Dokureihe "Ausgerechnet" im BR:Jeder kann in den Abwärtsstrudel geraten

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Tod der Mutter, Verlust von Job und Beziehung, Zwangsräumung, Depressionen, Verwahrlosung: Michael Symolka (rechts) war ganz unten. (Foto: Johanna Kempter)

Was sind die ärmsten - was die gefährlichsten Orte Bayerns? Und warum? Die Dokureihe "Ausgerechnet" setzt auf Zufallsbegegnungen.

Von Viola Schenz

Michael Symolka empfängt die Reporterin in seinem neuen Heim. Der 64-Jährige ist bei einer Bekannten eingezogen, er haust dort in einem winzigen Zimmer zwischen Umzugskartons. Früher hat er als Radiomoderator gearbeitet, Uni-Dozent war er auch. Dann kamen Tod der Mutter, Verlust von Job und Beziehung, Zwangsräumung. Seitdem: Depressionen, Verwahrlosung, "bis hin, dass ich unangenehm gerochen habe". Der Mann mit den grauen, schulterlangen Haaren ist inzwischen wieder in der Spur, er unterrichtet bei einem Sozialdienst ehrenamtlich Langzeitarbeitslose.

Symolka lebt in Augsburg, der Stadt mit den laut Statistik niedrigsten verfügbaren Haushaltseinkommen in Bayern. Die Statistik ist Basis einer neuen Reportagereihe des BR: Ein Reporterteam sucht die "ärmsten, glücklichsten und gefährlichsten Orte" Bayerns auf, fragt, warum das dort so ist und wie sich das auf die Menschen auswirkt.

Videojournalisten mit Handkameras können den Betroffenen tatsächlich nahekommen - in der Kostenlos-Sprechstunde des engagierten Arztes, dem obdachlosen Pärchen im Augsburger Stadtpark oder eben Symolka in seinem Zimmer.

Die Sache mit der Empathie

Die Idee für Ausgerechnet hatte eine Gruppe von Volontären im vergangenen Jahr. "Wir sind nicht so durchgeplant, bei uns ergibt sich der Spannungsbogen beim Umsetzen", erklärt Vera Cornette, 27, "wir setzen auf Zufallsbegegnungen, gehen eher empathisch an ein Thema ran."

Empathisch? Manche Reporter durchzuckt es da: Journalisten sollen sich nie mit einer Sache gemein machen, lautet ein Grundsatz. "Wir ordnen alles journalistisch ein", sagt Cornette. Nach ihrem Besuch bei Symolka spricht sie am Gartentor direkt in die Kamera: "Du merkst, jeder kann aus der Mitte der Gesellschaft in so einen Strudel hineingeraten."

In einer unempathischen Reportage käme der Satz ohne "Du" aus, und er käme aus dem Off.

Ausgerechnet , BR, montags, 22.30 Uhr.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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