Vor bald vier Jahren wurde die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia durch eine Autobombe getötet. Die 53-jährige Journalistin war eine Berühmtheit auf der Mittelmeerinsel, von allen nur Daphne genannt, eine, die sich mit den unermüdlichen Berichten auf ihrem Blog viele Feinde machte. Sie kritisierte Politiker und recherchierte zu Korruption und Geldwäsche. Der Mord an ihr im Oktober 2017 war der traurige Schlusspunkt endloser Gängelungen und Bedrohungen, denen die Journalistin ausgesetzt war.
1996 brannte der Fußabstreifer vor ihrer Haustür, dann lag dort einer ihrer Hunde mit durchgeschnittener Kehle. 2006 rollten Unbekannte nachts Lastwagenreifen an die Hauswand und setzten sie in Brand. Fast schon nebensächlich erscheinen da die zahlreichen juristischen Angriffe, mit denen sich Daphne Caruana Galizia herumschlug. Mehr als 50 sogenannte SLAPPs seien gegen die maltesische Journalistin zum Zeitpunkt ihres Todes anhängig gewesen, erklärt die maltesische EU-Abgeordnete Roberta Metsola. Mit SLAPPs sind missbräuchliche Einschüchterungsklagen gemeint, ein Akronym für: "strategic lawsuits against public participation".
Im EU-Parlament formiert sich derzeit eine Initiative gegen solche missbräuchliche Klagen, die nichts anderem als der Einschüchterung von Journalisten oder zivilgesellschaftlichen Organisationen dienen. Mit einem Anti-SLAPP-Bericht wollen die Abgeordneten, unter ihnen die Malteserin Roberta Metsola (EVP) und der sozialdemokratische Abgeordnete Tiemo Wölken aus Deutschland, Druck auf die EU-Kommission erzeugen und schließlich einen Rechtsakt gegen diese Klagen auf europäischer Ebene erwirken.
Missbräuchliche Klagen sollen zermürben - finanziell und psychologisch
Konkret geht es bei SLAPPS um den Missbrauch des Rechtssystems, um Journalisten zum Schweigen zu bringen. Das Ziel von Organisationen oder Individuen, die solche Klagen vorantreiben, ist weniger juristisch zu gewinnen, als vielmehr strategisch zu zermürben. Sowohl finanziell als auch psychologisch - um so schließlich den Fluss bestimmter Informationen zu unterbinden. Wölken spricht von "juristischer Belästigung". Dass Journalistinnen und Journalisten und NGOs in Europa unter dieser Bedrohung arbeiteten, mache ihn "wütend und traurig".
Als Beispiel für ein missbräuchliches Gerichtsverfahren, das weitere Öffentlichkeit für ein Thema unterbinden soll, gilt für Wölken etwa der Fall des Umweltinstituts München. Der aktivistische Verein unterstützt medial Bewohner einer Gemeinde in Südtirol, die sich für einen pestizidfreien Obstanbau einsetzen, und startete unter anderem eine Anzeigenkampagne. Die Landesregierung Südtirol verklagte den Verein wegen übler Nachrede.
Doch genau zu definieren, was eine missbräuchliche SLAPP-Klage und was eine legitime Klage gegen Berichterstattung ist, etwa wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten, sei nicht ganz einfach, gibt Wölken zu. Einig sei man sich aber, dass es Bedarf gibt zu handeln, gegen ein zunehmend feindlicheres Klima für Journalismus und Nichtregierungsorganisationen in Europa. Schon im November verabschiedete das EU-Parlament eine Entschließung, in der die Abgeordneten den Einsatz missbräuchlicher Klagen verurteilen, und forderten einen entsprechenden Legislativvorschlag. Dieser soll nun erarbeitet werden und im Herbst bereit zur Abstimmung im EU-Parlament sein.
"Ján Kuciak hätte gerettet werden können."
Damit formiert sich dort eine Reaktion auf die langjährige Kritik über fehlenden Schutz der Pressefreiheit in Europa. Als 2018 auch in der Slowakei ein Investigativjournalist starb, der 27-jährige Ján Kuciak, der zusammen mit seiner Verlobten in Bratislava erschossen wurde, machte der Sohn von Daphne Caruana Galizia der EU schwere Vorwürfe. "Meine Familie hat die EU-Kommission gewarnt, dass Malta mit der Ermordung meiner Mutter Daphne Caruana Galizia einen neuen Standard für zulässiges Verhalten innerhalb der EU gesetzt hat und andere bald sterben würden, wenn nicht entschiedene Maßnahmen ergriffen werden", schrieb er auf Twitter. "Ján Kuciak hätte gerettet werden können."
Kampagnen der Einschüchterung gegen einzelne Personen und Medien müssten in Zukunft verhindert werden. "Europa muss mit denen stehen, die die Wahrheit suchen, und wir müssen unsere Werte schützen", so die maltesische Abgeordnete Roberta Metsola. Man müsse sicherstellen, dass das, was in Malta und in der Slowakei passierte, sich nicht wiederholt. Denn auch wenn die juristische Einschüchterung nur ein Teil des Missbrauchs sei, den Journalisten erleben, so habe man hier die Möglichkeit, einen in der ganzen EU gültigen Mindeststandard für den Schutz von Informations- und Meinungsfreiheit zu setzen.
Im Juli übernimmt zunächst aber Slowenien die EU-Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr. Als der slowenische Ministerpräsident Janez Janša im März in Brüssel zur Pressefreiheit in seinem Land Rede und Antwort stehen sollte, sorgte er für einen Eklat, indem er das Gespräch kurzerhand abbrach. Die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Senders des Landes kritisiert Janša im Stile Trumps öffentlich als "Lügenberichterstattung", er fordert die Absetzung des Direktors der Nachrichtenagentur STA und nicht zuletzt: strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn.