Nachtkritik: "Germany's Next Topmodel":Peitsche und Glückskeks

Das Topmodel-Casting auf Pro 7 wird immer mehr zur "Challenge" für den Zuschauer: Erst gibt es Affentheater, dann Zickenkrieg - also alles, nur nichts Neues.

Jochen Temsch

Es dauert keine vier Minuten Sendezeit, und das Geätze der Topmodel-Kandidatinnen gegen ihr Lieblings-Hassobjekt Rebecca ist in vollem Gang. Hat sich die schwarzhaarige Schönheit doch tatsächlich erdreistet, die Posen eines anderen wandelnden Kleiderständers vor der Kamera zu kopieren. Vordergründig geht es bei dieser ersten "Challenge" an einem Swimmingpool in Los Angeles darum, einen Schimpansen namens Kenzy zu bezirzen. In Wahrheit ist es die Exposition des routiniert inszenierten Zicken-Dramas: Alle gegen eine. Willkommen bei einer neuen Folge von Germany's next Kindergarten. Eine besonders schöne Szene: Wie die Sehr-schlechter-Charakter-Darstellerin Anna Lena den Affen küssen muss - und dieser kurz vorher noch an seinem Fuß herumlutscht.

Heidi Klum moderiert MTV Awards Frankfurt 2012

Die sechste Staffel von Germany's Next Topmodel  ist wenig mehr als eine Mixtur aus Gegacker, fiesem Herumgehacke und Gaga-Fotosessions.

(Foto: dpa)

Schade nur, dass Giftspritze Tahnee ihre Ankündigung nicht sofort wahrmacht und in ein Land auswandert, in dem man Primaten heiraten kann, weil sie Männer so blöd findet. Stattdessen gibt sie wie ihre Konkurrentinnen weiterhin ihr Bestes, die eigentliche Herausforderung dieser Show zu meistern: Sich mit möglichst fiesem Geläster in den Vordergrund zu spielen. Wer langweilt, fliegt. Die Laufsteg-Anwärterinnen haben sich an den zig vorangegangenen Topmodel-Sendungen geschult und wissen genau, was von ihnen erwartet wird.

Doch die Mixtur aus Gegacker, fiesem Herumgehacke und Gaga-Fotosessions in nunmehr bereits fortgeschrittener sechster Staffel von Germany's Next Topmodel wirkt inzwischen so ausgedünnt wie zu oft auftoupiertes Haar. Selbst das von den Mädchen gefürchtete "Umstyling" hat seinen Reiz verloren. Wenn eins der Sensibelchen weint, weil ihr ein herzloser Frisör mindestens fünf Zentimeter vom Pony abnimmt, möchte man sich nicht einmal mehr fremdschämen.

Pingpong-Schläger auf den Hintern

Das rituelle erotische Betthupferl jeder Folge - dieses Mal ein Foto-Shooting mit Ellen von Unwerth, Reizwäsche, Sexspielzeug und einem Muskelprotz - gerinnt zu unfreiwilliger Komik. Die eine Kandidatin beklagt sich, dass der für sie vorgesehene Stofffetzen im Leopardenmuster und Briefmarkenformat aussieht wie ein Sack ("Die anderen sind viel geiler angezogen!"), die andere haut zu sehr mit einer Peitsche zu, und zwischendrin wird ganz bieder ausdiskutiert, wie okay es ist, einen Job zu machen, bei dem man einem Model-Mann mit einem Pingpong-Schläger auf den Hintern klopfen muss, wenn man zu Hause einen Freund sitzen hat. In solchen Szenen kriegt die Show doch immer wieder leicht schlingernd die Kurve zwischen Softporno-Ästhetik und bürgerlicher Moral.

Wenigstens hält sich Heidi Klum mit Glückskeks-Sprüchen über "Attitude" und "Personality" halbwegs zurück. Nur einmal muss sie ganz böse werden, als es um ein Handy geht, das eines der Mädchen verbotenerweise nicht abgegeben hat: Vertrauen, erfährt man da, ist wie eine zerbrochene Vase - man kann sie zusammenkleben, aber man weiß dennoch, dass sie zu Bruch gegangen ist.

Auf Germany's Next Topmodel ist jedenfalls Verlass. Es ist und bleibt eine Feier von Voyeurismus, Schadenfreude und Oberflächlichkeit. Und der Schimpanse, der war richtig gut.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: