, aber in den Sendern und den zugehörigen Landesparlamenten kennt sie jeder. Führt etwa ein "Roter" einen Sender an, so ist es guter Brauch, dass ein "Schwarzer" oder zumindest ein nicht ganz so rot Gefärbter sein Vertreter wird. Dass die Menschen heute weit weniger deutlich "rot" oder "schwarz" sind als früher, ist da schon fast egal. Wichtig ist, dass beide Seiten austariert sind - oder sich zumindest so fühlen.

Sehr schön etwa kann man das bestaunen bei Phoenix, dem Ereignis- und Dokumentationskanal, der gemeinsam von ZDF und ARD geführt wird. Dort ist es eingeführter Brauch, dass das ZDF die Programmgeschäftsführung konservativ bestückt und die ARD durch den WDR einen eher zum linken Spektrum neigenden Kandidaten bestimmt. Aktuell führen die von Mainz entsandte Michaela Kolster und der WDR-Mann Michael Hirz die Geschäfte. Beide geben sich natürlich so neutral, wie es entsprechende Regeln verlangen, aber wer den Sender ein bisschen kennt, sieht doch hier und da immer wieder mal kleine Unterschiede durchschimmern.

Das Gleichgewicht der Kräfte, das tatsächlich mehr für das Selbstbewusstsein der politischen Parteien wichtig ist, als dass es sich im Programm niederschlagen würde, könnte sich nun aber Anfang des kommenden Jahres verschieben. Dann erreicht nämlich Michael Hirz die Pensionsgrenze, weshalb spätestens nach den diesjährigen Sommerferien ein neuer Kandidat bestimmt werden müsste. Das Vorschlagsrecht für den Hirz-Nachfolger liegt beim WDR. Das geht dann so: WDR-Intendant Tom Buhrow schlägt den ARD-Intendanten einen Kandidaten vor, und die Kollegen nicken den Vorschlag dann ab. Das Verfahren gehört zu der in der ARD eingeübten Verteilung der Pfründe, die besagt, welchem Sender welche Position im Verbund zusteht. Dieses Machtgefüge ist in der ARD mindestens so wichtig wie die "Farbenlehre" für die politischen Parteien.

Das alles hat sehr lange sehr reibungslos funktioniert, bevor es im vergangenen Jahr zu einem leichten Murren kam. Als nämlich der NDR-Mann Ingo Zamperoni die Tagesthemen-Moderation übernahm, eine Position, die nach guter Gewohnheit der WDR besetzt, gab es Stimmen in Köln, die Buhrow vorwarfen, leichtfertig Positionen aufzugeben. Nun wird wieder gemurrt über etwas, das Buhrow anzettelt. Denn derzeit sieht alles danach aus, als bringe er auch bei Phoenix das bisherige System aus dem gewohnten Gleichgewicht: Alles deutet daraufhin, dass Helge Fuhst neuer Programmgeschäftsführer werden soll. Und der ist beim besten Willen nicht mit der Farbe Rot in Verbindung zu bringen. Von 2004 bis 2007 war er Vorsitzender der Jungen Union in Cuxhaven und hat 2006 auf der CDU-Liste für die Kreiswahl im Wahlbereich II der Stadt Cuxhaven kandidiert, wurde allerdings in kein Parlament gewählt. In der Partei ist er nicht mehr.

Die Konkurrenz des vom NDR geführten Kanals Tagesschau 24 ist ein Problem für Phoenix

Fuhst hat sich seine Sporen vor allem beim NDR verdient. Im Jahr 2012 wurde er dort Moderations-Redakteur bei den Tagesthemen, arbeitete also eng mit dem damaligen Moderator Buhrow zusammen. Als der 2013 Intendant in Köln wurde, holte er Fuhst als persönlichen Referenten an den Rhein und machte ihn 2015 zum stellvertretenden Leiter der Intendanz. Im Februar 2016 wechselte das Nordlicht dann überraschend zu Phoenix, wurde dort Leiter der Abteilung "Zentrale Aufgaben und Programm-Management" und stellvertretender Programmgeschäftsführer. Dass die Sonne aus Buhrows Gunsthimmel hell auf ihn scheint, darf als Tatsache gewertet werden. Wie Buhrow hat der 1984 in Hannover geborene Fuhst ein Faible für Amerika, wo er länger im Studio Washington wirkte. In seiner Promotionsarbeit analysierte er die erste Amtszeit von Präsident Obama.

Wenn Fuhst Anfang 2018 tatsächlich neben der ZDF-Frau Michaela Kolster in die Phoenix-Spitze aufrückt, übernimmt er kein ganz einfaches Geschäft: Mit mehr Geld für den Kanal (Jahresbudget derzeit 35 Millionen Euro) ist so schnell nicht zu rechnen. Und die Konkurrenz durch den vom NDR geführten Spartenkanal Tagesschau24 ist ein Problem. Der soll offiziell ein Nachrichtenkanal sein, wirkt aber in seiner heutigen Form nur wie eine strategische Frequenzbesetzung, die den Bonnern das Leben schwer macht. Denn wenn Korrespondenten der ARD, neben ihrer Arbeit für das Erste und die Landessender, bei Tagessschau 24 vors Mikrofon getreten sind, haben sie nicht immer große Lust, dasselbe für Phoenix auch noch zu erledigen. Umgekehrt gilt das natürlich genauso.

Sowohl beim NDR als auch beim WDR hat man jedenfalls ein Auge darauf, welche Kräfte walten - und welche Farben wo leuchten: Sei es Rot, Schwarz oder das Blau der Tagesschau.

© SZ vom 21.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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