Equal-Pay-Klage:Der lange Weg zum gleichen Lohn

ZDF-Journalistin Birte Meier

Birte Meier hat den Prozess formal verloren, trotzdem sieht es für ihr Anliegen nun besser aus als vorher.

(Foto: Svea Pietschmann/ ZDF)

Die Journalistin Birte Meier verliert mit ihrer Klage gegen das ZDF vor dem Bundesverfassungsgericht - der Beschluss lässt trotzdem alle Chancen offen.

Von Wolfgang Janisch

Wer glaubt, vor Gericht sei mindestens eines klar, nämlich, ob man gewonnen oder verloren habe, der hat noch nie mit Kammerbeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts zu tun gehabt. An diesem Dienstag hat eine Kammer des Ersten Senats die Verfassungsbeschwerde von Birte Meier abgewiesen, also jener ZDF-Reporterin, die klug und unerschrocken seit Jahren darum kämpft, ebenso entlohnt zu werden wie ihre männlichen Kollegen. Ihre Verfassungsbeschwerde sei unzulässig und werde daher nicht zur Entscheidung angenommen, befand das Gericht. Das klingt nach einer maximalen Niederlage. Doch in Wahrheit verbirgt sich in dem Beschluss ein halber Sieg.

Die "Frontal 21"-Journalistin, die in diesem Sommer zu RTL wechselt, hat einen langen Weg durch die Gerichtsinstanzen hinter sich. Schon 2015 hatte sie - eine anerkannte Investigativjournalistin - recherchiert, dass sie weniger verdiente als ihre männlichen Kollegen. Doch ihre Klage beim Berliner Arbeitsgericht scheiterte. 2017 allerdings trat das Entgelttransparenzgesetz in Kraft, mit dessen Hilfe Frauen Auskunft über die Bezahlung von Männern in vergleichbaren Positionen im Betrieb erhalten können. Das sollte das Werkzeug sein, um das Gender-Pay-Gap sichtbar zu machen - und möglichst zu schließen.

Aber auch das neue Gesetz half ihr zunächst nicht. Das Landesarbeitsgericht hielt Birte Meier - da als sogenannte "feste Freie" beschäftigt - nicht einmal für eine Arbeitnehmerin. Auf Selbständige sei das neue Gesetz aber nicht anwendbar. Zudem wollte das Gericht ihr den Nachweis abverlangen, dass sie nur wegen ihres Geschlechts niedriger entlohnt werde. Anders ausgedrückt: Das Gericht stellte Hürden auf, die kaum zu überwinden sind.

Das Unternehmen muss erklären, warum ein Gehaltsunterschied nichts mit dem Geschlecht zu tun haben soll

Im Jahr 2020 folgte ein erster Durchbruch. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) korrigierte die untere Instanz und gewährte Birte Meier einen Anspruch auf Auskunft über den Verdienst männlicher Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit. Und siehe da, die Auskunft bestätigte die Ahnung der Klägerin: Das mittlere Gehalt vergleichbarer männlicher Kollegen - der sogenannte Medianwert - lag um monatlich 800 Euro über ihrem Gehalt.

Im Jahr darauf fällte das BAG schließlich in einem anderen Verfahren - eine Abteilungsleiterin aus Niedersachsen hatte geklagt - ein Grundsatzurteil, das für alle Equal-Pay-Klagen von großer Relevanz ist. Und zwar deshalb, weil es den Spieß umdreht: Wenn eine solche Auskunftsklage ergibt, dass eine Frau deutlich unter dem Gehaltsniveau vergleichbarer Männer liegt, dann ist es Sache des Unternehmens zu erklären, warum der Unterschied nichts mit dem Geschlecht zu tun haben soll. Die Beweislast liegt also beim Betrieb, und das ist für Klägerinnen in einem solchen Prozess ein unschätzbarer Vorteil. Wenn dem Betrieb kein überzeugendes Argument einfällt, warum er eine Frau schlechter bezahlt als Männer in vergleichbaren Jobs, dann verliert er den Prozess.

Als der Fall nun in Karlsruhe zur Entscheidung anstand, war also schon vieles geklärt, sowohl die Schieflage bei der Bezahlung als auch die Regeln der Beweislast. Mit anderen Worten: Es ist Zeit, die zweite Stufe solcher Klagen zu zünden - den Anspruch auf Nachzahlung der Lohndifferenz. Genau das ist es, was das Bundesverfassungsgericht mehr oder minder deutlich empfiehlt. Die Klägerin könne sie "einen Zahlungsanspruch geltend machen, der jedenfalls nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos wäre". Denn die rechtlichen Einzelheiten seien nun geklärt. "Damit lägen die Voraussetzungen einer Beweislastumkehr vor", schreibt das Gericht. "Die Zahlungsklage könnte daher Erfolg haben. Dass dem andere Gründe entgegenstünden, ist jedenfalls aus den Darlegungen nicht erkennbar."

Die Klage, die Karlsruhe für aussichtsreich hält, haben Birte Meiers Anwälte schon vor mehr als einem halben Jahr beim Arbeitsgericht Berlin erhoben. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die die Klage unterstützt, hält die Worte aus Karlsruhe daher für ein ziemlich positives Signal. "Ihre erneute Klage auf Gleichbezahlung hält das Bundesverfassungsgericht für erfolgversprechend; dies ist ein deutlicher Wink an die Arbeitsgerichte", sagte Nora Markard, Vorstandsmitglied der GFF.

Und warum hat Karlsruhe nicht gleich selbst entschieden? Das hat mit Arbeitsteilung zu tun. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet über das Grundgesetz, etwa über den Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt". Aber wer am Ende wie viel an wen zu zahlen hat und wie komplizierte Regeln der Beweislast auszusehen haben - das ist Sache der Arbeitsgerichte. Auf dem Weg bis zu einem endgültigen Sieg von Birte Meier können zwar noch ein paar prozessuale Fußangeln liegen. Aber mit der Empfehlung aus Karlsruhe sieht es ganz gut aus.

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