DSDS: Deutschland sucht den Superstar:Dieter kann nicht anders

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Dieter Bohlen pöbelt wieder. Zum Start der neunten Staffel von RTLs Sängersuche gibt sich der Jury-Chef besonders aggressiv und gewöhnlich. Nicht nur die Kandidaten bekommen einen auf die Mütze, sondern auch die Konkurrenz. Dabei treibt ihn wohl eine Sorge besonders um.

von Meike Mai

RTL hat Schiss. Anders ist das alles nicht zu erklären. Nicht das Versteckspiel der Jury, nicht die Rosen von Dieter und nicht die Kraftmeierei des Moderators. Aber der Reihe nach: Am gestrigen Abend startete bei RTL mal wieder "Deutschland sucht den Superstar", kurz DSDS. Fürs Dekolletée sorgt 2012 Natalie Horler, Sängerin und Frontfrau der Band Cascada. Für Rührung die hauptberufliche Heulsuse Bruce Darnell. Für Tränen der "ungebändigte Titan des Pop" (RTL) Dieter Bohlen.

Eine neue Frau, ansonsten alles beim Alten: Dieter Bohlen, Natalie Horler und Bruce Darnell bilden die Jury für die neunte Staffel von DSDS. (Foto: dapd)

So weit, so gähn. Kein Wunder, dass der Showsender und sein Schlachtross so aggressiv wie seit Jahren nicht die Werbetrommel für den mittlerweile neunten Staffelstart rührten. Noch am Freitag pöbelte der Jury-Chef via Bild-Zeitung: "Wenn jemand ein Problem mit mir hat, kann er es gerne behalten - es ist ja seins. Ich ärger' die Kritiker so lange, bis sie weinen oder aufgeben".

Das ist freilich zu einfach. Denn in Wahrheit lehrt das Talentsingen "The Voice of Germany" RTL derzeit das Fürchten. Viel zu nett und viel zu erfolgreich ist das Format der Konkurrenz, bei dem es um die Stimme geht - und nicht darum, die Kandidaten vor laufender Kamera zu blamieren. Rund drei Millionen Zuschauer hat "The Voice of Germany" im Schnitt. Eines der TV-Phänomene des Herbstes, auch wenn die Quoten zuletzt keine Rekorde mehr erzielten. "Die Stimme allein machte vielleicht zu Zeiten des Grammofons und von Jopie Heesters einen Star, aber heute nur noch echt selten" stichelte Bohlen in Bild.

Und doch gab er sich im Vorfeld scheinbar geläutert. Deutschlandweit klebten Plakate mit einem lächelnden, rosensträußchentragenden Dieter Bohlen im himmelblauen Konfirmandenanzug an Bushaltestellen. Darauf verspricht RTL in großen Lettern: DIETER KANN AUCH ANDERS. Ein Seitenhieb auf die freundlichen "Voice"-Juroren. Nichts anderes ist auch der Vorschlag von Bruce Darnell. Die Jury solle sich doch unter dem Tisch verstecken, damit sie Kandidatin Christin allein nach dem Gehör beurteilt. Geht natürlich schief.

Das neunte DSDS zeigt, was es schon immer zeigen wollte: Eine Aneinanderreihung von Talenten und Trantüten wie Sascha, den 28-jährigen Umzugshelfer, der im feuerroten Outfit zu seinem iPod im Ohr "Berlin City Girl" mitsummt, oder den stimmgewaltigen Marcello. Alles ist wie immer. Und das ist das Problem. Denn in seinem zehnten Jahr hat sich das Format überholt.

Ungünstiger Sendetermin

Dabei ging das Show-Konzept lange auf. Doch ausgerechnet im Jubiläumsjahr (die erste Staffel startete im Herbst 2002) gerät der von der Bild-Zeitung und RTL sorgfältig geölte Star-Back-Automat ins Stottern. Schon der Sendetermin ist ungünstig gewählt. Noch läuft "The Voice". RTL kann nicht darauf bauen, dass die Zuschauer bei zwei Castingsendungen mitfiebern. Auch die kraftmeiernden Sprüche von Moderator Marco Schreyl - "Mehr als 35.000 Bewerber! Das Original ist zurück!! Die erfolgreichste Musikshow Deutschlands!!!"- rütteln nicht an der Tatsache, dass die Zahl der Superstars, Supertalente, Popstars, X-Factor-Gewinner und Weiß-der-Kuckuck-was-Sieger mit den Jahren unüberschaubar wurde.

Oder können Sie allein die acht vorherigen DSDS-Gewinner lückenlos aufzählen? Es sind Alexander Klaws, Elli Erl, Tobias Regner, Mark Medlock, Thomas Godoj, Daniel Schumacher, Mehrzad Marashi und Pietro Lombardi. Das nur für die Statistik. Auch die neunte Staffel des Casting-Veteranen wird wieder einen Superstar hervorbringen. Es wird wieder Tränen geben und Triumphe, irgendein Liebespaar, einen Knacki oder sonst jemanden, bei dem die Schlagzeilen größer sind als die Sangeskünste.

Eine einzige Light- und Soundshow

Schon jetzt drehen Sound- und Effektkünstler an allen Schräubchen für mehr Dramatik. Da gibt es diabolisches Augenrollen der Jury, Elefantengestampfe untermalt den Auftritt übergewichtiger Musiker, Südseeszenen flirren zum Geklimper von "Over the Rainbow" und so weiter und so fort. Es ist eine einzige Light- und Soundshow. Und der verzweifelte Versuch, nochmal aus allen Rohren zu schießen, bevor die Schlacht geschlagen ist.

Zum Ende der letzten Staffel hatte Dieter Bohlen versprochen, seine Show-Soldaten künftig mit Schmerzensgeld zu ködern. Das muss er wohl auch. Denn er wirbt zwar mit dem Slogan: DIETER KANN AUCH ANDERS. Doch in Kleinbuchstaben steht darunter. Will er aber nicht! Dieter Bohlen ist immer noch überzeugt: "Wer uns nicht gesehen hat, kann am nächsten Morgen nicht mitlästern."

Nur: will man das wirklich noch?

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