Süddeutsche Zeitung

DSGVO:"Leider nicht verfügbar"

Datenschutz mit Nebenwirkungen: US-Medien sperren EU-Bürger aus. Neben Nachrichtenseiten kappen auch andere digitale Dienste die Datenleitungen unter dem Atlantik. Es handelt sich um Vorsichtsmaßnahmen der Unternehmen.

Von Marvin Strathmann

Seit Freitag gilt die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU - für Europäer, die an US-Medien interessiert sind, hat das unerwünschte Auswirkungen: Statt die DSGVO zu implementieren, blocken neben vielen amerikanischen Unternehmen auch etliche Nachrichtenseiten Nutzer mit europäischen IP-Adressen. Verweigert wird ihnen etwa der Zugriff auf New York Daily News, Los Angeles Times, Chicago Tribune, San Diego Union-Tribune und Baltimore Sun. All diese Medien gehören zum Konzern Tronc, der weitere Lokalzeitungen in den USA herausgibt. Wer aus Europa eine dieser Websites öffnen möchte, bekommt nur ein Statement zu sehen: "Leider ist unsere Webseite in den meisten europäischen Ländern nicht verfügbar." Weiter heißt es, man prüfe nun, wie die digitalen Angebote auf dem EU-Markt angeboten werden könnten.

Auch das amerikanische Verlagshaus Lee Enterprises sperrt Europäer aus. Damit sind Dutzende Lokalzeitungen, etwa der Arizona Daily Star oder die Fremont Tribune, für EU-Bürger nicht mehr erreichbar. Da sich vermutlich nur wenige Europäer für lokale Nachrichten in den USA interessieren, dürften sich die Verluste für die Unternehmen in Grenzen halten. Im Gegenzug müssen die Verleger sich nicht mit den 99 Artikeln der DSGVO beschäftigen und haben keine Strafen zu befürchten, wenn sie gegen die darin definierten Regeln verstoßen.

Einen anderen Weg wählt die Washington Post: Dort können Besucher nun eine "Premium EU Subscription" abschließen. Die kostet drei Dollar im Monat mehr als das Standard-Abo. Dafür verzichtet die Post auf Werbung und Tracking - Datenschutz wird zum Verkaufsargument. Auch die Kostenlosversion können EU-Bürger aufrufen, wenn sie den obligatorischen Cookie-Hinweis absegnen und den Datenschutzbestimmungen zustimmen.

Dagegen leitet die Nachrichtenseite USA Today europäische Besucher auf eine Unterseite weiter und nennt das eine "European Union Experience". Diese spezielle Seite sammle keine persönlichen Daten, heißt es - dafür handelt es sich auch um eine funktional reduzierte Version, die eher an einen Nachrichtenticker erinnert. Wer die Website des National Public Radio (NPR) besucht, hat die Wahl: Entweder man akzeptiert die Bedingungen des Senders oder nimmt mit einer minimalistischen Text-Version der Seite vorlieb, die an das Internet der 1990er Jahre erinnert.

"National Public Radio" lässt die Wahl: Einwilligen oder es gibt eine Minimal-Version der Seite

Neben Online-Medien kappen auch andere digitale Dienste die Datenleitungen unter dem Atlantik. So ist etwa Instapaper für Europäer vorübergehend nicht mehr erreichbar. Ähnlich wie bei Pocket können Nutzer dort Online-Artikel speichern, um sie später zu lesen oder ans Smartphone zu schicken. "Wir arbeiten daran, den Zugriff so bald wie möglich wiederherzustellen", verspricht das Unternehmen.

Vor allem kleinere Dienste und Websites haben zu kämpfen. Facebook hingegen sieht eine Chance, Nutzern die Gesichtserkennung schmackhaft zu machen, die jahrelang in der EU ausgeschaltet war. Weitere Kuriositäten zu den neuen Regeln sammelt die Website gdprhallofshame.com.

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Quelle:
SZ vom 26.05.2018
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