"Downton Abbey" im ZDF:Was von damals übrig blieb

Downton Abbey

Lecker aufbereitetes Empire: Lady Edith, gespielt von Laura Carmichael, ist eine von drei Töchtern der adligen Crawleys.

(Foto: Nick Briggs/ZDF)

Was war die Welt doch übersichtlich, als der Adel noch Schlösser bewohnte und Dienstboten beschäftigte: An der Historien-Serie "Downton Abbey" wärmen die Briten derzeit ihre Seele. Jetzt zeigt das ZDF die erste Staffel.

Von Alex Rühle

Allein schon der Anfang. Wie die Kamera durch die Räume dieses Anwesens gleitet, treppauf, treppab, ins Souterrain, das mit seiner Enge, all den geschäftigen Mägden, Köchinnen, Kammerdienern, den glänzenden Terrinen und Tiegeln wirkt wie der riesige Maschinenraum eines Ozeanriesen. Treppauf ans Oberdeck, in die lichten Gemächer der Crawleys, wo die emsige Dienerschaft Kamine einheizt, Vorhänge aufzieht, die Morgenzeitungen bügelt und ihrer Lordschaft Earl Grantham aufwartet, der im steifen Frack beim Frühstück sitzt. Dazwischengeschaltet das nervöse Klappern eines Morsetickers, der aus ozeanischer Ferne eine Katastrophe herüberkabelt, die seine Lordschaft nun beim Tee lesen muss: Sein Cousin und dessen Sohn sind auf der unsinkbaren Titanic untergegangen.

Ein großer Auftakt, der schon auf alles anspielt, was in den kommenden acht Folgen dieser Weihnachtsserie so szenisch üppig wie erzählerisch raffiniert aufgefaltet wird: Der Adel und seine Bediensteten, der Reichtum einer zu Ende gehenden Epoche und eben - das Ende: Der Untergang der Titanic droht auch die Familie des Earl in den Abgrund zu reißen: Aufgrund eines Testamentzusatzes kann Downton Abbey, der Landsitz der Crawleys nebst Ländereien und sonstigem Vermögen nur an einen männlichen Erben übergehen. Leider haben die Crawleys aber nur drei Töchter. Alles war schon so schön vorbereitet, die älteste Tochter Mary sollte den Cousin heiraten, aber der ist nun im Eismeer ertrunken. Also muss sich die Familie wohl oder übel mit dem nächsten männlichen Spross arrangieren, einem entfernter Cousin aus London, der sich auch noch einbildet selbst arbeiten zu müssen . . .

Downton Abbey ist in Großbritannien (inzwischen in Staffel drei) auch deshalb so erfolgreich, weil Autor Julian Fellowes es glänzend versteht, die buddenbrooksche Geschichte um Aufstieg und Fall einer Dynastie mit einer Hommage an den Viktorianismus als behüteter, wohlgeordneter Zeit zu verweben. Klar wärmen die Briten ihre Seele an derart lecker aufbereitetem Empire, look darling, wie schön übersichtlich damals alles noch war: Hugh Bonneville, den man hierzulande vor allem aus Notting Hill kennt, gibt den gütigen Adligen, Elizabeth McGovern spielt seine umsichtige Frau.

So imperial wie saukomisch

Das größte Vergnügen aber macht es, Dame Maggie Smith dabei zuzuschauen, wie sie aristokratisch knöchernen Dünkel vor sich herträgt. Wenn sie als eisern beherrschte Lady Violet, Dowager Countess von Graham, Mutter des Earl, die Szene betritt, werden alle anderen zu Statisten, sie scheint ein Korsett aus jahrhundertealtem Hochmut zu tragen und sieht ihren Ansitz auch als Festung gegen die Zumutungen der Moderne: "Ich würde Elektrizität im Haus nicht ertragen. Ich könnte keine Sekunde schlafen. All die Dämpfe, die dort austreten."

Es reicht schon, diese so imperiale wie saukomische Lady Violet ins Feld zu führen, um all die Kritiker der Serie zum Schweigen zu bringen: Ja, mag sein, Fellowes sitzt für die konservative Partei im britischen Oberhaus, aber Downton Abbey ist doch deshalb noch keine Geschichtsklitterungsorgie. Und: ja, stimmt, der Earl wird als dermaßen humane Figur gezeichnet, dass man in unseren zugigen Zeiten von Quartalszahlen und Massenentlassungen am liebsten ein Bewerbungsschreiben nach Downton schicken würde. Wer einmal unter dem Schutz von Lord Crawley steht, wird schließlich nie mehr Arbeitslosigkeit fürchten müssen.

Aber die Serie funktioniert nicht deshalb so gut, weil sie einen in eine glanzvolle Epoche entführt, sondern weil sie permanent eine Ähnlichkeit zu unserer Zeitenwende suggeriert: Die Globalisierung klingt schon im ersten Telegramm an, das ganze Klassensystem wird infrage gestellt, der neue Chauffeur gehört der Arbeiterbewegung an, eines der Zimmermädchen versteckt eine Schreibmaschine, weil sie davon träumt, Sekretärin zu werden, eine andere verliebt sich in den schwulen Butler, am Horizont dräut der Erste Weltkrieg. Kurzum, irgendwann kann man Lady Violet fast verstehen, als sie aus ihrem Schießschartenmund zischt: "Ich empfinde Sehnsucht nach einer einfachen Welt. Ist das ein Verbrechen?!"

Downton Abbey, Folge 1, ZDF neo, 20.15 Uhr und ZDF, Sonntag, 17.05 Uhr.

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