Süddeutsche Zeitung

Ende der Talkshow:Fünf Jauch-Momente, die im Gedächtnis bleiben

Günther Jauchs Talk sorgte vor allem dann für Gesprächsstoff, wenn vieles nicht so lief wie geplant.

Von Carolin Gasteiger

Günther Jauch hört auf. Dabei war ihm mit seinem Sendeplatz am Sonntagabend nach dem Tatort die Aufmerksamkeit von Millionen von Zuschauern sicher. Ihm - und seinen Gästen. Manche wussten das durchaus für sich zu nutzen. Fünf Sendungen, die nicht ganz so liefen wie vorhergesehen.

Die Schweigeminute, April 2015

Harald Höppner lässt sich einfach nicht abwimmeln. Günther Jauch versucht verzweifelt, die Schweigeminute zu verhindern. Vergeblich. "Herr Jauch, Deutschland sollte eine Minute Zeit haben, um dieser Menschen zu gedenken," wehrt Höppner gelassen ab und entkräftet mit diesem einen Satz jedes Contra-Argument.

In der Sendung im April geht es um das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer. Im Publikum sitzend, erzählt Höppner Jauch von seinem Vorhaben, mit einem eigenen Segelboot Menschen zu retten. Plötzlich springt er auf, läuft aufs Podium und fordert alle Anwesenden zur Schweigeminute für die toten Flüchtlinge auf. Zögerlich erheben sich die Talkgäste, die in dem Moment selbst nicht recht wissen, wie ihnen geschieht. Aber Höppner hat sein Ziel erreicht - der Moderator konnte sich dessen starken Willen nicht beugen.

Varoufakis und der Mittelfinger, März 2015

"Die Krise hat natürlich in Griechenland begonnen, weil wir Teil der Ursache waren." Anfangs gibt sich Yanis Varoufakis bei Günther Jauch noch schuldbewusst. Aber dann kommt das Video. DAS Video. In dem Einspieler ist der griechische Finanzminister auf einer Konferenz in Zagreb von 2013 zu sehen, als er einen Vortrag erhält. Und an dessen Ende er den Mittelfinger zeigt. Alles gefälscht, versicherte Varoufakis. Und Jauch versprach, das Video von seiner Redaktion prüfen zu lassen. Allerdings rechnet er zu dem Zeitpunkt noch nicht mit Jan Böhmermann.

Als ganz Fernseh-Deutschland sich über den dreisten Varoufakis ereifert, dreht der ZDF-Mann die Debatte geschickt weiter und behauptet, er habe das Mittelfinger-Video aus der Talkshow manipuliert. Ob gefälscht oder nicht, für die Jauch-Redaktion ist es jedenfalls peinlich. In seiner nächsten Sendung erwähnt Jauch Mittelfinger-Gate übrigens mit keinem Wort, sondern widmet sich nonchalant der Equal-Pay-Debatte.

Einer, der stört, Mai 2012

Die Sendung zu den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist schon fast zu Ende, als ein unangekündigter Gast das Podium stürmt. Aus dem Off sind Geräusche eines Handgemenges zu hören, dann zeigt die Kamera, wie Studiomitarbeiter den Mann hinaustragen. Aber Jauch will das nicht unkommentiert stehen lassen: "Holen Sie den Mann bitte zurück, hier wird keiner einfach aus der Sendung wie in der Ukraine rausgehauen." Der Störenfried wollte auf die ungewisse Zukunft der Ernst-Busch-Schauspielschule in Berlin hinweisen. Auf eine weitere Störung zwei Jahre später reagiert Jauch dann ziemlich gelassen. Als ein Mann in der Sendung zum Fall Hoeneß auf die Bühne läuft und "Freiheit" ruft, lässt sich Jauch nicht aus der Ruhe bringen. So etwas komme ja häufiger vor, sagt er. Am Ende der Sendung erklärt er, der Mann habe private Probleme und verabschiedet sich bis zum darauffolgenden Sonntag von den Zuschauern: "... dann hoffentlich störungsfrei."

Aber nicht nur Unbekannte bescheren der Sendung unerwartete Wendungen. Auch Talkgäste selbst sorgen bei Jauch für Aufsehen. Ob aus eigenem Verdienst oder durch das unbeholfene Verhalten des Moderators.

Imam Abdul Adhim Kamouss, Oktober 2014

Manche Talkgäste werden selbst als Störer empfunden - zumindest als störend. Abdul Adhim Kamouss soll im Oktober 2014 bei Jauch erläutern, wie es um "unsere Muslime" steht. Aber statt sich als Salafist zu bekennen, redet sich der Imam aus der Berliner Al Nur-Moschee in Berlin heraus. Und redet, redet, redet.

Stichhaltige Argumente prallen an dem geübten Prediger ab, der die Mechanismen der Talkshow durchschaut hat. Niemand kann Kamouss Paroli bieten, am wenigsten der Moderator selbst. Anstatt das Thema gründlich zu erörtern, bot Jauch seinem Talkgast einfach nur eine Bühne.

Natascha Kampusch, Februar 2013

In "intimer Atmosphäre" - also im Vier-Augen-Gespräch und mit Kameraführung einzig auf sie und den Moderator gerichtet - sollte Natascha Kampusch im Februar 2013 erzählen, wie sie das Leben nach ihrer acht Jahre langen Gefangenschaft meistere.

Aber einfühlsam verhält Günther Jauch sich nicht, vielmehr setzt er die Boulevard-Brille auf, konfrontiert Kampusch mit Negativ-Aussagen über sie und nimmt so eine fast vorwurfsvolle Haltung ihr gegenüber ein. Nicht nur die Zuschauer reagieren irritiert, besonders für Kampusch selbst wird die Talkshow zur Tortur.

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