Dokumentation über Hospize:Der Tod in schönen Bildern

Hirschhausen im Hospiz âÄ" wie das Ende gelingen kann

Es gelingt Hirschhausen, dem Zuschauer die zentrale Botschaft der Sterbemedizin mitzugeben. Trotzdem fehlen dem Film die unschönen Wahrheiten.

(Foto: WDR/Ben Knabe)
  • In der Dokumentation "Hirschhausen im Hospiz - wie das Ende gelingen kann" versucht TV-Arzt Eckart von Hirschhausen das Sterben als Phänomen in einem Fernsehbeitrag zu ordnen.
  • Die große Botschaft dabei: den Tod auch als Motivation für das Leben zu sehen.
  • Leider vernachlässigt der Beitrag Einzelschicksale und die unschönen Wahrheiten, die abzubilden wichtig gewesen wäre.

Von Felix Hütten

Der größte Schmerz, den ein Mensch im Leben spüren kann, geht vielleicht nicht von den Nieren aus, die nicht mehr arbeiten wollen, oder von Nerven, auf die ein Tumor drückt. Der schlimmste Schmerz ist womöglich die Gewissheit, dass man seine Kinder alleine lassen muss auf der Welt, als Vater, als Mutter, weil der eigene Körper, bleischwer im Bett, aufgehört hat, Leben zu wollen. Diesen Schmerz beschreibt eine Frau in der 45-minütigen Doku Hirschhausen im Hospiz - wie das Ende gelingen kann, in der Deutschlands prominenter TV-Arzt Eckart von Hirschhausen zwei Tage lang sterbende Menschen in einem Hospiz begleitet.

Etwa eine Millionen Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland und ihre Geschichten sind so verschieden, dass es auch Hirschhausen nicht gelingt, das Sterben als Phänomen in einem Fernsehbeitrag zu ordnen. Die Idee, das Thema in die Mitte der Gesellschaft zu rücken, ist ehrenwert und richtig. Hirschhausen hat ja recht, wenn er darauf hinweist, dass die Menschen in Deutschland ihrem Lebensende gerne mehr Aufmerksamkeit widmen könnten. Denn trotz all der Talkshows und Bücher zum Thema Tod haben sich die allermeisten wenige Gedanken darüber gemacht, was wohl passiert, wenn sie eines Tages sterben, was übrigens bei wirklich jedem Menschen auch morgen sein kann.

Aber der Erkenntnisgewinn ist gering, wenn TV-Reporter mit einem Sarg durch die Münchner Innenstadt radeln und Passanten fragen, wie es sich darin anfühlt. "Unangenehm warm", antwortet einer.

Im Film sieht der Zuschauer immer wieder auch eindrückliche Szenen. Hirschhausen gelingt es, mit der Kamera nah ran zu kommen, etwa wenn eine Witwe von ihrer Trauer erzählt, der Mann war in der Nacht zuvor gestorben, das Bett noch aufgeschlagen. Sie erzählt, wie er es Tage zuvor mit letzten Energiereserven geschafft hat, eine ganze Stunde mit Zigaretten und Torte den 18. Geburtstag seines Sohnes zu feiern. Wenn Menschen sterben, das wird in dieser Szene klar, schrumpft die Welt um sie rum, Dinge werden wichtig, die Gesunde in einem Leben voller Hektik schnell mal übersehen. Es ist schön zu sehen, wie Hirschhausen diesen Momenten Raum gibt in seinem Film und es wäre noch schöner gewesen, wenn die Geschichten dieser Menschen erzählt worden wären, statt ständig vor allem einen zu sehen und zu hören, nämlich ihn selbst.

Gleichzeitig vegetieren Tausende Menschen in Pflegeheimen dahin

"Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben", zitiert Hirschhausen den Leitspruch der Hospizbewegung. Das klingt schön und gelingt in diesen Einrichtungen meist auch gut, wobei man aber wissen muss, dass etwa 230 Hospize in Deutschland eben auch viele Patienten ablehnen müssen, die um einen Platz bitten. Gleichzeitig vegetieren Tausende Menschen in Pflegeheimen dahin, bekommen keine oder nur geringe palliativmedizinische Versorgung oder werden manchmal eben auch mit unnötiger Krankenhausmedizin kurz vor dem Lebensende malträtiert.

Für solche unschönen Bilder aber war offenbar im ARD-Film, in dem munter Luftballons aufgeblasen werden, kein Platz. Und wenn ein Palliativmediziner den Passanten auf der Straße erklärt, dass man doch auch Akupressurpunkte an der Hand suchen könnte, wenn ein Patient Schmerzen hat, dann gerät die Ernsthaftigkeit des Themas in Schieflage: Ein Großteil jener, die sich für eine umfängliche Legalisierung des assistierten Suizids ("Sterbehilfe") aussprechen, begründen dies auch mit der Angst vor Schmerzen (die dank Morphin und Co. in den meisten Fällen unbegründet ist).

Immerhin gelingt es Hirschhausen und seinen Reportern, dem Zuschauer die zentrale Botschaft der Sterbemedizin mitzugeben. Es ist ein Appell, den Tod auch als Motivation zu sehen, um ein Leben trotz aller Reibungen als Leben zu akzeptieren. Und so verabschiedet sich Hirschhausen ganz am Schluss und sagt: "Wir waren nur zu Besuch hier."

Hirschhausen im Hospiz - wie das Ende gelingen kann, ARD, Montag, 20.15 Uhr

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Bettina Grosselfinger

SZ PlusSterbebegleiterin
:"Ich habe keine Angst mehr vor dem Sterben"

Bettina Grosselfinger ist eine Taschendesignerin, die mit italienischer Mode handelt. Sie ist aber auch Sterbebegleiterin - was sie als große Bereicherung empfindet.

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