Dschungelcamp 2017:Dschungelcamp-Finale - Megaperverse Routine

Dschungelcamp, RTL, Hanka Rackwitz

Fischabfälle als finale Herausforderung: Hanka Rackwitz.

(Foto: RTL/Stefan Menne)

Dschungelkönig Marc Terenzi sagt: "Oh shit." Das gilt auch für die elfte Staffel. Eine Show, in der die Kandidaten gehorsam den Hampelmann machen, ist vor allem eines: nicht unterhaltsam.

TV-Kritik von Johanna Bruckner

Hanka Rackwitz steht in einem Plexiglas-Zylinder, von den Füßen bis zum Hals umgeben von Fischabfällen, Fleischresten und verdorbenem Obst. Moderator Daniel Hartwich erkundigt sich: "Kriegst du denn ein bisschen Beklemmungen oder geht's?" Besser kann man das Unterhaltungsdefizit der diesjährigen Ausgabe von Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! nicht beschreiben. Da ersinnt RTL ein Jahr lang Psycho-Spielchen und Quälereien und dann sind die Show-Teilnehmer nicht in der Lage, zumindest glaubhaft ein gepeinigtes Gesicht zu simulieren! Hanka antwortet im Übrigen: "Gerade geht's noch." Auch das ein Satz, der die elfte Staffel treffend zusammenfasst.

In guten Jahren ist das Dschungelcamp - eine Wildniskulisse im australischen Murwillumbah - ein klassisches Tauschgeschäft: Der Zuschauer vergisst für die Dauer der Show, was ihm über das Konzept der Menschenwürde beigebracht und an Werten mitgegeben wurde, sodass er ohne schlechtes Gewissen dabei zusehen kann, wie Buchstaben-Prominente von RTL erniedrigt werden. Oder sich freiwillig erniedrigen? Jedenfalls bekommen die meist Reality-TV-erfahrenen Kandidaten im Gegenzug das, was sie am meisten ersehnen: Aufmerksamkeit.

16 Tage lang sind ihnen Aufzuggespräche und Bild-Schlagzeilen sicher. Dafür lässt sich TV-Maklerin Hanka, die bei ihrem Einzug angab, unter diversen Angststörungen zu leiden, im Finale mit Abfällen überschütten. Marc Terenzi, bekanntgeworden als Mitglied der Boyband Natural und Ehemann von Sängerin Sarah Connor, isst Kamelhirn. Und Florian Wess, der vor dem Dschungel wegen seines chirurgisch optimierten Äußeren dann und wann in den Klatschspalten und einschlägigen TV-Magazinen auftauchte, liegt in einer dunklen Höhle mit Ratten und Spinnen.

Die richtige Mischung aus Weinerlichen und Wahnsinnigen

"Och Kinder, das ist doch megapervers", befindet Hanka während der Zylinder-Episode. Es klingt nicht nach echtem Ärger, sondern routiniert. Am Ende des Abends darf sich einer der drei Kandidaten Hoffnungen machen, nach dem Dschungel für Shoppingcenter-Eröffnungen und Gastauftritte in Großraumdiskotheken gebucht zu werden: Marc Terenzi wird zum Dschungelkönig 2017 gekrönt. Der gebürtige Amerikaner sagt: "Oh shit." Wiederum ein Satz, der ... ach, lassen wir das.

Wenn in vorangegangenen Jahren die Quoten sanken, wurde häufig und meist zurecht das Casting kritisiert. Zu unbekannt, zu konfliktscheu, zu wenig emotionaler Ballast. Nicht immer gelang die richtige Mischung aus Weinerlichen und Wahnsinnigen. In diesem Jahr zog mit Gina-Lisa Lohfink jene Frau ins Camp, die im Sommer verurteilt worden war, zwei Männer zu Unrecht der Vergewaltigung bezichtigt zu haben. Jene Frau, die - eher unfreiwillig - zur Symbolfigur der aufkommenden Nein-heißt-Nein-Debatte wurde. Gina-Lisa war, wenn es allein nach der Medienpräsenz geht, die prominenteste Bewohnerin des Dschungelcamps 2017. Dort blickte sie mit aquamarinblauen Augen traurig in die Kamera und erzählte von schlechten Männern und Schlägen. Gina-Lisa wurde nur Achte.

Der vielleicht unbekannteste Kandidat auf der aktuellen Besetzungsliste, Alexander Keen, war vorher nur als Nebendarsteller bei einem Reality-TV-Format dabei. Er schaffte es in die Medien als unsympathischer Freund der letztjährigen Gewinnerin von Germany's Next Topmodel. Im Dschungel tat "Honey" genau das, wofür er gebucht worden war: Er mimte den arroganten Schönling, das menschliche Camp-Arschloch. Am Ende erging es ihm wie dem Straußen-Anus in der Dschungelprüfung: viel Hass, wenig Fame, Platz sieben.

Ein Trump-Wähler wird Dschungelkönig - was sagt uns das?

Die Besetzung stimmte also, und auch die Quoten waren zumindest zufriedenstellend: In der Spitze erreichte RTL 30 Prozent der Zuschauer in der werberelevanten Gruppe. Doch was bedeutet es langfristig für eine der erfolgreichsten deutschen Unterhaltungsshows, wenn sich viele Zuschauer viel gelangweilt haben? Und warum wird ein Mann Dschungelkönig, dessen größte Provokation darin bestand, zu erzählen, dass er bei der US-Wahl für Donald Trump gestimmt habe? (Was sein Manager später dementierte.)

Seid ihr wirklich so dumm zu glauben, irgendetwas davon sei echt?

Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! war immer anders als die übrigen Reality-TV-Formate. Trashiger, böser und vor allem: ehrlicher. RTL hat damit gespielt, dass das Dschungelcamp nichts Anderes ist als eine große Inszenierung mit zugeteilten Rollen. Die Moderatoren machen sich in gleichem Maße lustig über die Naivität der Teilnehmer wie über die der Kritiker. Seid ihr wirklich so dumm zu glauben, irgendetwas davon sei echt?

Wer als Zicke, Buhmann und Held wahrgenommen wird, darauf haben die Teilnehmer so wenig Einfluss wie die Zuschauer. Das bestimmen allein die Autoren und Cutter. Wer versucht, eigenmächtig das Publikum zu manipulieren, wird gnadenlos abgestraft: So erging es 2011 Jay Khan und Indira Weis, die sich im künstlich angelegten Naturpool als Liebespaar inszenierten. Sie wurden als Blender gebrandmarkt.

Der Mensch hat sich den Fernsehgöttern zu unterwerfen und auf ihre Milde zu hoffen - da ist das Dschungelcamp wie jede andere Reality-Show.

Gina-Lisa weint, "Honey" grinst dreckig

Und wie viele andere Formate kannibalisiert sich die Sendung gerade selbst. Denn Kandidaten, die zehn Staffeln lang lernen konnten, was ankommt - nicht beim Publikum, sondern bei den Strippenziehern von RTL - die machen in vorauseilendem Gehorsam den Hampelmann. Gina-Lisa weint, "Honey" grinst dreckig und beide hoffen, dass ihnen die Sendungsmacher ein Heldennarrativ schreiben. (An dieser Stelle sei einmal mehr auf den Gastbeitrag des verstorbenen Roger Willemsen zum unerreicht unterhaltsamen Dschungelcamp 2014 verwiesen.)

Hanka singt im Finale Zeilen von Rag'n'Bone Man: "I'm only human, after all - don't put the blame on me". Ich bin doch auch nur ein Mensch, gib' mir nicht die Schuld. Ja, sie sind Menschen, und ihr Schöpfer heißt RTL. Finalist Florian beschrieb die Runde der letzten Drei so: "Die Durchgeknallte, der Stripper und der Botox-Boy." Die Sendungsmacher sollten sich im kommenden Jahr mehr einfallen lassen, als wieder nur die gleichen alten Schablonen anzulegen.

"Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" TV-Kritiken zum Dschungelcamp 2017

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