RTL-Dschungelcamp: Tag zwei:Eine sinistre Kraft namens RTL

Dschungelcamp, RTL, Jens Büchner

In der körperlichen und geistigen Auflösung begriffen: Dschungelcamp-Bewohner Jens Büchner.

(Foto: RTL)

Die Campbewohner verlieren durch Hunger und Hitze an Form und Verstand. "Icke" Häßler spricht - und liefert direkt einen Satz für die TV-Annalen.

TV-Kritik von Johanna Bruckner

Thema des Tages: Körper und Geist und die Frage: Wie sicher kann ich mir beider sein? Ist es nicht reiner Zufall, als Mensch geboren zu sein, mit einem Herz, Armen, Beinen und - im Fall von Kader Loth - jeder Menge tiefschwarzem Permanent-Make-up auf den Augen? Ein Mitcamper hielt Kader beim ersten Aufeinandertreffen gar für eine Vampirin. Dabei stand sie da in gleißendem Tageslicht an einem Strand! Jedenfalls zerfiel Kader nicht zu Staub, was vermuten lässt, dass sie tatsächlich ein Mensch ist, wenn auch mit künstlichen Konturen. Während die übrigen Camper wie Kerzen in der segenden Sonne in ihre Pritschen hineinschmelzen, durch Hunger und Hitze zunehmend an Form und Verstand verlieren, weiß Kader sich selbst zu schützen: "Ich hab' keine Kraft für lange Witze", erklärt sie der selbstberufenen Alleinunterhalterin Hanka Rackwitz.

Vorausschauende Einteilung der eigenen Kräfte - daran mangelt es dem Rest des Zirkus Bohne an Tag zwei. Das gibt Stress für die Kameraleute: Gefühlt alle drei Minuten will ein anderer Dschungelbewohner von seiner schlimmsten Lebenskrise erzählen, der emotionale Zoom hat Hochkonjunktur. Dabei sind doch noch so viele Stunden Sendung zu füllen! "Ich war ein richtiges Drecksschwein", sagt zum Beispiel Florian Wess. Und liefert die Gründe gleich mit: Marihuana, Speed, Ecstasy. Mitcamper Jens Büchner nutzt die Gelegenheit, um von seinem eigenen Tiefpunkt zu berichten: ein Suizidversuch mit einer Flasche "Saurer Apfel" und den Herztabletten seines Vaters.

Wäre das Dschungelcamp eine Daily Soap, man könnte solche Drehbuchdetails guten Gewissens amüsant finden. "Saurer Apfel", haha. Aber es geht (vermutlich) um echte Menschen. Selbst Hanka fällt darauf nur noch eines ein: "Oh ihr Quasselmäuse, ey."

Tier des Tages: Nein, nicht die Quasselmaus, sondern die Zikade. Oder auch "Zirkade", wie Markus Majowski das Insekt mit dem lauten Organ nennt. Wobei: Steckt vielleicht mehr dahinter? Gibt es möglicherweise sinistre Kräfte, die danach trachten, die armen Campbewohner mittels Lärmfolter in den Wahnsinn zu treiben? Markus fragt sicherheitshalber nach, erst bei seinen Mitbewohnern ("Feueralarm, oder?"), dann direkt bei den Sendungsverantwortlichen im sogenannten Dschungeltelefon ("Die scheinen mir irgendwie elektronisch verstärkt zu sein ..."). Eine zufriedenstellende Antwort bekommt er nicht - deshalb sei sie an dieser Stelle nachgeliefert: Ja, Markus, es gibt diese Kraft, sie heißt RTL.

Zentraler Rollenstreit: Wer fliegt am überzeugendsten übers Kuckucksnest? Was in der Verbrechensprävention als wirkungsvolle Abschreckung bei einem Überfall empfohlen wird, kann als Überlebensstrategie im Dschungel nicht schlecht sein: einfach auf verrückt machen. Kader gibt die gemeingefährliche Irre ("Ihr solltet Messer und Gabel verstecken, wirklich - ich kann für nichts hier garantieren"), Markus Majowski simuliert Verfolgungswahn ("Ich dachte erst, das wären vielleicht Sicherheitsbeamte" - es geht um Glühwürmchen im Wald) und Hanka kocht Tee aus Zahnpasta ("Schmeckt wie ein richtig starker Pfefferminztee").

Einziges Problem: Nach elf Staffeln Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!, in denen der Zuschauer falsche Tränen und gespielte Küsse im Naturpool erlebt hat, vermutet er auch dort Inszenierung, wo möglicherweise echte Traumata zugrunde liegen. Das Mitgefühl ist ihm abhanden gekommen - vielleicht war er aber auch schon immer ein sadistischer Zeitgenosse. Wie dem auch sei: Er wählt Kader und Hanka in die morgige Dschungelprüfung.

Worüber wurde am Lagerfeuer gesprochen? Siehe "Thema des Tages".

Und die Dschungelprüfung? War als erster "männlicher Bitch-Fight" der Dschungelcamp-Geschichte angekündigt. Enttäuschte dann aber aus Zuschauersicht: Erst zierten sich die Bitches, die größtenteils unter Wasser abzuleistende Prüfung überhaupt anzutreten. Florian Wess wollte sein T-Shirt nicht ausziehen (aus Sorge um seinen Body), Alexander "Honey" Keen nicht in enge Behälter tauchen (aus Sorge um seine Familie). Am Ende traten dann aber doch beide an, "Honey" gewann und die Kontrahenten konnten sich gegenseitig gar nicht genug loben. Was hätten da schon die Kolosseumsbesucher im alten Rom gerufen? "Buuuuh! Pussies!"

Satz für die TV-Annalen: "In meinem nächsten Leben werde ich 'n Pizzateig." ("Icke" Häßler lebt! Und leidet unter Reis und Bohnen.)

Moral der Geschichte? Es gibt Dschungel-Tage, die sind wie die Schatzsuche von Marc Terenzi und Sarah Joelle Jahnel. Man müht sich ab, lässt sich mit ekligem Schleim übergießen, strengt sein Gehirn an und hofft auf den Schatz (der Erkenntnis). Doch am Ende steht die Enttäuschung. Marc Terenzi bleiben nach falscher Beantwortung der Schätzfrage die tröstenden Worte von Teamkollege "Honey": "Jetzt wissen wenigstens alle, dass wir beide beschnitten sind."

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