DSDS ohne Dieter Bohlen:Das Ende der Klobürsten-Ära

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(Foto: Henning Kaiser/dpa)

Am Samstag ist das "Deutschland sucht den Superstar"-Finale zu sehen. Es wäre der letzte Auftritt von Dieter Bohlen gewesen, der das Rüpelhafte zum Markenzeichen erhoben hat.

Von Gerhard Matzig

"Die Zeit, dass ich mir alles gefallen lasse, ist vorbei." Dieter Bohlen hat Instagram diesen erstaunlichen Satz über seinen Rauswurf aus der Castingshow DSDS anvertraut. Am Samstag ist das Deutschland sucht den Superstar-Finale auf RTL zu sehen. Das wäre des gefeuerten Poptitans letzter Auftritt gewesen. Krankheitsbedingt wird aber Bohlen, 67, von Thomas Gottschalk ("Ein Titan lässt den anderen nicht hängen"), 70, schon seit der letzten Sendung vertreten. Was beinahe alles sagt über das Elend der deutschen Fernsehunterhaltung. Die unterhaltsamer dort gerät, auf Instagram, wo der eine Titan im Rentenalter dem anderen Titan im Rentenalter einschenkt.

Seinen Followern erklärte Bohlen zu Gottschalks Auftritt: "Die ganz Jungen haben gefragt: Wer war dieser ältere Herr? Leute, das war Thomas Gottschalk." Warum der Haarteile von seiner Oma trage, wisse er, Bohlen, auch nicht. Die Zeit, da sich der ältere Herr Bohlen alles gefallen lässt, ist eben vorbei. Kurios daran ist, dass er sich niemals irgendetwas hat gefallen lassen - genau das definiert ja seinen Erfolg. Er wollte, anders lassen sich seine Auftritte kaum deuten, nie ein geachteter, sondern nur ein verächtlich machender Herr sein. Er wurde respektiert als jemand, der die Respektlosigkeit wenn nicht zur Kunst, so doch zum Geschäftsmodell erhoben hat.

Vielleicht ist Dieter Bohlen als älterer Herr in Wahrheit ein feingeistiger Ästhet

Bohlen gefällt sich und anderen, die genauso sein wollen, in der Rolle des Rüpels. Ob auch privat: keine Ahnung, man kennt den Herrn nicht. Gerade dafür, ein frecher und aggressiver Mensch zu sein (jedenfalls als DSDS-Schauspiel), wurde er geschätzt von einer Gemeinde, in der sich das Rüpelhafte zur trumpistischen Leitkultur steigerte. Vielleicht, wer weiß das schon, ist Dieter Bohlen als älterer Herr in Wahrheit ein feingeistiger Ästhet, der gern Schopenhauer liest ("Eine Grobheit besiegt jedes Argument"), doch bei RTL gab er vertragsgemäß der Welt das, was sie in all den DSDS-Jahren begehrte: die eigene Erniedrigung.

"Wenn du 3000 Prozent besser singst, könntest du eventuell Scheiße erreichen." - "Das war ganz schön scheiße." - "Deine Stimme klingt ätzend! Ätzend für 'nen Kloreiniger ist geil, ätzend für 'ne Stimme ist scheiße." Vielleicht deutet das Ende der Ära Bohlen als DSDS-Klobürste (Bohlen über Bohlen) das Ende der analen Phase in der deutschen Unterhaltungsbranche an. Das wäre fein.

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