Dokumentation:Über Leben

Ein Zeichen der Trauer für die Opfer in der Nähe der Sandy Hook Grundschule in Newtown. Dort wurden zwölf Mädchen, acht Jungen und sechs Frauen bei einer Schießerei getötet.

Ein Zeichen der Trauer für die Opfer in der Nähe der Sandy Hook Grundschule in Newtown. Dort wurden zwölf Mädchen, acht Jungen und sechs Frauen bei einer Schießerei getötet.

(Foto: Eric Thayer/Reuters)

Der Film "Newtown" arbeitet den Amoklauf an der US-amerikanischen Sandy-Hook-Grundschule aus dem Jahr 2012 auf. Im Mittelpunkt stehen aber nicht die Minuten des Massakers, sondern die Hinterbliebenen.

Von Karoline Meta Beisel

Der Film beginnt mit einem simplen, aber wirkungsvollen Trick. Man sieht eine gut gelaunte Parade, die an einem Sommertag durch eine Kleinstadt zieht. Und dazu hört man: dumpfe, bedrohliche Basstöne. Dabei macht schon der Titel des Films klar, dass die folgenden 85 Minuten keine heiteren sein werden. Es ist derselbe Name, der auch auf den Trikots der lachenden Cheerleader steht: Newtown.

Am 14. Dezember 2012 erschoss ein 20 Jahre alter Amokläufer 20 Erstklässler und sechs Lehrer der Grundschule des Ortsteils Sandy Hook, bevor er sich selbst das Leben nahm. "Twelve fourteen" nennen die Newtowner seither diesen Tag, es klingt wie "Nine eleven".

Die ersten Bilder drehte die Filmemacherin Kim Snyder schon wenige Tage nach der Tat, drei Jahre lang ist sie danach immer wieder nach Newtown zurückgekehrt. Ein Polizist, der als einer der ersten am Tatort war, sagt in ihrem Film: "Niemand muss genau wissen, was wir dort gesehen haben." So geht es in dem Film kaum um die Tat selbst. Stattdessen widmet er sich den Überlebenden und der Frage, wie sie nach dieser Tragödie weiterleben wollen und können.

Im Zentrum stehen die Familien dreier Opfer. Eine Mutter steht Jahre nach der Tat in einem Raum voller Geschenke und Kisten mit Briefen der Anteilnahme und hat nicht den Mut, auch nur einen davon zu öffnen. Ein Vater berichtet über den Zwang, genau wissen zu müssen, was sein Sohn in seinen letzten Minuten erlebte. Am berührendsten sind die Reaktionen der Geschwisterkinder: Ein Mädchen, selbst noch ein Kind, erzählt, dass sie ein schlechtes Gewissen hat, wenn ihre Mutter ihre Trauer versteckt, damit sie, die Überlebende, nicht jede Sekunde an alles erinnert wird. An den Türrahmen, auf dem die Eltern mit Strichen den Wachstumsfortschritt ihrer Kinder festhalten, hat ein Junge einen neuen Strich für seinen verstorbenen Bruder gemalt: "Would be here", wäre jetzt so groß, steht daneben.

Natürlich geht es auch um die politischen Folgen der Tat. Die Kamera begleitet die Angehörigen nach Washington, wo sie für schärfere Waffengesetze kämpften. In Snyders Geschichte bleibt das aber nur ein Randaspekt - was dem Film nicht schadet: Viel deutlicher als mit der Trauer der Familien lässt sich kaum politisch Stellung beziehen.

Newtown, abrufbar auf Netflix.

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