EinsExtra heißt jetzt Tagesschau24:Stiller Kampf ums Überleben

Es geht um viel, aber sicherlich nicht um Geschmacksfragen. EinsExtra, der digitale Nachrichtenkanal der ARD, wird in Tagesschau24 umbenannt. Eine Strategie-Aktion, die nicht zufällig genau jetzt kommt: Die sechs digitalen Programme der Öffentlich-Rechtlichen kämpfen um ihren Bestand, das Rattenrennen hat begonnen.

Claudia Tieschky

Bei der Neuigkeit, die der NDR an diesem Donnerstag ankündigte, geht es um viel - aber ganz sicher nicht um Geschmacksfragen, wie man meinen könnte. Der digitale Nachrichtenkanal der ARD soll künftig nicht mehr EinsExtra heißen, sondern Tagesschau24. Das teilten NDR-Intendant Lutz Marmor und Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD aktuell, mit. Beide sind zuständig für den Spartensender, weil ARD aktuell in Hamburg, die Nachrichtenzentrale des Ersten, auch den Digitalkanal bespielt. Der heißt von 1. Mai an anders, inhaltlich wird sich nichts ändern. Tagesschau24 ist eine Strategie-Aktion.

EinsExtra heißt jetzt tagesschau24

Der neue Name von EinsExtra, tagesschau24, kann sich als überlebenswichtig für den Nachrichtensender erweisen.

(Foto: dpa)

Sie kommt nicht zufällig gerade jetzt. Für die sechs Digitalkanäle von ARD und ZDF geht es in den kommenden Monaten um alles oder nichts. Die Politik drängt die Anstalten zum Rückbau, nicht alle digitalen Programme werden den nächsten Staatsvertrag überleben. Es ist ein stiller Kampf in minimalen Zuschauerbereichen; doch gerade jetzt werden die digitalen Sender sichtbarer, die einst im analogen Zeitalter sozusagen halb im Verborgenen anfingen - und damals durften ARD/ZDF mit freundlicher Erlaubnis der Politik überall dabei sein. Am 30. April endet das analoge Satellitensignal; viele Haushalte haben auf digital umgestellt und können jetzt die sechs Spartenkanäle sehen: Tagesschau24, Eins Festival, Eins Plus sowie ZDF neo, ZDF kultur und ZDF info.

Nun hat ein Rattenrennen darüber begonnen, wer bleibt. Es dürfte auch ARD-intern die Rivalitäten beleben. Wie es heißt, erwarten die Länder von den Anstalten rasch eigene Vorschläge, wie die Zahl der digitalen Sender kleiner werden kann. Falls die Selbstabschaffung nicht gelingt, werden die Länder wohl entscheiden.

Die Planspiele in der Rundfunkkommission der Länder sind je nach politischer Couleur unterschiedlich. Von SPD-Seite gibt es die Vorstellung, ARD und ZDF sollten beide digitalen Infokanäle sowie den Kulturkanal aufgeben und einen gemeinsamen Jugendkanal betreiben. Ein Rechtsgutachten, das die Unions-Seite 2010 erstellen ließ, hält die Beschränkung etwa auf ZDF neo, ZDF kultur und Eins Plus für verfassungsrechtlich vertretbar.

Angesichts der Lage macht es sich jedenfalls gut, wenn man bleibende Werte für sich reklamieren kann. In dem Zusammenhang muss man es verstehen, wenn ARD-aktuell-Chef Gniffke erklärt: "Wir ändern den Namen, damit jedem klar ist, dass hier Tagesschau-Nachrichten gezeigt werden". Und NDR-Intendant Marmor findet, der Name Tagesschau24 zeige, dass es "dabei um den Kern unseres Auftrags geht - die Information". Das dürfte an die Adresse der Politik gesprochen sein.

"Deutlich flexibler"

Auch sonst wirbt Marmor gerade kräftig für den Kanal, der alle 15 Minuten Nachrichten bringt und laut NDR täglich rund 700.000 Zuschauer interessiert. In einem aktuellen Beitrag für den Fachdienst epd erklärt Marmor, der Infokanal habe das Erste in Krisenzeiten "deutlich flexibler und reaktionsfähiger gemacht".

5,9 Millionen Euro im Jahr, von denen der NDR 2,8 Millionen Euro trägt, hält er für ein "überschaubares Budget". Dass es längst um ein Abwehrgefecht geht, erkennt man, wenn Marmor eine mögliche Abschaffung des Kanals offen anspricht: die würde die ARD "inhaltlich und aktuell erheblich schwächen, ohne substanziell Geld und Personal einzusparen".

Die ARD plant zudem eine junge Mediathek

ARD-intern konkurriert Marmors Sender mit dem vom SWR verantworteten Eins Plus (0,3 Prozent Marktanteil), den Intendant Peter Boudgoust derzeit zum - politisch erwünschten - Jugendkanal ausbaut, den die ARD offiziell gar nicht will. Programmchef Alexander von Harling geht trotzdem davon aus, dass "viele der bisherigen Zuschauer ihre Interessen im neuen Programm am Abend nicht mehr finden, da sich dies ausdrücklich an die junge Zielgruppe zwischen 14 und 29 Jahren richtet".

Jugendliche Zielgruppe

Als Existenzberechtigung ist Jugend ein überzeugendes Argument. Auch WDR-Chefin Monika Piel, die derzeit den ARD-Vorsitz führt, bringt es jetzt gern in Anschlag. Piels Anstalt verantwortet den dritten Digitalkanal, Eins Festival (0,4 Prozent Marktanteil), der zwar per Gesetz ein junges Publikum ansprechen soll, dessen Ausbau aber bislang an den Finanzen stockte. Zudem plant die ARD eine junge Mediathek. Da kommt viel zusammen, was vielleicht auch zusammengehört.

Die WDR-Chefin will gemeinsam mit Boudgoust Gespräche mit den Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und Stanislaw Tillich (CDU) führen. "Es gibt ein Konzept", sagte sie am Mittwoch nach der Intendantentagung in Frankfurt. Welches, sagte sie nicht, aber der WDR wird dabei sicher keine kleine Rolle spielen.

Konsequenter als die ARD hat jedenfalls das ZDF seine Digitalkanäle ausgebaut. Auch davon wird kaum alles bleiben, aber das Projekt war Mainz so wichtig, dass man dafür Personalvorgaben der Gebührenkommission Kef schlicht ignorierte - was nun zu Stellenstreichungen und Entlassungen führt. Nach dem jungen Kanal ZDF neo (0,5 Prozent) wurden der noch jüngere Sender ZDF kultur (0,1 Prozent) und der Nachrichtensender ZDF info (0,3 Prozent) zu prägnanten Marken.

In Mainz haben sie übrigens allen Digitalsendern beim Ausbau erst mal neue Namen gegeben.

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