Einst machten Männer Geschichte, manche sogar Fernsehgeschichte. Eckart Stein war einer davon. Er ist, wie erst jetzt bekannt wurde, am 17. September im Alter von 84 Jahren in Mainz gestorben. Von Rechts wegen müssten sich jetzt in seinem Namen seine Förderkinder allesamt versammeln und ihren Padrone noch einmal hochleben lassen. Rosa von Praunheim, Jim Jarmusch, Edgar Reitz, Elfi Mikesch, Alexander Kluge, Christian Petzold, Tom Tykwer, Wolfgang Petersen. Viele, denen er mit gutem, ehrlichem Gebührengeld auf die Beine geholfen hat, leben selber schon nicht mehr: Rainer Werner Fassbinder, Derek Jarman, Theo Angelopoulos.
Ein Vierteljahrhundert, von 1975 an, durch die ganze bleierne Schmidt-Kohl-Ära, leitete Stein "Das kleine Fernsehspiel", das sich unter seiner Führung und mit kleinem Etat etwas mehr erlauben durfte, als der ZDF-Fernsehrat und aufstrebende Fernsehkritiker wie Edmund Stoiber sonst für sendefähig hielten. Stein kam vom Theater, er war Dramaturg am Münchner Residenztheater gewesen, ehe er 1962 zum eben eröffneten Zweiten Deutschen Fernsehen wechselte, das dringend Geschichten brauchte. Noch ganz Theater, bearbeitete er dort als erstes ein Stück von Prosper Mérimée, doch bewegte sich der neue deutsche Film längst weg vom Theatralischen, fand den Weg nach draußen oder in die Hinterhöfe, wie sie seit den Arbeiterfilmen der späten Weimarer Republik nicht mehr kinofähig gewesen waren.
Natürlich versuchte man, Stein zu Arte abzuschieben
Fassbinder drehte den "Händler der vier Jahreszeiten" (1973), Helke Sander ihr feministisches Manifest "Die allseitig reduzierte Persönlichkeit - Redupers" (1978), Antonio Skármeta "Mit brennender Geduld" (1983). Im Fernsehen, hat Herbert Achternbusch mal gesagt, ist ein Elefant so groß wie eine Maus, aber das Fernsehen bot den jungen Filmemachern ein immerhin mausgroßes Budget für Experimente. In ganz Amerika hätte Jim Jarmusch nicht das Geld für "Stranger than Paradise" (1984) auftreiben können, und trotz der großzügigen britischen Filmförderung nutzte Derek Jarman Steins Angebot für "The Last of England" (1987).
"Das kleine Fernsehspiel" war anfangs tatsächlich klein, kürzer als 25 Minuten, und lief im Vorabendprogramm. Ab 1973 kam es ins Hauptprogramm und rückte im Laufe der Jahre immer tiefer in die Nacht, wenn das bei Leo Kirch teuer eingekaufte Programm versendet war. Natürlich versuchte man, Stein zu Arte abzuschieben, aber die Quote wurde erst gegen Ende seiner Amtszeit erfunden. So konnte er lange an seiner "provokativen Innovationsanstalt für alle" werkeln und an der Weltgeltung mitwirken, über die der deutsche Film kurze Zeit tatsächlich verfügte. Stein wurde mit den üblichen Preisen ausgezeichnet, darunter die französische Ehrenlegion, doch am meisten freute ihn, wie er versicherte, dass im Moskauer Filmmuseum vierzig seiner kleinen und großen Fernsehspiele liefen.
Als Film noch Film war und nicht Arthaus, finanzierte Stein "Rosen für Afrika", den letzten Film des Deutsch-Iraners Sohrab Shahid Saless, für ein nächstes Projekt war, was für eine ewige Kulturschande, in Deutschland kein Geld mehr da. Wenn sie sich beim ZDF ermannen oder auch erfrauen, dann bringen sie in den nächsten Monaten, gegebenenfalls halt tief in der Nacht, eine Eckart-Stein-Werkschau. Das wäre dann Filmgeschichte.