Ende von DVB-T:Bilder vom Berg

Auf dem Wendelstein befindet sich seit Anfang der Fünfzigerjahre der höchstgelegene Standort zur Übertragung terrestrischer TV- und Radiosignale. Ein Besuch an dem Ort, vom dem aus die neuen Antennen nun in die Wohnzimmer senden.

Von David Denk

Über Deutschlands höchstgelegene Kirche hinweg fällt der Blick aus dem Fenster des Überwachungsraums in die noch schneebedeckten bayerischen und österreichischen Alpen. Die Aussicht ist spektakulär. Und was sagt Michael Kaunzinger? "Das sagen immer alle." Er selbst sehe das gar nicht mehr, nach 25 Jahren auf dem Wendelstein.

Hier oben, auf etwa 1750 Metern, knapp 100 Meter unterhalb des Gipfels, befindet sich mit dem Sender Wendelstein seit Anfang der Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts der höchstgelegene Standort zur Übertragung terrestrischer TV- und Radiosignale, weithin zu erkennen am 61 Meter hohen rot-weißen Antennenmast. Kaunzingers Verhältnis zu den wandfüllenden Flachbildschirmen ist nüchtern geworden: "Früher, als Kind, war das ein Traum, den ganzen Tag fernsehen." Heute ist das anders: Was dort läuft - links die Öffentlich-Rechtlichen, rechts die Privaten, vier in einer Reihe, in der Mitte groß der BR -, nimmt Kaunzinger gar nicht mehr wahr; als Stationsleiter der rund um die Uhr besetzten zentralen Überwachungs- und Störungsstelle für das BR-Sendernetz wird er hellwach, wenn ein Sender ausfällt. Auch die BR-Auslandsstudios haben sie von hier aus im Blick.

DVB-T2 ist viel leiser als UKW. Die Anlagen werden mit Wasser gekühlt statt mit Luft

Die Aufmerksamkeit von Kaunzingers Team wird auch in der Nacht auf den 29. März gefordert sein: Wenn das digitale Antennenfernsehen DVB-T vom neuen Standard DVB-T2 HD abgelöst wird, werden auf dem Wendelstein und nach und nach an den anderen Standorten die neuen Sendeanlagen auf ihre Kanäle aufgeschaltet, also nach einem Testbetrieb endgültig in Betrieb genommen - und die alten nach gerade mal zwölf Jahren stillgelegt. Im Technikraum nebenan lassen sich die in mannshohen Gestellen untergebrachten Sender besichtigen, die optisch entfernt an Teile einer Stereoanlagen erinnern. Laut ist es dort, wegen der Luftkühlung der UKW-Sender; die DVB-T2-Anlagen sind wassergekühlt und daher mucksmäuschenstill.

Um das stärker komprimierte HEVC- Signal (High Efficiency Video Coding), das von hier aus Südbayern versorgt, zu Hause auch empfangen zu können, wird ein neuer Receiver benötigt - entweder als Set-Top-Box oder integriert in einen Fernseher mit dem grünen DVB-T2-HD-Logo. Immerhin: Die bisher verwendeten Zimmer-, Außen- oder Dachantennen können in der Regel weiterverwendet werden. Zusätzliche Kosten in Höhe von 69 Euro pro Jahr und Gerät (nicht pro Haushalt) entstehen durch die Verschlüsselung der Privatsender. Etwa 40 Programme sollen in dicht besiedelten Regionen empfangbar sein - in ländlichen weniger, teilweise nur die Öffentlich-Rechtlichen (siehe "Luft nach oben"). Für viele Zuschauer kommt die Veränderung erst deutlich später, bis Mitte 2019 soll die Umstellung im ganzen Land abgeschlossen sein.

An den Füßen trägt der Stationsleiter praktische Slipper - mehr Haus- als Straßenschuh. Er ist zum Arbeiten hier, Spaziergänge überlässt er den Touristen. Jeweils sieben Tage am Stück verbringt der Münchner auf dem Wendelstein, dann hat er eine Woche frei. Offiziell herrscht Dreischichtbetrieb, aber: "Richtig Feierabend habe ich hier oben nie." Da geht es ihm wie Polarforschern oder Astronauten. Kaunzinger könnte sich auf sein Zimmer zurückziehen, tut er aber selten. Irgendwas ist immer zu tun. "Das ist schon ein besonderer Arbeitsplatz", sagt er und meint damit immer noch nicht die Aussicht.

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