Süddeutsche Zeitung

Eklat um falsches Chavez-Foto:"Schändliche Seite des weltweiten Journalismus"

Es schien ein Scoop für "El País": Ein aktuelles Foto von Venezuelas krebskrankem Präsidenten Hugo Chavez auf der Titelseite. Allerdings zeigt das Bild einen Anderen - die spanische Zeitung ist blamiert. Venezuela wittert eine Verschwörung und droht rechtliche Schritte an.

Ein Foto auf der Titelseite der Donnerstagsausgabe von El País, das den krebskranken Hugo Chávez zeigen sollte, hat die renommierte spanische Zeitung blamiert und für einen Eklat mit der Regierung von Venezuela gesorgt.

Auf dem großabgedruckten Foto am war ein Mann - offenbar auf einem Operationstisch - zu sehen, mit rasiertem Kopf und einem Intubationsschlauch im Mund. In der Betextung hieß es, es handle sich um Chávez, die Überschrift des Artikels versprach "das Geheimnis" um den Zustand des Präsidenten zu enthüllen.

Ein Fehler, wie sich herausstellte, denn das Bild zeigt einen anderen Mann. El País musste sich für die Veröffentlichung des angeblichen Exklusivfotos von Chávez in seinem Krankenbett entschuldigen. Nach Entdeckung des Fehlers wurde nach Angaben der Zeitung die Auslieferung der bereits gedruckten Exemplare gestoppt. Die Zeitung löschte das Foto in ihrer Online-Ausgabe und ließ eine neue Papierausgabe drucken. Dies hatte zur Folge, dass das Blatt verspätet ausgeliefert wurde und vielerorts am Morgen nicht zu haben war.

Später teilte das renommierte Blatt in seiner Online-Ausgabe mit, dass nach Angaben der Agentur Gtres Online, von der es das Foto erwarb, eine kubanische Krankenschwester das Bild aufnahm. Diese habe das Bild ihrer in Spanien lebenden Schwester übermittelt.

Chávez hält sich seit Dezember zum wiederholten Mal zur Krebsbehandlung in Kuba auf. Sein letzter öffentlicher Auftritt war am 10. Dezember, seinen Amtseid konnte der im Oktober für weitere sechs Jahre wiedergewählte Staatschef nicht wie geplant am 10. Januar ablegen. Über den aktuellen Gesundheitszustand des linkspopulistischen Staatschefs wurde offiziell kaum etwas bekannt, so dass seit Wochen in Venezuela und anderen lateinamerikanischen Staaten zahlreiche Spekulationen und Gerüchte zirkulieren.

Der Chefredakteur von El Mundo, dem Konkurrenzblatt von El País, berichtete bei Twitter, "eine Agentur" habe auch ihm das Foto für 30.000 Euro angeboten. Er aber habe abgelehnt. Nach Angaben des venezolanischen Informations- und Kommunikationsministers Ernesto Villegas stammt die Aufnahme aus einem im August 2008 ins Internet gestellten YouTube-Video über einen chirurgischen Eingriff an einem intubierten Patienten.

Die Regierung in Caracas hat mittlerweile rechtliche Schritte gegen die spanische Zeitung El País angekündigt. Mit der "mageren Entschuldigung" der Verlagsleitung vom Donnerstag sei es nicht getan, erklärte Villegas.

Das Foto habe nicht nur dem Präsidenten, sondern auch der venezolanischen Gesellschaft "Schaden zugefügt". Caracas bezeichnete die Veröffentlichung als "fahrlässige Aktion", die in die Geschichte als "schändliche Seite des weltweiten Journalismus" eingehen werde. Sie sei zudem Ausdruck einer "systematischen Offensive der transnationalen Medienmacht gegen die bolivarianische Revolution und den Kommandanten Chávez".

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