Medienkolumne "Abspann" zu Wellmer und Schweinsteiger:"Bereuen Sie was?"

Bastian SCHWEINSTEIGER (Fussballexperte der ARD) mit Moderatorin Jessy WELLMER. Achtelfinale, Spiel M44, England (ENG) -

"Wat sachste, Basti": Auf diesem Niveau moderiert Jessy Wellmer die EM im Ersten zusammen mit Bastian Schweinsteiger.

(Foto: Frank Hoermann/imago images/Sven Simon)

Wie sich Jessy Wellmer, Bastian Schweinsteiger und Jogi Löw beim Interview nach dem deutschen EM-Aus verzetteln.

Von Holger Gertz

Die ARD-Sportjournalistin Jessy Wellmer hat sich eine Art der Moderation angeeignet, die man mit dem etwas angestaubten Begriff kumpelig am treffendsten beschreiben kann. "Wat sachste, Basti" - das ist so ungefähr die Gefühls- und Gesprächsebene, auf der sie sich bei dieser Europameisterschaft mit ihrem Co-Moderator Bastian Schweinsteiger durchgehend bewegt.

Gemeinsam Fußball kucken, und dann gemeinsam ein bisschen rumlabern, wie bei Ina Müller in der Kneipe. Wobei, Achtung: Deren herausfordernde Kumpeligkeit ist eine Kunstform. Wellmers Kumpeligkeit ist dagegen der Versuch, die eigene Marke zu stärken und den bräsigen Schweinsteiger irgendwie mitzunehmen, der ein sehr großer Fußballer war und danach unter anderem Testimonial für Kartoffelchips. Wenn er über Fußball spricht, ist er kaum imstande, etwas zu erklären, was nicht jeder selbst sehen würde. Der Weltklassefußballer Schweinsteiger spricht über Fußball wie der Kartoffelchips-Fan Schweini, es ist wirklich ein Phänomen.

Man hätte über vieles reden können, vor allem über den richtigen Zeitpunkt fürs Adieu

Das inzwischen viel debattierte letzte Interview mit Bundestrainer Löw nach dem Achtelfinal-Aus am Dienstag gegen England war insofern erhellend, als sowohl Wellmer und Schweinsteiger komplett an ihre Grenzen gerieten. Löw ist schwierig zu interviewen, er ist Weltmeistertrainer seit 2014, mehr kann man als Coach nicht erreichen. Seitdem klingt bei ihm diese Attitüde der Unberührbarkeit durch, er wirkt nicht auf die platte Art arrogant wie der späte Kohl, aber auch Löw schwebt, ist schwer greifbar, wenn auch auf charmante Weise. Er hat im letzten Spiel nicht gut aufgestellt, vielleicht war er auch innerlich nicht mehr richtig eingestellt, über all das hätte man reden können, vor allem über den richtigen Zeitpunkt fürs Adieu. Wenn man den nämlich verpasst, wird's bitter, manchmal auch tragisch: Löw ist das beste Beispiel.

Jessy Wellmer versuchte es erst mal mit einem gewohnt herzhaften Griff in den Floskelsack: "Wie sacht man - Ende gut, alles gut?" Steuerte dann hilflos nach: "Oder Ende gut - nich alles gut?" Und als sie spürte, dass sie mit Kumpeligkeit nicht weiterkommt, und weil sie aber nichts anderes im Repertoire hatte, gab sie die Kontrolle über das Gespräch bald auf und flackerte unkonkret ins Blaue: "Bereuen Sie was?" Da wurde sogar der befragte Löw konkreter (hübscher Move übrigens) und fragte zurück: "Was?" Bis der auch rhetorisch überforderte Schweini irgendwann zusammenfasste: "Die Leistung, die Joachim Löw geleistet hat für die Nationalmannschaft, ist sensationell."

Man kann sich nun erregen über so ein Gespräch, man kann aber auch Erkenntnisse daraus ziehen. Der Weltmeistertrainer Löw war nicht der richtige Mann für die Erneuerung der Nationalmannschaft. Der Weltmeisterspieler Schweinsteiger ist nicht der richtige Mann als Experte. Die Journalistin Wellmer ist weder Weltmeisterin noch ist sie die angemessen zupackende Field-Reporterin. In ihrer Talkreihe Sportschau Thema ist sie jedenfalls viel besser. Und damit zurück zum Spiel.

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