Im Mai, als Dominique Strauss-Kahn, in New York mit Handschellen gefesselt den Medien vorgeführt wurde, waren nach einer Umfrage 57 Prozent der Franzosen davon überzeugt, dass ihr Landsmann einem Komplott zum Opfer gefallen sei.
Dem damaligen Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) blieb nach der breit berichteten angeblichen Vergewaltigung eines Zimmermädchens nichts anderes übrig, als von seinem Amt zurückzutreten.
Gleichzeitig zerschlug sich der Plan, bei den französischen Präsidentschaftswahlen gegen Nicolas Sarkozy anzutreten, bei denen der Amtsinhaber in dem Fall vermutlich unterlegen wäre. Erst nach Wochen stellte sich heraus, dass Nafissatou Diallo, das angebliche Opfer, nicht die Wahrheit gesagt hatte. Strauss-Kahn wurde daher freigelassen.
Der Enthüllungsjournalist Edward Epstein will jetzt Belege dafür gefunden haben, dass Strauss-Kahn tatsächlich das Opfer einer Verschwörung geworden ist, deren Hintermänner angeblich fest im Sarkozy-Lager stehen.
Die Verdächtigungen sind an sich nicht neu - trotzdem machte die Financial Times nun ihre Wochendausgabe mit dem auf, was Autor Epstein in einer ausführlichen Reportage in der New York Review of Books zu Tage förderte.
Sex-Skandal um Dominique Strauss-Kahn:Chancen im Schatten des Skandals
Ob Dominique Strauss-Kahn tatsächlich eine Frau zum Sex zwingen wollte oder nicht - sein Plan, Nicolas Sarkozy als Präsidentschaftskandidat 2012 herauszufordern, ist damit wohl gescheitert. Davon profitiert seine Konkurrenz.
Epstein, der ein Faible für Verschwörungstheorien hat, zu denen mittlerweile auch DSK gehört, präsentiert folgende Indizien: Strauss-Kahn habe einen Hinweis erhalten, dass sein Blackberry gehackt worden sei. Eine SMS, die er an seine Frau schickte, soll im Hauptquartier von Sarkozys Partei UMP gelesen worden sein.
Das Handy ist verschwunden, und zwar im Sofitel. Das Zimmermädchen hat sich, wie die Auswertung der elektronischen Zugangskarten ergab, vor und nach der Begegnung mit Strauss-Kahn mehrfach im Nachbarzimmer aufgehalten, das damit als Tatort gelten müsste. Die Polizei hat es nicht untersucht, das Hotel gibt nicht preis, wer dort übernachtet hat.
Nachdem die angebliche Vergewaltigung gemeldet war, klatschen sich der Sicherheitsingenieur und ein weiterer Angestellter begeistert ab und vollführten, wie die Überwachungskamera festgehalten hat, einen dreiminütigen Freudentanz.
Das Sofitel hat auf mehrfache Nachfragen der SZ bis Redaktionsschluss nicht geantwortet, in einer Presseerklärung jedoch mitgeteilt, dass der Freudentanz keiner war, überdies keine drei Minuten, sondern nur acht Sekunden gedauert habe und die befragten Angestellten es kategorisch verneint hätten, ihr Verhalten habe etwas mit DSK zu tun.
Der UMP-Generalsekretär Jean-François Copé nennt die ganze Geschichte "grotesk". Ein Komplott oder doch nicht? Sicher ist nur, dass Dominique Strauss-Kahn im kommenden Jahr nicht Präsident wird. Seine Anhänger fordern die französischen Behörden jedoch im Zuge des Berichts in der New York Review of Books auf, die Vorwürfe zu untersuchen.