Süddeutsche Zeitung

Medienkolumne "Abspann" über Dunja Hayali:Auf der Suche nach der verplemperten Zeit

"Abspann" ist eine Kolumne über die Medienlandschaft. Diesmal von Einspielern zerhackte Nicht-Gespräche mit Robert Habeck und Carola Rackete.

Von Jan Bielicki

Sie ist einer von den Menschen, die manch andere durch ihr bloßes Da- und Sosein provozieren. Zu laut, zu frech, zu links, zu Frau, und Maier heißt sie auch nicht - Dunja Hayali ist eine gerne genutzte Zielscheibe für alle, denen die Republik und deren Medien irgendwie zu rot-grün, gar "versifft" vorkommen. Da kann die TV-Talkerin wohl machen, was sie will, den Shitstorm der Empörungsbereiten im Netz hat sie sicher. Anlass diesmal: Für ihre Sendung am Mittwochabend hatte sie den Grünen-Chef Robert Habeck und Carola Rackete geladen, die Kapitänin des Flüchtlingsrettungsschiffs Sea Watch 3. Da klang schon die Sendungsankündigung unausgewogen. Hätte nicht AfD-Quotenfrau Beatrix von Storch dabei sein müssen oder wenigstens FDP-Chef Christian Lindner?

Eben nicht, die Idee hinter Teil eins der Sendung war schon gut: Drei Leute, die grüne Klimaschutzpolitik besonders trifft, grillen den Mann, der sie durchsetzen will, vielleicht gar als grüner Kanzler ("ach, diese Kanzlergesch ...", winkt er ab). Und alle drei zeigten, dass sie den Obergrünen durchaus in Argumentationsnöte hätten bringen können. Raoul Hille, Chef von Hannovers Flughafen, machte auf die Grenzen der Kerosinsteuer aufmerksam. Melanie Zirzow, Personalreferentin in der Lausitzer Braunkohleindustrie, verwies auf Kraftwerksneubauten jenseits der nahen Grenze in Polen. Und der Schweinemäster Thorsten Riggert glaubte, dass Landwirte "gegen ausländische Konkurrenz ausgetauscht werden", sollten die Grünen ernst machen mit ihrer Teuerfleisch-Politik.

Hätte spannend werden können. Hätte. Wenn dafür Zeit gewesen wäre. Aber die verplempert das Programm lieber mit Einspielfilmchen. Da werden, reichlich sinnfrei, Urlauber auf Mallorca befragt, oder es wird erklärt, was denn die Gäste so sagen werden, die da doch persönlich im Studio sitzen. Und kaum redet sich Habeck, die weißen Hemdsärmel klimakatastrophensommergerecht aufgekrempelt, in Hitze - "Die anderen machen nix, wir machen nix", das gehe doch nicht, "da kann man Politik in die Tonne treten" -, und es wäre an der Zeit zu sehen, wie er mit der kenntnisreichen Kritik seiner Gegenüber im Detail zurechtkommt, ist die Zeit jedoch schon um. "Gegenfrage oder Antwort?", fragt Habeck. "Nee, Überleitung zum nächsten Thema", sagt Hayali. Es ist halt doch nur wieder eines dieser Talkformate, die aus Furcht, nicht flott genug daherzukommen, jedes Gespräch abwürgen.

Dazu passt die Fragetechnik der Talkerin, die oft besser zu wissen scheint, was ein Gast gleich sagt, als dieser selbst. "Sie sagen: Das ist Quatsch", erklärt Hayali der Seenotretterin Rackete, da hat die noch nichts dergleichen gesagt. Ja, acht hektische Gesprächsminuten mit der Kapitänin kriegt man auch noch hineingestopft in die Sendung. Erkenntnisgewinn: eher gering. Aber egal, ist halt exklusiv.

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SZ vom 09.08.2019/qli
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