DSDS-Finale 2012:Neun Staffeln, zwei brave Buben und ein absehbares PR-Desaster

Keine guten Zeiten für "Deutschland sucht den Superstar": Dieter Bohlens Castingshow steckt im Quotentief - kein Wunder, bei den langweiligen, austauschbaren Finalisten. Der 17-jährige Maurer-Azubi Luca Hänni gewinnt am Ende das Finale. Mit seiner weißen Weste wird sich RTL schwer tun mit seiner Vermarktung.

Martina Pock

Langweilig, langweiliger, Deutschland sucht den Superstar. Dieter Bohlens Show hatte in dieser Saison bis zu zwei Millionen Zuschauer weniger als in den vergangenen Staffeln. Wer die Sendung am Samstagabend auf RTL verfolgte, kennt spätestens jetzt auch die Gründe. Der 17-jährige Schweizer Luca Hänni konnte das finale Voting mit 52,8 Prozent der Stimmen für sich entscheiden, knapp vor seinem 16-jährigen Konkurrenten Daniele Negroni. Als "Bad Boy gegen den Mädchenschwarm, Freak oder Sunnyboy" wurde das Duell zu Beginn angekündigt. Im Grunde war diese Frage überflüssig, denn beide Finalisten sind austauschbar.

Luca Hänni gewinnt DSDS gegen Daniele Negroni

Luca Hänni (links) und Daniele Negroni beim Finale von Deutschland sucht den Superstar: Bad Boy gegen den Mädchenschwarm, Freak oder Sunnyboy.

(Foto: dapd)

Viel Pyrotechnik, Lichtershow und ein steifer Moderator, der die ganze Sendung hindurch kaum die Pose wechselt - so die ersten Eindrücke der Abschlussfolge. Moderator Marco Schreyl wirkte mit blauem Samt-Sakko und Fliege wie ein Roboter und genauso statisch gestaltete sich auch seine Moderation: mit Sprüchen, die man aus mittlerweile einem Jahrzehnt Casting-Dramaturgie im deutschen Fernsehen in- und auswendig kennt.

Und wie stand es um Dieter Bohlens Befinden zu Beginn der Sendung? "Mir geht heute Abend auch so ein bisschen der Stift", erklärte der 58-Jährige und offenbarte, dass er die Hosen voll hätte, wenn er selbst um 500.000 Euro Siegerprämie kämpfen müsste. Eine Summe, auf die noch einmal hinzuweisen ihm ganz offensichtlich ein Bedürfnis war. Die beiden Buben standen derweil in Glitzer gewandet auf der Bühne und schauten demütig.

Die neunte Staffel machte immer wieder auf sich aufmerksam, doch selten durch die gesanglichen Leistungen ihrer Kandidaten. Das musste sie auch nicht, denn das wäre wahrscheinlich das Letzte gewesen, was das stetig abfallende Quoten-Barometer von DSDS wieder nach oben steigen hätte lassen. Weniger als fünf Millionen Menschen verfolgten den als musikalischen Wettbewerb getarnten Eiertanz zuletzt, während neue Konkurrenten wie "The Voice of Germany" die Blicke auf sich zogen. Es waren vielmehr Geschichten über schreckliche Familienschicksale, Skurillitäten, Klischees und Krankheiten, die vom Boulevard aufgefangen und genauso übertrieben wieder ausgespuckt wurden wie in der Casting-Show selbst: Der Underdog, der schon mit 13 Alkohol trank, der Schöne, der an Multipler Sklerose leidet, die Zicke, die ständig weint, der Dicke mit den Käsefüßen.

Das Prädikant "gekonnt" fehlt

Auch das international wichtigste Marketing-Dogma "Sex Sells" bediente DSDS ausgiebig - und das bereits beim Recall auf den Malediven. Viel nackte, oft minderjährige und vornehmlich weibliche Haut, in Zeitlupe und mit schmachtender Hintergrundmusik unterlegt, in Szene gesetzt. Das Prädikat "gekonnt" fehlt hier, weil es fehlen muss.

Sexy, sexy, sexy, nichts schien bei den weiblichen Kandidatinnen wichtiger zu sein. Hatten sie auf den Malediven immerhin noch barfuß am Strand die Hüften schwingen dürfen, staksten die verbliebenen Mädchen bei den Shows in Köln in Plateau-High-Heels über die Bühne. Jenseits von zehn Zentimetern war es den meisten da nicht mehr möglich, dem Wunsch der Jury nach mehr Tanz und Performance nachzukommen. Wie auch.

Langen Beinen und Hot Pants zum Trotz, unter die letzten Sieben schaffte es nur ein einziges Mädchen. Die 16-jährige Fabienne Rothe kann sogar singen, hat ein Lolita-Image und eine gewisse Ähnlichkeit mit Brooke Shields in der "Blauen Lagune" - trotzdem reichte es nur für Platz vier. In all den Jahren DSDS hat sowieso erst einmal eine Frau gewonnen. Aber an den Namen Elli Erl kann sich wohl kaum jemand erinnern.

Dieter Bohlen wird nicht müde - seine Zuschauer schon

So stehen also am Ende von Staffel Nummer neun Luca und Daniele auf der Bühne. Finalist und Gewinner Luca ist hübsch und süß. Der 17-jährige Maurer-Azubi aus der Schweiz hat eine weiße Weste, keine straffällige Familie und im Gegensatz zu Konkurrent Daniele raucht er nicht zu viel. Schwer, einen solchen Typen abseits der Bravo zu vermarkten. Wenigstens offenbarte er im April - genau, in der Bravo - dass er im Internet gerne ab und an Pornos guckt. Immerhin, aus solchen Sprüchen lässt sich vielleicht etwas machen, vom PR-Standpunkt aus gesehen. Zumindest während seine erste - und wahrscheinlich auch letzte - Single in den Charts steht. Danach wird die Vermarktung wohl eher ein Desaster. Den Song "Don't Think About Me" gibt es bereits, von Bohlen höchstpersönlich geschrieben, und er klingt fast wie der aus dem letzten Jahr.

Bruce Darnell fand es "pörfect"

Die Jury findet den Song, den beide Finalisten vortragen mussten, auf jeden Fall toll. Bruce Darnell fand Lucas Performance "pörfect" - Danieles genauso. Kaum ein anderer hat so viele Auftritte als Jury-Mitglied im deutschen Fernsehen wie Darnell, eine nicht endenwollende "Reise nach Jerusalem". Und dann war da noch Natalie Horler, Frontfrau der prolligen Dance-Formation "Cascada" in ebenso prolligem Outfit.

Dieter Bohlen hatte gewohnt wenig an seinem eigenen Schaffen auszusetzen und bedankte sich bei Daniele mit den Worten: "Ich bin echt stolz auf dich, dass du meinen Song so schön gesungen hast." Und weil die beiden Buben so brav waren, schenkte ein bekannter deutscher Autohersteller - Achtung Produktplatzierung - den beiden jeweils einen nagelneuen Wagen. Schade, dass keiner der beiden einen Führerschein besitzt, aber sogar der wird ihnen spendiert. "Wie sagt man da?", ermahnte Moderator Schreyl prompt, als der vorgesehene Dank durch die so reich beschenkten Jungs offenbar nicht gleich deutlich genug formuliert wurde.

Die übliche Tränenflut am Ende ließ dagegen nicht auf sich warten. Es weinten im Einzelnen Luca (Siegertränen), Natalie Horler (Schluchzen mit gerührtem Lächeln), Bruce Darnell (wie immer) und natürlich der enttäuschte Zweitplatzierte Daniele. Nicht aber Bohlen, er blieb bis zum Ende erstaunlich ruhig und gelassen. Man hätte meinen können, er habe sich einen anderen Ausgang des Finales gewünscht. Die neunte Staffel Deutschland sucht den Superstar ist also vorbei. Die nächste Show aus dem Hause Bohlen steht schon in den Startlöchern: Am 5. Mai startet RTL die erste Staffel von DSDS Kids, einer Talentshow für vier bis 14-Jährige. Auch dieses Spin-Off wurde im Finale von DSDS mehrmals platziert. Dieter Bohlen wird offensichtlich nicht müde.

Seine Zuschauer langsam schon.

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