Eines muss man den Machern von vorneherein lassen: Mit Titel und Thema könnten sie einen Volltreffer landen. Denn kaum ein Thema eignet sich in der arabisch-islamischen Welt besser, um Glaube und Fantasie, Schauder und Neugier der Menschen zu wecken, als Geschichten über die Dschinn: Jene übersinnlichen Wesen, die bereits im Koran erwähnt werden - und deren Existenz kaum ein islamischer Religionsgelehrter leugnen würde. Für Dschinn, die erste Netflix-Produktion in arabischer Sprache, kann sich aber erwiesenermaßen auch ein westliches Publikum erwärmen - der jahrhundertealte religiöse Mythos der Geisteraustreibung hat schließlich schon Horrorklassiker wie den Exorzist von 1973 hervorgebracht.
Anders als dieser spielt die Serie Dschinn nicht im historischen Washingtoner Stadtteil Georgetown, sondern in der jordanischen Hauptstadt Amman, die völlig zu Unrecht als langweiligste Stadt im Nahen Osten bezeichnet wird. Denn die Stadt mit den sieben Hügeln, den weißen Häusern und den schicken Cafés eignet sich bestens als Schauplatz: Vergleichsweise modern, sauber, friedlich - und genau dieses Bild aus dem Nahen Osten gehört dringend auch mal auf die Bildschirme. Viel zu häufig sind arabische Hauptstädte dort Krisenherde, Schauplatz von Terror, Ehrenmorden und Chaos. Dschinn erzählt eine erfrischend andere Geschichte.
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Eine Gruppe von Teenagern fährt auf einen Schulausflug nach Petra. Statt sich für die mehr als 2000 Jahre alte Geschichte der roten Felsenstadt zu begeistern, setzt sich die Clique von Lehrerin und anderen, uncooleren Schülern ab, um am Lagerfeuer zu flirten und zu trinken. Dann stirbt plötzlich ein Mitschüler auf mysteriöse Weise. Er sei von einem Dschinn besessen gewesen, heißt es. Und nacheinander geraten die Freunde der weiblichen Hauptperson Mira in Gefahr. Geister ergreifen Besitz von ihnen - und die können nicht nur durch die Gegend fliegen, sondern auch unliebsame Stiefväter während eines Geburtstagsdinners ersticken lassen.
Die Hauptcharaktere sind durchweg jung besetzt, und die Geschichte schafft es, mit vielen Klischees zu brechen. Mira ist rebellisch, lässt sich von niemandem etwas sagen und macht Schluss, als ihr Freund zu vereinnahmend wird. Als sie von der traumatischen Klassenreise heimkehrt, auf der sie den Alkohol besorgt hat, erwartet sie schon ihr Vater. Strenger Blick, schwarzer Vollbart - die perfekte Besetzung für einen herrischen, orientalischen Patriarchen. Doch dann entpuppt er sich als liebevoll-besorgter Papa. Stereotype Rollenzuschreibungen laufen ins Leere, auch der Obermacho-Vater von Yassin ist tätowiert und Alkoholiker, kein religiöser Fanatiker. Und dann sind da noch die Dschinns, mal Mann, mal Frau, mächtig und wütend.
Auch die Sprache zeigt realitätsnah, wie kosmopolitisch die arabische Jugend im Social-Media-Zeitalter aufwächst. Teenager in Beirut, Kairo oder Amman sprechen häufig einen Mix aus Arabisch und Englisch. Es lohnt sich also, mal die Originalfassung mit Untertitel anzusehen.
Nur zwischendurch lässt Dschinn ein wenig Authentizität vermissen. Frauen mit Kopftüchern, die in Amman in Wirklichkeit zum Stadtbild gehören, sucht man in der Serie vergebens. Und die gezeigten Knutschereien im Schulbus sind auch im vergleichsweise modernen Jordanien nicht üblich. Auch auf manche Klischees aus amerikanischen Teenagerkomödien könnte die Story eigentlich gut verzichten: Die Jungs etwa, die darauf wetten, ihre Freundinnen ins Bett zu kriegen. Selbst für die jordanische Oberschicht, zu der nicht alle der Schüler gehören, ist das freizügige Teenagerleben in Amman wohl ein wenig übertrieben dargestellt.
Abgesehen davon aber liefert der libanesische Filmemacher Mir-Jean Bou Chaaya mit Dschinn eine wirklich unterhaltsame Serie. Und dem Streamingdienst Netflix, zu dessen Geschäftsmodell es gehört, seinen Zuschauerinnen und Zuschauern in über 190 Ländern lokale Eigenproduktionen zu bieten, ist ein weiterer Schritt zur Internationalisierung seines Unterhaltungsprogramms gelungen.
Dschinn , bei Netflix*
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